Das Einkaufsnetz, von Oma selbst gehäkelt, es ist stabil und hält, an dem wird nichts bemäkelt. Ganz ohne Ösen und auch Laschen passt es in alle Hosentaschen. Du nutzt es schon seit dreißig Jahren und willst es sorgsam aufbewahren. Viel besser ist’s als Plastiktüten, drum wirst du’s pingelig behüten. Es hält, da wag ich jede Wette, nach jenem Urgesetz der Kette:
Zwar ist da nichts als Loch an Loch - und es hält doch. Das Omanetz erklärt dein Leben. Nichts lief perfekt. So war es eben. Das ist des Menschen Daseins Tücke. Hier hilft dir dann - der Mut zur Lücke. Im Kleiderschrank, da hängen Stücke, die du nicht magst. Was du beklagst. So manches, das du einstmals heiß begehrt, es stand dir nie.
Drum wäre es ja nicht verkehrt, sie kämen dir alsbald abhanden. Die Frage ist nur, wie? Als erstes fragst du die Verwandten. Sie winken ab und sagen, den ollen Kram woll’n wir nicht tragen. Du kannst die Sammelwut besiegen, wenn du das ungeliebte Zeug in große Tüten packst und hin zum Roten Kreuz nun schaffst.
Danach stehst du vorm leeren Schrank und seufzt erleichtert - Gott sei Dank. Du bist jetzt völlig selbstbewusst, klopfst dir voll Stolz an deine Brust nach dieser scheinbar guten Tat und hältst ein Eigenlob parat. Wie sehr du deinen Nächsten liebst, wenn du ihm so was Tolles gibst! Und heimlich denkst du, was ein Wunder, jetzt hab ich Platz für neuen Plunder.
Doch eigentlich sollt’st du’s bejammern - ein Teil nur landet in den Kammern, wird an Bedürftige verschenkt. Es ist nicht so, wie man so denkt. Hier geht’s wie meistens in der Welt doch nur um Geld. Denn was passiert mit unsren eh’mals teuren Sachen? Die edlen Stücke werden bald schon second hand gehandelt. Die schlechten durch den Wolf gedreht in Garn verwandelt.
Es geht hier um’s Geschäftemachen. Nein, da gibt’s wirklich nichts zu lachen. Denn wieder wird betrogen und gedealt. Der Rubel rollt, es wird auf Zeit gespielt. Der Rest der abgelegten Kleider landet in Hungerländern, leider. Und wieder Händler sich ins Fäustchen lachen, die sich nicht schämen, selbst mit den Ärmsten dieser Welt noch ein Geschäft zu machen.
Doch kennst du auch die wahre Ironie? Ich weiß, du hast davon gehört: Textile Industrie vor Ort wird so zerstört. Nun sag mir bitte, wo bleibt deine Ethik? Kannst du dich wirklich schmücken mit dieser Art von Garderobenlücken? Und wo bleibt schließlich die Ästhetik? Sah’n sie nicht schöner aus in herkömmlichen Gewändern - als in dem Ramsch aus unsren Ländern?
Ich will’s beklagen, möglichst laut: Fühl mich nicht wohl in meiner Wohlstandshaut.
Kommentare
Der Text hat freilich gut geklappt -
Weil er an Hab und Gut nicht pappt!
LG Axel
Danke, Axel.
Ich find’ das Thema nicht zum Lachen.
Jedoch, wie soll man’s besser machen?
So scheint aus meiner Sicht zu bleiben –
Darüber ein Gedicht zu schreiben.
Es wird der Sache nicht gerecht.
Nur einfach schweigen - wäre schlecht.
LG, Marie
Liebe Marie, was Du schreibst ist absolut treffend. Die gesamte Kleiderindustrie kommt auf alle Tricks. Und nicht nur sie. Ich sah vor langer Zeit einen Bericht über unsere Jugend und ihre Einstellung zur Mode. Sie kaufen in Primark ein, ziehen sich danach im Cafe um, und lassen ihre „gebrauchte“ Kleidung vor Ort gleich zurück. Unsere ganze Welt läuft nicht mehr richtig rund…
Liebe Grüße
Soléa
Danke, Soléa. Traurig, was du da schilderst. Ich beobachte es auch bei Möbeln, die nur ein, zwei Jahre nach dem Kauf wieder als Sperrmüll auf der Straße stehen. Und in Afrika zerstören wir nicht nur die dortige Textilindustrie mit unseren Importen. Da läuft sehr viel völlig aus dem Ruder.
