Der Tod besucht die sündige Meile ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Regen löschte das Silber des Mondes,
gefallen aufs Pflaster einer sündigen
Meile wie ein Vergeltungsschlag.

Du, dort am Straßenrand, mit Haaren,
nasser als das Fell jener streunenden
Katze, die mich keine Sekunde lang
aus ihren grünen Augen ließ.

Das Dunkel der Nacht schluckte
alle schrillen Geräusche, Menschen
auch und die Scherben roter Lichter.

Ein Jäger hinterm Steuer einer Blechkiste
schnurrte heran: Typ „Sprinter“ von
Mercedes-Benz.

Du gingst ihm ins Netz, und ich hielt kurz-
fristig meinen Atem an und zückte den Blei.

Ein anderes Fahrzeug schob sich vors Heck;
der Jäger brauste mit dir davon und ich
vergaß, was ich wollte und erinnerte dein
Gesicht, als seist du in jenem Moment gestorben.

Was dann in der Wildnis mit dir geschah:
Ich wollte es unbedingt wissen und legte
gedanklich einen Katheter zu deinem Herzen,

einem Hohlweg gleich, durch den ich glitt
wie ein kleiner Herbstwind, der nichts
zu verlieren hat … Ein alter Baum schob sich
vor mein Aug und versperrte mir jedwede Sicht.

Gott würgte das Morgenrot, als es sich
ausbreiten wollte über deine verstümmelten
Glieder, aufgefunden rechts der Isar,
von einem Liebespaar, das nichts wusste

vom Silber des Mondes, gefallen auf
sündiges Pflaster und in verhängnisvolle
Einsamkeit negativer Welten, Nächten mit
Zungenspaß, vom Regen durchkreuzt.

Es sei dein erstes Mal, „deine erste Sünde
gewesen“, raunte mir später eine Nonne zu,
die mein Gebet belauschte,

darin ich Gott zu einem weiteren Mord antrieb,
indem ich ihn anflehte, auch deinen Vermieter
zu erdrosseln, der wegen ausstehendem Mietzins
Räumungsklage gegen Dich erhoben hatte.

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