Das Leben wird ein Einsehen haben - Page 4

Bild von Willi Grigor
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Sie hatte auch die Aufgabe, eine gute Wohnung in der Nähe des Kraftwerkbaus (bei Forsmark an der Ostsee) zu finden. Sie besuchte mich einige Male in meiner Mietswohnung in Osterode.
Mitte Juni 1975 kam sie zum letzten Mal nach Osterode, und wir fuhren schlussendlich gemeinsam zu meiner neuen Heimat. Einige Tage blieben wir bei ihren Eltern und fuhren dann zu unserer neuen Wohnung nicht weit von Forsmark.

Am 23. August 1975 heirateten wir standesamtlich in Uppsala, ohne Trauringe. Zwei Gäste (gleichzeitig Trauzeugen) waren eingeladen: Gullans Freundin Bibi und ihr Mann Karl-Åke, die erst vor Kurzem aus Afrika zurückgekommen waren. Karl-Åke beendete in Uppsala sein Priesterstudium.
Wir beendeten die Hochzeitprozedur mit einem Picknick unter einem stolzen Baum im Park des Schlosses in Uppsala und am Abend mit einem besseren Essen in einem Restaurant.

Am 19. Oktober 1975 kam Sohn Axel in Uppsala zur Welt - während ich in Düsseldorf war.
Am 28. September 1977 gab uns Tochter Karin die Ehre, auch sie in Uppsala.

...das Leben ward zum Märchen
in jenem Blumenmai.
Das Märchen zeigt ein Pärchen;
das Pärchen sind wir zwei.

Ich habe nur wenige Tage gebraucht bis ich wußte, dass ich in Schweden bleiben werde, was ich meinem Arbeitgeber aber nicht sagte. Als die vier Jahre in Forsmark zu Ende waren, wurde dieser ebenso sauer wie damals der erste. Er hatte wohl damit gerechnet, dass ich zurück nach Deutschland komme.

Nach zwei weiteren Stationen und drei Arbeitgebern sind wir in der kleinen aber feinen Stadt Åmål am Vänern - dem größten See in Schweden - angekommen, in der die Frau geboren ist, in der ich bis zur Rente mein eigener Arbeitgeber sein durfte, und die uns begleiten wird, bis das Leben das Einsehen hat, und uns nicht zu früh - aber auch nicht zu spät - für die letzte Reise entlässt.

**

Ich habe das Glück einst gewonnen
in einem sehr freundlichen Dorf.
Doch ist es ganz plötzlich zerronnen
in einem großstädtischen "Dorf".

Das Glück ist erst wieder gekommen
in Ravensburg, oberes Tor.
Seitdem wurd' es mir nie genommen...
Ich danke dem Gasthof am Tor.

Mein Glück war das "Fräulein" aus Schweden,
sie dachte wie ich, ich wie sie.
Wir gingen im Garten von Eden,
es stimmte der Blick, die Chemie.

In Ravensburg waren wir Fremde,
in Ravensburg fand uns das Glück.
In Ravensburg kam auch das Ende -
wir mussten nach Hause zurück.

Doch schickte das Glück mich zur Lieben,
in ihr so entzückendes Land.
Das Schicksal hat dies so entschieden,
es zeigte Verständnis, Verstand.

Hier lässt es uns träumend spazieren:
Ravensburg, Flappacher See,
Häuser, Türme und Tore
Weingarten, Tettnang und Berg...

Wir können in Freud' uns verlieren,
wenn wir uns erinnernd dort sehn.

***

Zugehörige Gedichte

Zwei Menschen, die sich einmal fanden,
seit damals leis durchs Leben schreiten
und niemals vor Problemen standen,
die spürbar sind in andren Breiten.

Sie werden ruhig weiter wandern,
auch eine kühle Zeit durchstehen.

Im Gegensatz zu vielen andern,
die Stürme durch das Leben wehen.

*
Ich fand recht spät die reine Freude,
sie kam an einem Tag im Mai.
Das Glück - in seinem Frühlingskleide
und einem Kranz in feinster Seide -
versprach es mir: "Ich bleib dir treu!"

Die Jahre wie im Flug vergingen,
das Glück, es hielt, was es versprach.
Zwar saß ich fest in manchen Schlingen,
- sie wollten mich zu Boden zwingen -
ich wurde stärker nur danach.

Mich hat die Freude spät gefunden,
welch Glück, dass SIE den Weg mir wies.
Das Leben gab mir ein paar Wunden -
doch zähl ich nur die stillen Stunden,
die mich das Glück genießen ließ.

*
Ich gehe voll Freude mit dem Mai Hand in Hand!
Bei ihm ich den Weg in das Leben einst fand.
Das Schicksal stand nahe, mild lächelnd bei mir,
mir zeigend die Richtung - ich dank' ihm dafür.

*
Das, was im Herz ich freudig trage,
wiegt vielfach mehr als pures Gold -
es trägt die EINE, ohne Frage,
die meine Seele hat gewollt.

