Identität - Page 7

Bild von Maik Kühn
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jüngere Schwester in einem Linienbus verschwand, den sie selbst leider ein paar Augenblicke zu spät erreichte.
„Verdammt!!!“
Jetzt blieb nur noch der Heimweg als Option, denn wohin Constanze fuhr, war für sie nicht nachvollziehbar. Wieder im Zuhause angekommen, besiegte starke Müdigkeit die sorgendurchtränkten Gedanken, was überraschend schnell in einem tiefen Schlaf endete.

Mehrmals hintereinander vibrierte es in unmittelbarer Nähe. Erst einige Zeit später gelang es Carlotta herauszufinden, wo sie sich aufhielt (im eigenen Bett) und was gerade geschah (das Smartphone meldete sich).
„Du trägst die alleinige Schuld an dem hier …“
Auf die kurze Textnachricht folgte eine Videosequenz.
„Carlotta, bitte tu alles, was sie von dir verlangen! Mir geht es gut …“
Abrupt endete die Botschaft. Zweifelsohne handelte es sich um ihre jüngere Schwester. Äußerlich machte das Mädchen einen zwar unversehrten, aber dennoch sichtlich mitgenommenen Eindruck. Sie saß mit verheulten Augen auf einem Stuhl und dieser schien sich in einer Art Container zu befinden … Nein, beim näheren Hinschauen entpuppte sich der mutmaßliche Ort als Laderaum eines Lieferwagens.
„Wir tun der Kleinen nichts, es sei denn, du verweigerst dich erneut. Heute am Sonntagabend wirst du nach Sonnenuntergang am Umspannwerk sein … Wir haben uns verstanden …“
Weitere Kontaktversuche blieben erfolglos. Zitternd verließ sie das Bett, um nachdenklich in ihrem Zimmer umhergehen zu können. Wer hatte Constanze entführt? Der digitale Zwilling wohl kaum. Langsam schlich sich eine böse Vermutung ein …

„Wie lange können wir hier eigentlich ungestört bleiben?“
„Keine Ahnung …“
Im elektronischen Innenleben eines mit dem Internet verbundenen Kühlschranks, trafen sich die beiden digitalen Zwillinge. Er konnte ja, dank seiner Wandlung, jederzeit in Freddys Körper zurückkehren, doch für sie käme im Ernstfall jede Hilfe zu spät.
„Carlotta, unser Plan muss unbedingt aufgehen.“
„Wenn mich bis dahin nicht diese Jäger vernichtet haben. Warum sind wir ihnen gegenüber bloß so machtlos? Egal, notfalls gehe ich halt als erstes digitales Opfer in die Geschichte ein. Hauptsache, DU hast es geschafft. Ein grenzenloses Leben zwischen den Welten … “
„Wenn man dich auslöscht, werde ich dir folgen …“
„Freddy, das darfst du auf gar keinen Fall tun! Versprich es mir!!!“
Menschliche Gefühle, vielleicht sogar mit so etwas Ähnlichem wie Seelen ausgestattet? Eigentlich waren die beiden doch nur verselbständigte Produkte modernster Kommunikationstechnologie …
Mit der nächsten Funksequenz verließ sie den Kühlschrank, wenige Sekunden, bevor eines der gefürchteten siebenäugigen Wesen dort eintraf. Zeitgleich zog sich ihr Gegenüber wieder in den Körper zurück, mit dem er sich vor knapp zwei Tagen vereint hatte.

Was ging nur in ihm vor? Offensichtlich die Kontrolle über sich selbst verloren, hatte er eine Minderjährige entführt.
Mitten im Wald lag eine einsame Hütte, die seinen Eltern gehörte. Dort gab es Nahrung für ein paar Tage, Hygieneartikel und sogar Ersatzkleidung. Licht spendeten batteriebetriebene LED-Lampen.
Anfänglich wollte er innerhalb des Verstecks das Erpresservideo filmen, doch dann schlichen sich Zweifel ein, was den Lieferwagen als geeigneteren Ort begünstigte. Es bedurfte mehrerer Versuche bis Constanze nach seinen Vorstellungen „funktionierte“. Direkt im Anschluss durfte sie dann endlich die Hütte betreten und nach einiger Zeit schlief das erschöpfte Mädchen dort auf einem Sofa ein.

