Mainacht

Bild von Johanna Ambrosius
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Der Mond geht auf! Noch einmal holt tief Atem
Der Wind und legt sich müde dann zur Ruh;
Die Blümlein falten alle fromm die Hände
Und schließen langsam ihre Augen zu.
Ein Friedenshauch durchzittert Wald und Fluren,
In Millionen Perlen glänzt der See,
Und auf des Waldes grünbemoosten Wegen
Eilt flücht’gen Fußes hin das keusche Reh.

Es tropft von Silber nun die kleinste Welle,
Darauf der Wasserrose Köpfchen ruht;
Auf steigt in nie gestilltem Sehnsuchtsdrange
Die schlanke Nix‘ empor aus kühler Flut;
In süßen Tönen bricht auf Schilf und Weiden
Das Liebeslied der Nachtigall sich klar,
Die Nixe hört’s und tanzt dazu den Reigen
Und schlingt die schönsten Rosen sich ins Haar.

Welch Flüstern doch, welch heimlich stilles Winken!
Von Stern zu Stern ein leiser Glockenklang;
Mir ist’s, als stände weit der Himmel offen,
Als klänge dorther süßer Engelssang.
Gleichmäßig nur in sanften Atemzügen
Hebt sich die Brust der gütigen Natur,
Und von des müden Tages heißer Wange
Ist fortgeküsst die letzte Tränenspur.

Und du, mein Herz, willst immer bange weinen,
Als gäb’s für dich nur Sturm und Sonnenbrand?
Sieh her, wie wunderschön am goldnen Wagen
Der ew’gen Liebe Banner ausgespannt!
Auch Deine schmerzverbrannten Fluren werden
Von sanften Mondenschein dereinst bestrahlt,
Drin schöner sich wie in kristallnen Seen
Des ew’gen Friedensboten Bildnis malt.

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