„Siehst du“, sagte einst Jürgen Bartsch zu sich selbst, „alles wendet sich immer zum Guten“, als ihm das nächste Mordopfer über den Weg lief … und er bedanke sich leise beim Schicksal für dieses schöne Geschenk. Immerhin hatte er, als höchste Lusterfüllung vor, einmal, nur einmal im Leben, einen Menschen teilweise aufzuessen, der noch am Leben war. Und heute war es vielleicht endlich soweit – dieser kleine Junge, den er soeben entführt hatte, würde sich vielleicht als „stabil“ genug erweisen für das „besondere“ Vorhaben: er durfte einfach nicht zu früh wegsterben! Er, Jürgen Bartsch selbst, würde sich jedenfalls alle Mühe geben …
„Endlich“, seufze Xerxes, zutiefst befriedigt, als er endlich sein Riesenheer zusammengezogen hatte und es gegen Griechenland marschieren ließ. „Die Götter sind mir gnädig gestimmt." Er glaubte zu wissen, daß jetzt seine Stunde gekommen sei, denn diese widerborstigen Eingebildeten würde er schon niederwalzen. Seine „Unsterblichen“ waren um ihn und verliehen ihm genau diese Zuversicht, die ein großer Feldherr braucht, um an sich glauben zu können. Und, wenn der Feind erst besiegt war, dann würde er diesen Griechen schon zeigen, wo’s langgeht. Die Ionier hatten sich ja bereits beugen müssen – die ganze Welt würde sich beugen müssen!
Auch Iwan, den man fälschlich als „Der Schreckliche“ bezeichnete, erfreute sich seiner Hobbys, und, daß er immer wieder genug Opfer für seine kleine „Werkstatt“, im Keller seines Schlosses zugespielt bekam. Als unumschränkter Herrscher konnte er sich aussuchen, wer ihm den größten Spaß bereiten würde … Seine Verhältnisse waren schon gut und sie wurden immer besser. Was hinderte ihn daran, an die gütige Allmacht eines Gottes zu glauben, der am Ende doch immer alles gut werden ließ – und er, „Iwan der Schreckliche“, war sein Werkzeug. Wer anders sollte denn dafür sorgen, daß alles im Lot blieb und die Leute parierten, wenn nicht er?!
„Es war immer schon alles gleich“, triumphierte der Mitläufer, „immer hat es Unruhen im Volk und Kriege geben – und was ist draus geworden? Nichts! Wir haben ganz einfach überlebt … also ist doch alles gut geworden." Und schon liest er die Zeitung fröhlich, denn er kennt sich aus, er weiß Zuversicht anzuwenden, und er hat die richtige Methode. Sie liegt im Vergleich. Die Ursachen, die Mittel und die Methoden sind für ihn nicht verschieden, auch die Zeit und der gegenwärtige Stand der Technik (die man auch missbrauchen kann) spielen für ihn keine Rolle. Er ist im Besitz einer unbestreitbaren Wahrheit, nämlich der, daß es gar keine gibt …
Der gleichen Meinung wie der Mitläufer ist natürlich auch der Narziss (oft handelt es sich dabei sogar um ein und dieselbe Person), denn für ihn ist die Schönheit des Lebens, verkörpert in der eigenen Gestalt, dominierend, bei jeder Beurteilung. Diese Betrachtungsweise ist die komfortabelste, die man sich vorstellen kann – denn der Anwender kommt grundsätzlich gut dabei weg. Er kann, in nahezu jeder Situation, sein „Ja, aber“ einflechten und sogar die unvorteilhaftesten Zustände fast mühelos schönreden. Dabei kommt dann, beim Narziss und beim Mitläufer, stets ein guter Mensch heraus: er selbst! Ein guter Mensch zu sein aber bedeutet: Alles wird gut!
Und wer möchte schon als schlechter Mensch dastehen?! Heinrich der VIII. von England war ein guter Mensch, Karl der Riesengroße, Papst Soundso, der Soundsovielte selbstverständlich sowieso. Auch Landvogt Gessler war ein guter Mensch, der nichts Böses wollte. Im Gegenteil, er setzte sich für Recht und Ordnung ein … und was das ist, muss man einem Untertanen doch nicht erst mit Gewalt beibringen, oder?! Daß alles – und zwar alternativlos – gut werden muss, wusste doch auch schon die Heilige Inquisition, sonst wäre sie niemals so aktiv geworden. Sie kämpfte, voller Inbrunst, gegen den Satan und generell alles Böse auf der Welt!
Davon konnte auch der selige Bin Laden ein krasses Lied singen, das ausschließlich vom Kampf des Guten gegen das Böse handelte. Seine vielen guten Gefolgsleute arbeiteten und arbeiten immer noch in seinem Sinne, und das, auf die Gefahr hin, irgendein Trottel könnte auf die Idee kommen, sie seien womöglich gar nicht die Guten. Das ist Quatsch, denn wer die Guten sind, nein, wer sie waren, das kann sich doch immer erst am Ende eines Prozesses, einer Entwicklung zeigen. Dabei ist dann alles ganz einfach – das Gute siegt, dadurch wird alles gut, so wie schon immer alles gut geworden ist … und daraus geht hervor, daß ganz einfach der Sieger gut ist.
Der Kluge ist nun sozusagen, in der jeweiligen Gegenwart, quasi so etwas wie ein Börsenspekulant. Er schaut sich alles genau an, nein, er betrachtet nicht neutral, er analysiert! Wo könnte er Gewinne herausschlagen? Auf welche Weise wird für ihn „alles gut“ werden? Worin kann er sein Engagement investieren? Auf welchem Weg wird er die geringsten Widerstände erleben? Das können ihm nur die späteren Sieger verraten, die es stets akribisch zu ermitteln gilt. Wenn schon alles gut werden soll, was ja zweifellos einmal der Fall sein wird, dann muss er dabei sein – möglichst von der ersten Stunde an. Also: kalkulieren, argumentieren und raffinieren … OK?