Freddy saß im Sessel und schob Wache, als zwei gerade eben geöffnete Augen nach Orientierung suchten.
„Sorry… Du, ich will das hier eigentlich gar nicht ...“
Anfänglich hoffte sie noch Teil eines vorrübergehenden Albtraums zu sein, doch leider traf dies offensichtlich nicht zu.
„Idiot!“
Niemand hatte Constanze bisher so etwas Unglaubliches angetan, dabei war der Typ nicht einmal maskiert. Ungefähr so alt wie Carlotta mochte er sein. Jeder Quadratmillimeter des eigentlich gar nicht so kriminell wirkenden Gegenübers würde dauerhaft den Weg in ihr Gedächtnis finden, damit der Entführer hoffentlich zeitnah gefasst und anschließend möglichst schnell verurteilt werden konnte.
„Ich will sofort nach Hause!“
Immer mehr Wut erzeugte Mut, woraufhin die Angst bei dem Mädchen Zug um Zug zurückwich.
„Du … Sorry, ich wollte dir gestern Abend nicht wehtun …“
War dieser Mensch einfach nur dumm oder etwa gestört? Auf dem Supermarktparkplatz noch souverän und hart, wirkte ihr Entführer an diesem Sonntagmorgen absolut anders.
„Du bleibst erst einmal hier, weil ich es so will!“
Wirklich erschreckend, denn jetzt zeigte sich ihr Gegenüber wieder von seiner üblen Seite. Neulich musste sie für die Schule einen Aufsatz über multiple Persönlichkeiten schreiben. Konnte es vielleicht sein, dass …
Freddy goss Wasser in einen Campingbecher und reichte ihr das Getränk, dazu Kekse.
„Sorry, ein besseres Frühstück kann ich dir leider nicht anbieten.“
Schon wieder ein Switch der Persönlichkeit? Dieser Mensch vor ihr litt aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht wirklich an einer psychischen Störung, doch vielleicht wurden in seinem Inneren ja auch gerade Gewissenskämpfe ausgetragen. Constanze war anderen Menschen gegenüber sehr mitfühlend und besaß darüber hinaus feine Antennen für nonverbale Kommunikation.
„Hast du denn keinen Hunger?“
Überrascht nahm Freddy daraufhin ebenfalls ein paar Kekse.
„Mal angenommen, man begeht einen Fehler, möchte ihn dann am liebsten wieder rückgängig machen, hat aber Angst vor den Konsequenzen ...“
„Ich kann dich nicht so einfach wieder freilassen, wenn du das meinst.“
Langes Schweigen folgte. Freddys Blicke blieben derweil an ihren blauen Augen haften. Klar und tiefgründig waren sie, wie Bergseen, die bei sommerlichem Wetter zum Baden einluden. Fasziniert von diesem Mädchen, schaltete er langsam alle Kontrollmechanismen ab und begann damit, ihr ungefiltert sein Herz auszuschütten …
„Du glaubst jetzt bestimmt, dass ich einen Knall habe.“
Natürlich glaubte sie dies, trotz ihrer grundsätzlich toleranten Offenheit gegenüber dem Unbekannten.
„Nun ja, es klingst schon alles ziemlich abgefahren … Meine Schwester soll laut deinen Worten also unsichtbar sein, genau wie du es bis Freitagabend gewesen bist … Aber jetzt hast du dich quasi mit deiner Identität aus dem Internet vereint, die sich dort zuvor irgendwie verselbständigt hat …“
Freddy musste eigentlich schon längere Zeit dringend auf die Toilette, verließ aber erst jetzt die Hütte, um den nächsten Baum anzusteuern. Geistesgegenwärtig sprang Constanze sofort vom Sofa auf, fand ihre auf dem Boden liegende Handtasche samt direkt daneben ruhendem Smartphone, öffnete vorsichtig ein Fenster und flüchtete.
Querfeldein führte der Weg durch den Nadelwald. Plötzlich klingelte ihr Handy, sie nahm ab, lief jedoch dabei mit gesteigertem Tempo weiter.
„Du entkommst mir nicht.“
Völlig erschöpft schaute sich die Jugendliche um, doch weit und breit war niemand zu sehen.
„Tja, da habe ich dich wohl eingeholt ...“
Auf dem gesamten Display erschien derweil ein Foto ihres Entführers.
„Ich kann deine Existenz vollständig auslöschen. Zuerst im

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