Was weiß ich von dir, mein Herz …

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Stadt, Land, Fluss … mein Dächermeer
Noch dem Frühtau verschwistert
Das anonyme Treffen der Tauben
Vertagt auf Freitag, und erleichtert
Leer und rein wie ein unbefleckter
Himmel räkelt die Kaimauer ihre
Morgenmüden Glieder um den
Liebenden Hafen –
Sanfte Bö aus Nordost ...

Nach getaner Arbeit gen Mittag
Leg ich die Hände mir über die Augen
Steigt mir das Blut zu Kopf
Beginnt der Schneckenlauf in der
Warteschleife zyklischer Gedanken:
Was weiß ich von dir, mein Herz …?

Was weiß ich schon von dir ...
Die späten Rosen wissen mehr
Entblättern dein Leben: Da seh
Ich dich zweifeln, verzagen …
Mehr als die Blüten lieben dich
Ihre Dornen und mir sind die
Hände gebunden von Sonne
Und Regen aber was ist schon Zeit:
Ein Schreiadlerblick, der mich
Anspornen will ...

Immer die gleichen Gedanken …
In Atempausen schwappt mir
Die Sehnsucht über den Kopf
Fremd in den eigenen Schuhen
Verfall ich im Tagtraum dem Sand
Sylter Dünen, Wälder im Blick
Fall ich ins Dunkel der Nacht
In den Herbst fall ich noch vor dir
Vom Sprungbrett des Lebens
Ins rätselhafte Laub des Todes.

Was weißt du von mir, mein Herz …

Was weißt du von mir, das
Ich nicht selber längst wüsst …
Solange mein Herz nur den Ernst
Des Lebens kennt und ich nicht
Benennen kann jene Berge, die
Sich auftürmen in meiner Seele gleich
Betrogenen Fischen im Makrelennetz
Bleibt mir das erlösende Lachen
im Halse stecken

Enteignet fühl ich mich ohne dich, mein Herz
Besitzlose weinen mit mir, sprechen
Mir Mut zu: Wir leben ja noch …
Im unbegehbaren Land der Liebe
Aber wir leben! ... Doch:

Was weiß ich von dir, mein Herz …
Was weißt du schon von mir:

Nichts!

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