Wüchsen Bücher auf Bäumen ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Wüchsen Bücher auf Bäumen
und wären die letzten Seiten
im Herbst gereift, so dass man
sie ernten könnte, was für eine
wunderbare „Lese“ wäre das!

Wäre ich der Mond und meine Sehnsucht
nach der Sonne so groß, dass ich vom
Himmel fallen möchte, um sie jeden
Morgen zu begrüßen, hätte ich der Nacht
längst den Rücken gekehrt.

Könnte ich mich in einen Schmetterling
verwandeln, würde ich dir auf der Nase
herumtanzen und dich auf eine einsame
Insel im Mittelmeer locken.

Wäre ich ein Stern …
würde ich leuchten in der Finsternis,
was die Nacht hält, und alle, die im
Dunkeln unterwegs sind, nach Hause begleiten.

Und wenn euch Gefahr drohte,
würde ich explodieren und eure Verfolger
in meinen goldenen Staub einhüllen, bis ihr
über alle Berge seid.

Wäre ich der Wind, würde ich auch in
geschlossenen Räumen die Seiten der Bücher,
darin ihr gerade lest, für euch umblättern.

Und wenn sich ein böser Bluterguss an
deinem Handgelenk befände, weil jemand in
schlechter Absicht dich angepackt hätte mit aller Härte
und es wäre grad Sommer und du trügest
deine grüne, kurzärmelige Lieblingsbluse, würde ich
so lange auf das Schandmal pusten, bis die Gemeinheit
nicht mehr schmerzt.

Auch über die Wiese, darauf ein Zirkus gastiert,
segelte ich und kühlte die Mütchen der Tiger und Löwen,
damit sie während der Vorstellung keine
Dompteure oder Zuschauer verspeisen und die
Kinder ohne Hass im Herzen das Zelt verlassen können.

Und wäre ich Gott …
Ja, dann würde ich alle Menschen zufrieden
und glücklich machen und all die Tränen
sammeln, die sie geweint hätten, wenn es mich
nicht gäbe.
Ich würde das Weh und Ach vom Himmel hinab
auf die Wüsten gießen, es pladdern lassen in der
Sahel-Zone und in der Sahara wie niemals zuvor,
und jedermann sehnte sich danach, nach dorthin
zu fahren, um sein „blühendes Wunder“ zu erleben.

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