Die alte Frau und das Meer …

Bild von Annelie Kelch
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Die Nacht hebt ihren schweren dunklen Rock:
Das Meer blitzt auf und freudig blähen sich
am Landesteg neben den Kuttern die Segel:
Der Geist des Windes erwacht ...

Kühl noch die Bläue des Himmels über
Der roten Welle des Morgens …
Schon fliehen die Fische vor den Netzen.
Die alte Frau tritt aus der Einsamkeit ihrer Hütte.

Sie schultert ihr Herz … das Aug ...
erfasst die karge Beute der nächtlichen Flut:
Treibholz von Zedern, die dunkle Feder eines
Kormorans, Dosen, über Schiffsgeländer
geflogen; Lügen, im Tang verstrickt.

Die knotigen Finger ineinandergeschlungen,
Ein zögerndes Nicken: ihr Morgengruß
Zu den Fischern hinüber. – Erinnerungen
An einen Orkan ... jene Nacht, als das
Bett neben ihr leer blieb und sie am nächsten
Morgen auf die Scherben ihres Glücks stieß ...
Brach liegend im verwüsteten Schilfgürtel.

„Drei Schäkel am Spill, hiev Anker!":
Sein letzter Befehl an die Mannschaft,
Bevor er an Bord ging und nicht mehr heimkam.

Sein letzter Befehl ... sein letzter Blick
Zur Fischerhütte, davor sie stand und ihm
Lächelnd nachsah. – Nur hier kann sie atmen,
Leben, glauben, hoffen, lieben, leiden, sterben …
nur hier, in der Nähe seines Seemannsgrabs –
aus Kreuz und Anker und Herz.

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Kommentare

14. Jul 2018

"Die Nacht hebt ihren schweren dunklen Rock" - wundersame Worte hast Du wieder einmal ersonnen, liebe Annelie, und " die alte Frau und das Meer" - ein Titel, der mich schmunzeln lässt ...Dir einen schönen Tag, ich schicke liebe Grüße zu Dir -

Marie

14. Jul 2018

Danke für Deine freundlichen Worte, liebe Marie. Ick wollte schon imma ma klassisch sein - und so liebe alte Weiber liegen mir doch schwer am Herzen. Und die olle Nacht leecht doch jejen Morjen - imma und zuvalässich - eenen klasse Strip hin.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Annelie

14. Jul 2018

... ich meinte den Hemingway, und Du quasselst so perfekt berlinerisch, dass ich den Verdacht habe, Du stammst daher ..

LG

14. Jul 2018

Der Hemingway ist doch auch bereits klassisch, liebe Marie (wer kennt heutzutage "den alten Mann und das Meer" nicht? - Und ick kann dit Balinerische eijentlich nur schreiben (wenicher jut quasseln) uff Papier und hier, in die kleene Jlotze von meenem Laptop, und quasseln, liebste Marie, jeht schon ma jar nich (ick bin ausjesprochen maulfaul mitunter), kieke dafür umso mehr in die Bücher; über die kannste bei mich stolpern.

LG Annelie

14. Jul 2018

Traurig, und doch voller Leben …

Viele Grüße in dein Wochenende
Soléa

14. Jul 2018

Danke fürs Lesen und Deine lieben Worte, Soléa.

Herzliche Grüße und auch Dir und Deiner Familie
ein wunderschönes Wochenende,
Annelie

14. Jul 2018

Diese Sprachbilder, liebe Annelie, zauberhaft!

Liebe Grüße
Angelika

14. Jul 2018

Oh, vielen Dank, liebe Angelika. Ja, es gibt so viele schöne Worte in unserer Sprache. Wir sollten sie möglichst oft verwenden.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende für Dich,
Annelie

14. Jul 2018

sehr phantasievoll!

LG Alf

14. Jul 2018

Danke lieber Alf.

Auch zu Dir schöne Wochenendgrüße,
Annelie

14. Jul 2018

ja ich sehe sie ...
toll Annelie.
lG
ulli

14. Jul 2018

Danke, lieber Ulli.

Schönes Wochenende und LG,
Annelie

14. Jul 2018

Ein Genuss
ein melancholischer
ist diese Ballade,
dein Gedicht,
auch für mich!

LG Yvonne

14. Jul 2018

Danke, liebe Yvonne. Dein Lob freut mich ganz besonders - weil es von einer Lehrerin oder gar Studienrätin kommt, die u.a. das Fach "Deutsch" unterrichtet und von der man eine Menge lernen kann.

LG Annelie

14. Jul 2018

Mehr als die Schule lehren Erfahrungen, prägend Gefühle für das besonders Erzählenswerte und gerade deshalb erweist in Verdichtung dies ein Gedicht, doch Unterricht ist das mitnichten - es ist eher so,dass es mich freut, wenn ich ein wenig von meiner Begeisterung für das geschriebene besondere Wort weitergeben kann... LG Yvonne

14. Jul 2018

Ich kann mir vorstellen, dass Du eine sehr gute Lehrerin bist. Ich hatte auch einige sehr gute Lehrerinnen und hin und wieder auch gute Lehrer. Deshalb habe ich in der Schule auch ein paar Dinge fürs Leben gelernt. Ich weiß nicht, wie heutzutage gelehrt, weitergegeben wird; aber auch zu meiner Zeit ging es nicht mehr gar so streng zu. Eigentlich bin ich ganz gern zur Schule gegangen und war ein bisschen traurig, als die Zeit zu Ende war. Es war nämlich jene Zeit, als ich begann, ein wenig ehrgeizig zu werden, und es brachte mir Spaß, für einige Fächer, die mich ganz besonders interessierten, zu lernen und gute Zensuren zu schreiben. Ich hätte keine Hemmungen, auch noch mit 90 Jahren eine Schule zu besuchen. Vor einiger Zeit las ich von einem Landwirt in Russland, der in einem sehr hohen Alter mehrere Schulabschlüsse nachgeholt hat. Ich finde das gut.

Liebe Grüße,
Annelie