Wahrhaftige Begegnungen: Im Einklang

Bild von Birgit Mancevski
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Ich betrete den Saal. Er ist noch völlig leer. Ich bin gelassen, fühle mich leicht und glücklich mit mir. Da ist keine Erwartung. Ich setze mich in den 1. Rang, gleich hinter die Brüstung genau in die Mitte.

Ich schließe die Augen, atme tief und falle fast in eine Art Trance. Als ich die Augen öffne, sind bereits fast alle Plätze belegt.
Eigenartig ist die Stille, niemand spricht, keine Bewegung ist auszumachen. Die anderen Menschen sitzen starr, wie Puppen, in ihren Sitzen. Auch die Türen schließen lautlos.
Ich schaue zur Bühne. Ein schwerer dunkelroter Vorhang verbirgt, was sich dahinter befindet. Als das Licht ausgeht, senkt sich eine wohltuende Dunkelheit über mich.
Ich lächle, fühle mich frei, so frei...
Langsam öffnet sich der Vorhang. Das Licht aus der Bühne ist gleißend hell, dass es fast in den Augen schmerzt.
Mitten auf der Bühne steht eine Gestalt, es ist eine Frau. Es dauert eine Weile bis sich meine Augen an das starke Licht gewöhnt haben. Das strahlende Licht umgibt den Körper der Frau. Es ist ihr Licht, es umhüllt sie, wie ein leuchtender Mantel. Es ist, als würde es von Augenblick zu Augenblick an Intensität zunehmen.
Die Frau seht aufrecht, stolz, wie eine Königin. Jeder Teil ihres Körpers drückt aus, dass sich sich ihrer selbst vollkommen bewusst ist. Wie angewurzelt steht sie dort. Ihr Gesicht ist völlig entspannt, ohne jede Gefühlsregung und ihre Augen sind geschlossen.
Irgendwie kommt mir diese Gestalt auf der Bühne sehr vertraut vor.
Es trifft mich wie ein Blitzschlag! Mein Atem stockt, mein Herz krampft sich zusammen, ich möchte schreien aber keine Laut kommt über meine Lippen.

Das bin ich, die da auf der Bühne steht bin ich!!!

Das Licht ist nach wie vor so hell, dass ich nicht erkennen kann ob ich etwas an habe oder ob ich nackt dort vorne auf de Bühne stehe!
Ich betrachte mein ICH, was da so leuchtend steht. Dieses zweite Ich sieht sehr groß aus, um nicht zu sagen riesig. Es füllt die ganze Bühne aus. Ich erkenne, bei genauerem Hinsehen, dass das Licht, was mich umgibt, aussieht, wie einzelne feine Schichten oder Häute. Diese Häute werden je weiter sie von meinem Körper entfernt sind, immer durchsichtiger.
Ich starre mich an.
Mein Herz, was sich erst angefühlt hat als würde es gleich aufhören zu schlagen, fängt plötzlich an, wie wild los zu galoppieren. Es pocht in meiner Brust, ich höre mein Blut in meinen Ohren rauschen. Panik steigt in mir hoch. Ich will weg von hier aber so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann mich keinen Zentimeter von der Stelle rühren. Ich konzentriere mich auf meinen Atem und versuche langsam tief ein und aus zu atmen. Die ganze Zeit schaue ich wie hypnotisiert auf mein Ich, was immer noch still und ohne sich zu bewegen auf der Bühne vor sich hin leuchtet.
Mein Gott, denke ich, als mein Ich auf der Bühne die Augen aufschlägt und mich direkt anschaut. Ich versinke in meinen Augen. Tauche ein. Mein Herz beruhigt sich, ich entspanne und lasse mich einfach fallen. Aus den Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung wahr. Mein strahlendes Ich breitet langsam, wie in Zeitlupe, die Arme aus.
Ich fühle mich mit einem Mal friedvoll, ich habe das Gefühl mich aufzulösen...
Mein Körper er wird immer leichter und leichter...
Doch was ist das! Der schwere Vorhang setzt sich in Bewegung!
Entsetzen: "Nein," schreie ich und erschrecke mich vor mir selbst. Das ganze Theater ist erfüllt von dem lauten Ton.
Er prallt an den Wänden ab und kommt als Echo wieder zu mir zurück: Nein, nein, nein....nein.
Ein letzter Lichtstrahl und der Vorhang ist geschlossen. Dunkelheit.-

Und ich..

Ich bin nicht mehr da! Mein Platz ist leer.

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Kommentare

20. Dez 2015

Die Vorstellung, sie fasziniert -
Denn sie wurde gut kreiert...

LG Axel