Übereinkunft

Bild von Pheedor
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Gen Schäßburg schlich auf grauen Tatzen zu tiefer Nacht bei Sturmes und Gewitters Wüten Lupus der Werwolf, um des Priesters Tochter Lydia zu holen. Noch grübelte er, ob er sie zerfleischen, fressen oder durch einen Biß verwandeln sollte. Da vernahm er heftige Flügelschläge sich. Sie stammten von Dracula, der ebenfalls nach Lydia gelüstend herbei schwebte. „Ach Ihr seid es, Graf, sagt an, was führt Euch her?“, frug Lupus. Dracula gab zu, daß er des Priesters Tochter begehre, worauf Lupus entgegnete, „es steht mir zu, heut an der Reih zu sein“, dem widersprach Dracula, „ich bedarf frischen Blutes“, wozu der Werwolf Verständnis aufbrachte, obwohl ihm nach einer Werwölfin hungerte. Also berieten sie und bemühten sich, um einen nichts bringenden Streit zu verhindern, zu einer Übereinkunft, „ich, Dracula, sauge sie aus, und Ihr, Lupus, beißt sie und führt ihre Verwandlung herbei, oder freßt sie schlichtweg auf.“ Dagegen wendete Lupus ein, „gemach, Graf der Verwandlung, mir widerstrebt es, jedes würzigen Blutes bar trocken Fleisch zu verzehren, letztendlich bin ich, wie Ihr ebenso, ein Gourmet, anderenfalls hätte ich doch irgendeine Tochter aus dem gemeinen Volk erwählt.“ Das sah Dracula ein. Also gelangten sie zu einem Mittelweg, der darin bestand, daß Dracula die Priestertochter nur teilweise aussaugte, wodurch Lupus genügend durchblutetes Fleisch übrig blieb.

Und so gingen sie ihr Bacchanal schmatzend und schlürfend an. Als sie nun gesättigt waren, kam die Frage auf, wie es denn der beiden innewohnenden Verwandlungskraft gehorchend nun mit der Priestertochter weiter gehen sollte. Vielleicht ein Werwolf mit Flügeln, oder eine Fledermaus mit Wolfskopf? Aber die erwartete Verwandlung trat nicht ein, Lydia lag leblos da. Indem sie grübelten pochte es an der Tür. „Wer dort!“, riefen beide.

„So laßt mich ein
ich bin es, Doktor Frankenstein!“

Lupus und Dracula begrüßten ihn weitsichtig, wenn jemand der zu erwartenden Verwandlung der auf dem Tisch liegenden Tochter des Geistlichen wie auch immer auf die Beine helfen konnte, dann dieser. Als dieser nun das, was die beiden mit dem Hals der Priestertochter angerichtet hatten, in Augenschein genommen hatte, packte ihn Grausen. Trotzdem öffnete er seinen Koffer, nahm Nadel und Faden heraus und nähte die Wunden zu. Da lag sie nun zugenäht aber leblos. Frankenstein äußerte er brauche einen Blitz, um sie erwecken. Lupus und Dracula befanden, daß es doch gewittere, da müsse doch an einen Blitz zu kommen sein. Also heulten und fauchten sie Blitze herbei. Und so zischten sie auf Hals und Kopf der Priestertochter nieder. Dämpfe stiegen auf, und eine Kruste bildete sich auf deren Haut. „Sieht gut aus“, befand Dracula und Lupus fügte hinzu, „riecht auch gut.“ Die Priestertochter erhob sich und schaute verwirrt drein. Aber das war nicht das, was Dracula und Lupus haben wollten. „Das leuchtet mir ein“, gab Frankenstein zu, holte sein Aderlaßbesteck aus seinem Koffer hervor, „also bedarf ich eures Blutes, es zu mischen mit dem ihren, das ihr Lydia gelassen habt.“ Als er nun die Lebenssäfte umfüllte, verfärbte sich Lydias Gesicht blutrot und lange geschwungene Hörner wuchsen aus ihrer Stirn, türkisfarben funkelten ihre Augen. Dracula und Lupus glaubten, sie sofort zu erkennen, „jetzt sieht sie aus wie Cyra die Gewitterkönigin“, enteilte es ihren Kehlen. Und Cyra antwortete

„Nicht ist es nur schimmernd Schein,
vereint wir sind gemeinsam nun zu drein.
Sturm, Blitz, Donner und Regen
auf allen euren blutig Wegen.
Unsinn ist das Blut vergießen,
es zu saugen für des Wandels Sprießen,
in das weiche Fleisch zu beißen
statt es mit dem Schwert zerspleißen.“

Seitdem leben die Drei beieinander auf dem Schloß des Grafen Dracula.

Gen Schäßburg schleicht auf grauen Tatzen zu tiefer Nacht bei Sturmes und Gewitters Wüten Lupus der Werwolf, und er trifft auf einen Gleichgesinnten, auf Dracula und auch auf Cyra. Gemeinsam erschüttern sie die Nacht mit Heulen und Fauchen, mit Blitzen, Donner und Regen.

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