Stummer Ortstermin

Bild von Volker Harmgardt
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Woher kam das Verräterische, die
orkangeheizte Stimmung zu uns.
Das Tränentuch lag bereit.
Bewegungen waren eingeschränkt,
bizarr gestoppt, vierundzwanzig Stunden
im Traumspiel geschauspielert, in der Rolle
meines Lebens, ich konnte sie nicht an der
Wurzel packen, verzog meine Wortpassage,
quergestammelt bog ich an der Kreuzung nach links,
von Eingebung befallen zogen die blinden Blicke
an mir auf und ab, geschwulstet, rotäugig,
nicht getroffen, so sollte verlieren funktionieren,
in jeder jubilierenden Sekunde.

Wann wollten wir die Endstation erreichen,
zur Schneenacht oder dem Sonnentag, die Jahre
sind inzwischen verraucht, auf schwarzem
Kalender verjährt. Mit einer Kerze erhellte ich
den Fahrplan, es stand sicher schwarz auf weiß
die Legende darauf, gedruckt, den Zwischenhalt
gefunden, im Schweigen, im Gassenlicht der
Hinterhöfe, im Buch von Kafka, der Prozeß endet nie,
abseits der Träume und Liegenschaften,
der Gesetze und Treuhänder, der Ahnen
und Zerstörer, der Weltumsegler und
Nenner. Alle von Brüchen umgeben.

In der Mitte der Metropole stand das Denkmal
vom unbekannten Soldaten mit versprühtem Gesicht,
das Grün nahm ihm die Sicht, das Rot an den
Lippen, es zeigte Weichheit
während der Stein sich öffnete. Er hielt das Heer
in der Hand, den Speer zur Gegenwehr,
im Baum daneben wehte Leben, wehte Tod.
Der Abend hier, die Wahrheit dort,
es drohte der Kollaps, die Kollision,
das Inferno, der Nebel hatte alles
aufgesogen, vertilgt, vergraut.
Die Bühne verhangen, hinterm Vorhang
verneigte sich die Souffleuse in tiefer
Präzision und flüsterte das Klagewort.

Aus meinem Butterbrotpapier holte ich den
Vers, jene Worte, die ich auf meiner alten Schreibmaschine
getippt und dir spontan sagen wollte. Das war wie
ein Tanz auf den Tasten im Dreivierteltakt, beim
Ortstermin und jetzt hatte sich alles in Fett gelöst,
vermischt im klebrigen Krumenbrei.
Unlesbar. Unantastbar. Ungläubig.
Letztlich unsagbar.
Ich flüsterte vorsichtig das Stumme aus mir.

Interne Verweise

Kommentare

22. Jan 2017

Ich schließe mich J.W.Waldeck an.
Alle von Brüchen umgeben.
Dieser Satz gefällt auch mir besonders gut. Darin findet sich alles. Das Leben.

Liebe Grüße Lisi

07. Mär 2017

Hallo Waldeck,
spät, aber ich hoffe nicht zu spät !
Das mit den Brüchen war eine spontane Idee und
musste ich in die Gedicht-Passage einbauen. Das
hat mich dann in unruhiger Zeit auch irgendwie befriedet.
Hintergrund war jedoch, die Zeit, die Worte, das Leben,
das Alte, die Vergangenheit zu enträtseln ?!
Daran arbeite ich auch heute.

P.S. Deine Texte sind mir sehr nah` !!!

Gruß und Danke für Deine Meldung,
Volker

07. Mär 2017

Hallo Lisi ( Kurzform von....?),
bin wieder auf Literatpro, eine gute Wahl und lese
gerade Deinen Kommentar.

Brüche sind immer gehackte Worte, die manchmal
gesagt, meist nicht gesagt werden können. Warum
auch immer. Ein halber Satz ist oft mehr als
die gesamte Geschichte oder das gesprochene
Gedicht, das langsam bröckelt.
Du merkst, ich rede in brüchiger Form !

Will´ Dich nicht weiter nerven und schließe
den Wortschwall. Ende.

LG Volker