Solange die anderen sich unterhalten, gehen mein Mann und ich ins Freie. Erst blendet uns die Mittagssonne, dann entdecken wir die Grüppchen spielender Kinder. Die Älteren spielen Federball, zwei Jungen kicken, kleine Kinder spielen mit geschliffenen Murmeln aus Knochen. Zwei Mädchen schwingen die Enden eines langen Seiles, ein Mädchen springt und hüpft mit rudernden Händen darüber. Sie tragen nur schwarze knielange Shorts und laufen barfuß. Ein lachender, schreiender, hüpfender, laufender Haufen friedlicher lustiger Kinder.
Abseits schnuppern zwei Pferde an einem Holztrog mit Hafer. Zwei wohlgenährte Pferde saufen Wasser aus einem großen Bottich. Eines läuft herum. Die Freiheit ist grenzenlos. Auch für die etwa hundert Schafe, die in unmittelbarer Nähe des Sommerquartiers weiden. Nachts werden sie hinter einen niedrigen Zaun aus zwei Brettern getrieben, der sie weniger vor Wölfen schützen soll als vor sich selbst. Schafe haben keinen guten Ruf. Man unterstellt ihnen Dummheit. Ein Schaf kann die ganze Herde zum Ausreißen in die Wildnis der Steppe verführen. Nicht umsonst nennt man einen Menschen im Volksmund „dummes Schaf“ oder Baran.
Die Bilder sind mir vertraut, trotzdem bin ich überwältigt. Für meinen Mann aus der Taiga ist es ein einzigartiges Erlebnis. Ein Mann, etwas jünger als Wachid, zerteilt auf einem langen Holztisch einen Hammel in Stücke. Wir verpassten zum Glück den Moment des Schlachtens und das Abziehen der Haut, sie hängt an der Leine über einem Eimer mit Blut. Eine ältere Frau lässt die Stücke in einen rußigen großen Kessel über dem Lagerfeuer fallen. Die trockenen Pferdemistfladen knistern. Die heiße Luft wird geräuchert. Ich wuchs mit dem Geruch brennenden Mists in der Steppe auf. Mein Mann verfolgt gebannt das Geschehen um uns herum und atmet eine Luft wie aus meiner Kindheit ein. Wachids Frau mangelt am freien Tischende dünne Teigfladen aus. Sie wendet die Fladen zum Trocknen, schäumt die Brühe ab, gibt Lorbeerblätter, Zwiebeln, Salz in die vor sich hin köchelnde Hammelfleischbrühe. Für mich ein Déjà-vu!
- Fortsetzung folgt -