Mit Jackett und Krawatt'

Bild von Willi Grigor
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Als sein Leben noch jung war
und die Bauchgegend platt,
als die Zähne noch echt war'n
und die Wangenhaut glatt,
jeder Muskel gern zeigte
wo er ist, was er hat,
ging der Jüngling spazieren
mit Jackett und Krawatt',
um sie scheu zu studieren
die Mädchen der Stadt.

Als sein Leben on top war
ging es langsam bergab,
wurd' er grauhaarig, älter
und der Bauch etwas schlapp,
seine Muskeln verblassten,
wurden kraftloser, matt.
Doch er ging noch spazieren
mit Jackett und Krawatt',
wollte suchen ihn, spüren,
den Duft seiner Stadt.

Als sein Leben zu müd war
und von allem schon satt,
seine Augen nicht sahen,
was da stand auf dem Blatt,
und die Muskeln kaum hatten
Energie von Null Watt,
die Erinn'rung vergessen,
was sie stets in sich hatt' -
wie es ist, zu spazieren
mit Jackett und Krawatt' -
kam der Tod, ihn zu führen
zu seinem Grab in der Stadt.

© Willi Grigor, 2018
Aus dem Leben

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Kommentare

17. Nov 2018

Lieber Willi, das ist ja ein Meistergedicht von Dir. Da lob ich mir doch Männer wie Dich, die, statt zu spaziern in der Stadt, unermüdlich am Schreibtisch schaffen. Danke für das großartige Gedicht und

Liebe Grüße,
Annelie

17. Nov 2018

Danke Annelie.
Aber: Ohne meine täglichen Spaziergänge, die mir auch als "Gedankenfänger" dienen, würde ich mich am Schreibtisch nicht wohl fühlen. Und ohne ein solches Gefühl läuft nicht viel Gutes.
(Bitte lese mein Gedicht "Gedankenfänger")

Viele Grüße
Willi

17. Nov 2018

Willi, man kann nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen; das ist doch klar. Falls ich Zeit finde, lese ich den "Gedankenfänger" noch heut, morgen ganz sicher. Selbstverständlich muss man in Deinem Alter einen Ausgleich schaffen. Aber zweifelsohne beschäftigst Du Dich überwiegend geistig. Das habe ich in erster Linie gemeint.

LG Annelie

17. Nov 2018

Alles klar, Annelie. Ohne Fleiß, ...
Meine Schreibtätigkeit begann allerdings erst 2014. Ich habe einiges nachzuholen :-)

LG
Willi

17. Nov 2018

Der Lauf der Welt - stark fand er statt:
Im Laufschritt ging es - durch die Stadt ...

LG Axel

17. Nov 2018

Des Menschen Lauf bis hin zum Ende
füllt helle sowie dunkle Bände.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Axel.
WIlli

17. Nov 2018

Nur wenige Worte verändern sich jeweils, doch gerade diese beschreiben ein ganzes Leben. Ein inhaltlich und formal bemerkenswertes Gedicht hast Du verfasst, Willi. HG schickt Ingeborg

17. Nov 2018

Ein freundliches Dankeschön auch an Dich, Ingeborg.
Manchmal hat man das Glück, dass ein Text, der ohne großen Widerstand dem Bleistift folgte, Anklang findet. Das ist hilfreich, in vielerlei Hinsicht.

Helle Grüße aus dem dunklen Norden schickt
Willi

18. Nov 2018

Umwerfend, Willi!
Und mir kam in den Sinn, in gleichem Jacket und gleicher Krawatt wird er dann aufgebahrt.
LG Uwe

18. Nov 2018

Es ist zwar nicht überliefert, aber doch sehr wahrscheinlich, dass dies der Fall war :-)
Danke für den Kommentar, Uwe.

LG
Willi