Liebe Grüße, Marie
Liebe Marie, werden die Leute in der Textilindustrie dort nicht ausgebeutet? Und die Händler der Secondhand-Ware, werden die dann nicht arbeitslos, wenn wir keine Kleidung mehr spenden? Second-Hand ist doch oft sehr, sehr preiswert. Je weniger wir Geld für Kleidung ausgeben, desto mehr Geld können wir für Bedürftige spenden. Ich war noch nie interessiert an Marken-Klamotten etc. Habe oft selbst genäht. Je weniger wir brauchen, desto mehr können wir den Armen helfen. In der Schweiz haben sich junge Männer zusammengeschlossen mit der Absicht, möglichst viel zu verdienen, um viel spenden zu können. Das finde ich bewundernswert. Vielen Dank für deinen interessanten Essay.
Liebe Grüße,
Annelie
Liebe Annelie, danke. Deine Meinung teile ich weitgehend, sie widerspricht dem Inhalt meines Textes nicht. Kann mir gut vorstellen, dass du so denkst und handelst. Ich habe aber keinen Essay über das Thema „Kleiderhandel“ geschrieben, sondern eine gereimte etwas selbstironische Beschreibung meiner Sicht vor allem auf das Phänomen „Lücke“ in meinem Leben. Das mit den Containern und den Altkleidern hat sich daraus ergeben. Mit allen Seiten dieser zum großen Teil schmutzigen Medaille „Kleiderhandel“ wollte ich mich nicht befassen. Der Kleiderhandel ist aber zweifellos ein Milliardendeal mit kriminellen Strukturen geworden, das steht fest, man kann es recherchieren genau wie die Tatsache, dass in Afrika die einheimische Textilindustrie vielfach unter dem Billigimport von Ramschware aus unsren Ländern leidet. (In das Paket würde auch unser Import billigster Hühnerteile nach Afrika passen, der bewirkt, dass sich eigene Hühnerzucht nicht mehr lohnt.) Es gibt viele seriöse Secondhandläden, sie sind wichtig, ich hatte aber auch mit einem sehr dubiosen SH-Laden zu tun. Und: Viele Menschen „spenden“ ihre alten Klamotten nicht, wenn sie diese in die Container stopfen, sie entsorgen sie, schau mal, was so neben diesen Containern liegt. Der reinste Ramsch. Meine eigenen gut erhaltenen Kleider gebe ich übrigens nur gezielt weg.
Liebe Marie, danke für deine Informationen. Das habe ich allerdings auch schon gesehen, dass neben DRK-Containern tatsächlich der letzte Müll oft liegt - und die Menschen bedauert, die den Müll, der dort dann ja auch offensichtlich hineingerät, aussortieren müssen. Ich weiß nicht, was du von Oxfam hältst ... Dort kaufe ich manchmal antiquarische Bücher, die oft so schön gestaltet sind, dass ich mich frage: Haben die Vorbesitzer sich schweren Herzens von diesen Exemplaren getrennt oder sehen sie einfach nicht, was für Kostbarkeiten das sind. Ich glaube, dass Oxfam sehr seriös ist. Ich lese gleich noch einmal den Anfang deines Essays in Hinblick auf die Lücke in deinem Leben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es in deinem Leben eine Lücke geben könnte. Auf ein neues Buch von dir würde ich mich freuen - falls die Lücke zu groß sein sollte. Und sollte das jetzt Unsinn sein, bedenke bitte, ich muss deinen Essay noch einmal jetzt in aller Ruhe lesen.
Liebe Grüße,
Annelie
Ja, Marie, jetzt habe ich alles verstanden. Und du hast recht: Ihnen stehen die traditionellen farbenfrohen Gewänder viel besser als unsere "Wohlstandsklamotten". Sie sind auch luftiger. Heute hätte ich draußen gerne so ein leichtes buntes Gewand getragen.
