Blickwinkel

Bild von Dirk Tilsner
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im Dunkeln erkenne ich dich sofort:
jeden Winkel, jeden Bogen, jede Mündung der
so oft erforschten Küste, tausend Male automatisch
eingescannt, verarbeitet, gespeichert und dann
mancherorten abgerufen bis aufs
Wiedersehen

bei Licht besehen kenne ich dich kaum:
ich tauche plaudernd in dich ein, tief in dein seelisches
Geschlinge über unsichtbarem Grund wo irgendwo
ein Fuder Truhen ohne Schlüssel meinen
Namen ruft

schließlich sagst du mir, du glaubst – an Amor:
Phos(ph)en – ph-neutral gerächte Spiegelungen (blendend!)
kippeln Kuppeln oder kuppeln Sinn und quer-
Gekipptes im täglichen Wandel deiner
Jahreszeiten

natürlich sage ich: natürlich, ich verstehe dich
und habe mich verloren längst im Wirrwarr deiner
Gänge ohne Wände hinter denen du beharrlich
auf mich lauerst bis du endlich wieder

nach mir greifst

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Kommentare

04. Aug 2020

Ein Gedicht, das Herz und Hirn gleichermaßen ergreift.
HG Olaf

04. Aug 2020

Gefällt mir, dieses leichte und doch tiefsinnige Durchstreifen...
Grüße, Monika

05. Aug 2020

Hallo Olaf und Monika

ohne hier viel erklären zu wollen, das engt nur den Deutungs-Freiraum ein: es geht in der Tat um die ‚Un(be)greifbarkeit‘ des Inneren, der Seele usw. des anderen Menschen. Wir begreifen uns nicht einmal selbst und bilden uns ein, den anderen (ob Partner, Freund oder Feind) zu (er)kennen. Und unterliegen in diesem Spiel nicht selten, der andere greift nach uns, ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst werden. Oder zu spät. Oder genau das wollen wir eigentlich :)

Das war zumindest der Ausgangspunkt, darauf zogen ein paar sprachliche Kipp-Bilder und eine Anamorphose durch meine Windungen, was mich endlich zum Titel führte.

LG mit einem „ick winke“
Dirk