*
Im Alter ist man auch noch jung,
Erfahrung gibt mir Mut.
Es hilft mir die Erinnerung,
mein bestes Hab und Gut.

Sie bringt die Jugend mir zurück,
den Tanz "in jenem Mai",
den Augenglanz im Liebesglück.
Es ist noch nicht vorbei.

Das Alter sich als Freund mir zeigt,
als jemand, der mich mag,
und nicht zu Pessimismus neigt
an jedem grauen Tag.

*
Wir kamen soweit,
genießen zu zweit
das tägliche Wochenendleben.

Danach kommt die Zeit,
nicht endende Zeit,
das schließliche, ewige Leben.

Im himmlischen Kleid,
kein Sorgen, kein Leid,
kein menschliches Wollen und Streben.

*
Auch wenn ich schon fast tot bin,
will leicht ich, glücklich sein;
das Leben gab mir Frohsinn
in jenem Blumenmai,
da Engel zu mir kamen,
die meiner sich erbarmten
an diesem Frühlingstag,
da Blüten mich umarmten,
die alle Ihr ich gab.
Wir über Wiesen schwebten,
Sie Blumenkränze band,
wir spürten, dass wir lebten,
so wie wir's nie gekannt...

*
Das Schicksal mischt die Karten,
das Leben teilt sie aus.
Gar viele müssen warten
auf ihren Blumenstrauß.

Ich musste lange warten
- der Tag war ohne Glanz -
bis Sie, im Blumengarten,
für mich band einen Kranz.

Das Schicksal mischt die Karten,
das Leben teilt sie aus.

Hab Kraft, auf ihn zu warten -
auf deinen Blumenstrauß!

*
Zwei, die sich durch Zufall trafen
und schon lang zusammen schlafen,
hören noch der Liebe Klingen
als sie durch die Felder gingen.
Damals in der Maienzeit.

Es war Verstehen ohne Sagen
und ein Wissen ohne Fragen.
Sie spürten ihre Herzen singen
und wie diese Feuer fingen.
Damals in der Maienzeit.

Heut spüren sie des Herbstes Wind,
mit dem sie gut befreundet sind.
Es tragen noch des Lebens Schwingen,
sie werden sie zum Ziele bringen.
Wie damals in der Maienzeit.

*

Er ging mit vier hungrigen Rindern
den Feldweg vom Dorf Richtung Wald.
Er sah zu den spielenden Kindern,
er war gute sechs Jahre alt.

Die Wiese, umzingelt von Bäumen,
ein Freiraum für Kühe, und Fraß.
Der Bub hatte Zeit um zu träumen,
inmitten der Tiere er saß.

Er war nur als Gast bei dem Bauern,
ein Mitesser an dessen Hof.
"Das Leben darf lange so dauern.."
Er dachte - er war Philosoph.

Die Zeit kam mit anderen Dingen
was Träumen und Denken betraf.
Er könnte ein Lied davon singen,
er tut´s nicht, weil er ja SIE traf.

Sie gab ihm zurück seine Wiese,
mit Bäumen umsäumt, so wie´s war.
Er oft schaut froh denkend auf diese:
"Das war doch mein Traum, sonderbar!"

*
Blaubeerpflücken, Waldgelände,
steifer Rücken, rote Hände.
Kinder sind nicht mehr dabei,
nur still pflücken, kein Geschrei.

Pflücken ist mir Tradition,
pflückte ich als Kind doch schon.
Ich pflückte unerlaubterweis´
des Bauern Kirschen, das mit Fleiß.
Es konnte mich sogar entzücken
das Kartoffelkäferpflücken,
durft ich doch beim Suchen, Bücken
des Bauerntochter Händchen drücken.
Nun wohl: Ich mich durchs Leben pflückte,
das mir gab, das mich bedrückte,
mich erst schlug und dann beglückte.

Mein Glück, es pflückt nicht weit von mir,
dass ichs noch will, verdank ich ihr.
Und gleich, nach all dem Bücken, Pflücken,
geh ich zu ihr und werd sie drücken.

Ich hab ein Stück zurückgedacht
beim Blaubeerpflücken sechs bis acht.

*
Hör ich "Ravensburg", denk ich an dich,
an unsre schöne Anfangszeit.
Ich seh den See so ursprünglich
und dich im roten Sommerkleid.

Bei "Königstein", denk ich an dich,
an uns, die erste Wohnung,
an das Glück, fast königlich,
die tägliche Entlohnung.

Lese ich "Kiel", denk ich an dich,
die Fährenfahrt ins neue Leben.
War ich vielleicht erst zögerlich,
summier ich heut mit freudig Beben.

Denk ich zurück, denk ich an dich,
an unsre Kinder, unser Leben.
Wir machten nichts so sonderlich,
es wurde uns gegeben.

Denk ich nach vorn, denk ich an dich,
an unsre Kinder, ihre Zeit.
Und freu mich auf - auch nachdenklich -
den letzten Teil, mit dir, zu zweit.

***

© Willi Grigor, 2022

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