Ausgewählte Namen - Page 2

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einfach. Wenn der Mann zu Godhot-Services gehörte, würde man es ihm erklären können.
Nach einiger Zeit hörte er Schritte und die Tür öffnete sich.
„Sie hätten mich auch auf dem Weg ansprechen können“, murmelte der Mann. „Kommen Sie rein.“ „Sie wissen, dass ich...“ „Dass Sie mir gefolgt sind, wie ein billiger Einkaufsdetektiv? Ja, das weiß ich.“ „Ich...“, Wolfgang stockte. „Kommen Sie nun rein?“ „Ja, in Ordnung.“ Es war eine einfache Wohnung. Nichts war besonders, wirklich rein gar nichts. Klinisch normal. „Setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken?“ „Nein, nein danke.“ Er nickte und runzelte die Stirn, während sich Wolfgang setzte. „Sie sind auch von Godhot-Services?“ „Ja, ich bin das Mittelstück.“ „Das Mittelstück?“ „Ich nehme alles entgegen, sehe es durch und schicke es weiter.“ „Ich werde überwacht.“ „Ich weiß.“ „Sie...“ „Ich habe es veranlasst.“ „Warum.. warum tun Sie das?“, sagte Wolfgang wütend, stand auf. „Bleiben Sie ruhig. Setzen Sie sich.“ „Ich will mich nicht setzen.“ „Setzen Sie sich“, sagte er noch einmal, langsamer. „Ich will mich nicht setzen“, sagte Wolfgang und machte einen Schritt auf den Mann zu. Dieser zog ein Klappmesser. Die Klinge schnellte hervor. „Setzen Sie sich verdammt.“ Wolfgang starrte auf das Messer und setzte sich.
„Ich hatte gehofft, dass Sie heute nicht kommen würden. Ich hatte es wirklich gehofft. Aber Sie sind da. Also für Sie habe ich gehofft.“ „Ich werde überwacht, was sollte ich tun?“ „Das Maul halten verdammt. Wissen Sie, ich gewinne hier. Egal, was Sie tun.“ „Wie...“ „Genau in diesem Moment ist ein Prüfer bei Ihnen. Ich habe die Informationen zufällig bekommen und alles arrangiert. Dass Ihnen die Überwachung auffällt und alle diese Sachen.“ „Warum?“ „Um zu sehen, was Sie tun. Sie kommen hierher, Sie sagen, dass es falsch ist.“ „Es ist falsch.“ „Deshalb, der Prüfer.“ Der Prüfer. Wolfgang wusste, was das bedeutete. „Wenn Sie dortgeblieben wären, wären Sie kein Problem, Sie hinterfragen nicht. Jetzt sind Sie kein Problem, weil Sie hergekommen sind. Der Prüfer wird sehen, Sie sind nicht da und Sie verlieren Ihren Job. Ganz einfach. Für das, was ich hier tue, brauche ich Leute, die nicht hinterfragen – also werde ich wohl jemanden aus meinen Reihen einsetzen.“
„Wie? Wie verdammt?“ „Zuerst habe ich ihre 'gute' Sekretärin bestochen, dass sie ihre Arbeit niederlegt und Sie sich im Folgenden um alles kümmern müssen.“ Die Sekretärin war deshalb gegangen, das erklärte einiges. „Alles andere wurde präpariert und nahm dann seinen Lauf. So, genug geredet. Verabschieden Sie sich von Godhot Servies. Jetzt gehen Sie. Gehen Sie jetzt.“ Wolfgang erhob sich und verließ das Haus. Er ging einige Zeit und setzte sich auf eine Steinbank. Seine Augen sahen nicht, er nahm nichts wahr und in ihm verschwammen die Gedanken. Man hatte ihn ausgetrickst.
Zuhause schloss er seine Tür auf und wollte einfach nur noch schlafen, aber die ganzen Gedanken hielten ihn stundenlang wach.
Er ging früh morgens los, weit vorher, als er eigentlich müsste und wollte die Tür des Gebäudes aufschließen. Das Schloss war ausgetauscht worden. Als er wieder zurückkam, fand er ein Kündigungsschreiben im Briefkasten, förmlich, schlicht, alles geregelt.
Was sollte er jetzt tun? Die nächsten Tage verstrichen in der Leere. Nichts passierte. Nichts war relevant. Er überlegte sich seinen Sohn anzurufen, aber ließ es dann doch. Er wollte niemandem zur Last fallen. So viele Jahre hatte er jetzt für Godhot-Services gearbeitet und nun war alles vorbei. Er war alt, aber er konnte nicht einfach nur dasitzen und alles ziehen lassen. Den kümmerlichen Rest seines Lebens ziehen lassen. Bewerbungen über Bewerbungen. Er musste wieder auf die Beine kommen.
Absagen. Nur Absagen. Er war alt, unbrauchbar, Abfall. Saß vorm Fernseher und trank, gelangweilt, ohne ein konkretes Ziel. Er zog in eine kleinere Wohnung, konnte sich seine alte nicht mehr leisten. Er hatte nichts mehr, gar nichts mehr. Kein Geld, keine Arbeit, keine Familie, keine Freunde und versauerte in einem Drecksloch. Sein System war verraten worden. Er war verraten worden. Diese illoyale Fotze, dieser Hurensohn, der ihm alles genommen hatte.
Was hatte er noch zu verlieren? Er dachte nach. Er könnte zur Polizei gehen und alles auffliegen lassen, aber das wollte er nicht, das würde nicht funktionieren - der Typ war nicht dumm.
Das würde jetzt enden, es würde jetzt enden! Wolfgang nahm die nächste Bahn, den Bus und wartete in der Nähe des Hauses, den ganzen Tag lang. Nichts passierte. Der Typ kam nicht. Eine Wohnung, wie viele andere vielleicht? Vielleicht hatte er längst die Wohnung gewechselt. Aber wo er ihn wohl erwischen würde, wäre das Postamt, das hatte sich nicht geändert, seit Jahrzehnten nicht, vielleicht hatte der Mann darauf keinen Einfluss. Möglicherweise wurde die Angelegenheit von weiter oben diktiert. Und tatsächlich, da kam dieser Wichser mit einem Umschlag heraus und wurde kurz darauf mit einem Taxi abgeholt.