Liebe Grüße,
Annelie
Annelie, danke, ich halte Oxfam auch für eine ausgezeichnete durch und durch seriöse Organisation, dorthin spende ich gute Kleider oder Bücher, dort kaufe ich auch. Und meine Lücken - sind, meine ich, die Lücken von jeder Frau, jedem Mann. Total lückenlose Menschen sind doch langweilig, meinst du nicht? Sie haben sicher wenig Interessantes zu berichten. Ich kenne auch keine.
Liebe Grüße, Marie
Allerliebste Marie, es ist durchaus möglich, dass Lücke nicht gleich Lücke ist und wir beide etwas völlig Verschiedenes meinen. Es könnte aber auch sein, dass ich momentan keine Lücke zulassen will, mir keine Lücke eingestehe ... auf jeden Fall bin ich schon mitten drin, dabei nämlich, darüber nachzudenken - und das ist doch ein guter Anfang, nicht wahr?
Liebe Grüße zu dir,
Annelie
Allerliebste Marie, es ist durchaus möglich, dass Lücke nicht gleich Lücke ist und wir beide etwas völlig Verschiedenes meinen. Es könnte aber auch sein, dass ich momentan keine Lücke zulassen will, mir keine Lücke eingestehe ... auf jeden Fall bin ich schon mittendrin, dabei nämlich, darüber nachzudenken - und das ist doch ein guter Anfang, nicht wahr?
Liebe Grüße zu dir,
Annelie
Liebe Annelie, es ist nicht immer einfach, sich "Lücken im eigenen Leben" einzugestehen. Je älter man wird, desto gelassener geht man damit um. Mit dem richtigen Abstand kann man sie sich mit Hunor betrachten. Schmunzelnd narüber nachzudenken lohnt sich immer!
Liebe Grüße, Marie
Heute habe ich noch gelesen, das Trumps Tochter ihre Mode in China produzieren lässt, für einen Euro die Stunde. Wie sagte Ihr Vater vor und nach der Wahl: "America First" ... im Land produzieren und im Land kaufen. Es schreit zum Himmel.
Spenden ist sozial, man kann es mit Geld, Blut und Materialien tun. Schade nur, das man keine Gerechtigkeit spenden kann...
Liebe Grüße
Soléa
Danke. Das mit der Trumptochter ... erstaunt mich nicht wirklich, es sollte aber deshalb in den USA einen riesigen Aufstand geben! Ungeheuerlich. Und - ja, es wäre schön, wenn man Gerechtigkeit spenden könnte ...
Liebe Grüße, Marie
Liebe Soléa, wenn das stimmt, dann ist diese Tussi total unten durch bei mir. Das ist ja wohl der Gipfel der Geldgier!
Liebe Grüße,
Annelie
Liebe Soléa, es ist tatsächlich wahr. Heute las ich im Focus: "First daughter Ivanka Trump muss sich wegen der Arbeitsbedingungen in indonesischen Fabriken verteidigen, die Kleidungsstücke für ihr Mode-Label herstellen. So hätte eine ihrer Arbeiterinnen nach einem Bericht des "Guardian" laut aufgelacht, als sie von Trumps neuem Buch "Women Who Work" gehört habe. "Mein Bild einer Work-Life-Balance wäre es, meine Kinder mehr als einmal im Monat zu sehen", soll sie gesagt haben. Die Arbeiterinnen klagen über unbezahlte Überstunden(!), Minigehälter und Einschüchterungen(!)". Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! Es hört sich sehr bekannt an und ist ganz sicher nicht aus der Luft gegriffen oder eine Zeitungsente.
Liebe Grüße,
Annelie
Liebe Annelie, ich hatte Dir gestern eine PN geschickt. Hat sie den weiten Weg zu Dir geschafft? Im Anhang war ein Bericht aus der Zeitung zum Thema "Ivanka". Mir fällt gerade der Satz ein " Vom (ehrlichen) arbeiten ist noch keiner reich geworden"...
Liebe Grüße und das die Nachricht gesendet wird....
Soléa
Liebe Soléa,
ich habe heute deine Nachricht mit herzlichem Dank erhalten und mich sehr darüber gefreut, habe dir bereits geantwortet. Ich nehme an, dass du die Antwort spätestens morgen erhältst.
Euch noch wunderschöne Urlaubstage - mehr als die Hälfte liegt noch vor euch:
Liebe Grüße,
Annelie