Wolfgang versuchte dem Taxi zu folgen ohne aufzufallen, aber hatte es nach nicht mal einer Minute aus den Augen verloren. Viel Geld hatte er nicht mehr, aber einen Mietwagen holte er sich trotzdem. Er wollte, er musste ihn verfolgen, wollte, musste wissen worin alles mündete.
Am nächsten Tag mietete Wolfgang einen Wagen an (und das ohne Probleme obwohl er etwas nach Alkohol roch) und wartete vorsichtig mit einigem Abstand darauf, dass der Mann endlich wiederkommen würde. Tatsächlich. Er ging hinein, kam kurze Zeit später wieder heraus und wurde wieder abgeholt. Mit einigem Abstand verfolgte Wolfgang den Wagen und passierte verschiedene Blocks, die nur minimal variierten.
Nach einiger Zeit kamen sie in einer einfachen Gegend an und der Mann verließ den Wagen, betrat ein Haus.
Wolfgang wartete ab, musste den Mut fassen.
Dann ging es schnell. Er betrat das Haus. Rächte sich. Ein Stich dafür, dass alles ein Farce war. Ein Stich dafür, dass alles verloren war. Ein Stich, weil der Hurensohn immer noch nicht tot war.
Erschöpft warf er sich in einen Sessel und starrte stumm ins Nichts. Nichts war in Ordnung; aber zumindest alles wieder geordnet.
Warum war das alles passiert? Wie war es dazu gekommen? In dem Zimmer befand sich auch ein Schreibtisch, mit diversen Akten. So viele Namen, Übertragungen, Notizen zu dem ganzen System.
Und Briefe. Unendlich viele Briefe, teilweise schon in Umschlägen nur noch nicht zugeklebt. Wolfgang zog einen der Briefe heraus. Ein Bänker, der vielleicht seinen Job verlieren würde. Gegen eine Zahlung von 10000 Euro hätte sich das erledigt. Weitere Briefe, weitere Schicksale. Menschen, die ihren Job verlieren würden, Menschen, die ein Organ brauchten, Menschen, die verzweifelt waren. Menschen, die zahlten, die viel zahlten.
Wolfgang wurde klar, was das bedeutete und er schluckte.
Dieses System hatte ihn verraten. Er war aufgefressen worden. Und jetzt hatte er Hunger.
Er machte die angefangenen Briefe fertig und brachte sie noch am selben Tag zur Post, verschaffte sich Zugang zu dem Postfach, um das System weiter betreiben zu können. Es wollten Kunden bedient und Geschäfte erledigt werden.

Er spürte, dass es eine gute Zukunft werden würde. Eine gute Zukunft mit Godhot Services.

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