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auf der Schulter und im Herzen die Unschuld der Jungfrau, übrigens, wie Ihr seht, ein tadelloses Geschöpf. Betrachtet[134] die Figur, den Teint, die Büste, die herrlichen Arschbacken und Hüften, kurzum das ganze entzückende Wesen. Ich hoffe, daß Ihr mir eingestehen werdet, daß wenige in unserem Serail soviel Schönheit vereinigen.« – »Verfluchter Gott,« sagte Clement, »ich habe sie nur angezogen gesehen, aber bei allen Teufeln des Gottes, auf den ich scheisse, für so schön habe ich sie nicht gehalten!« Man läßt Justine in einen Winkel setzen, ohne sie zu fragen, ob sie irgend etwas braucht, und das Souper setzt sich fort. – Hier müssen wir unsere Erzählung unterbrechen und dem Leser eine Beschreibung der Personen geben, damit er das nötige Interesse an ihnen nimmt.
Man kennt Severino, er vereinigte die Begierden aller Liebhaber des Arsches. Nie hatte er ein anderes Vergnügen gekostet, obwohl die Natur ihn so begabt, daß sie ihm, der nur die Engpässe liebte, ein Werkzeug gegeben, womit er die breitesten Straßen hätte befahren können. Was Clement anbelangt, so muß man zu diesen äußeren Eigenschaften seine Wildheit, Tücke, Zynismus, Gottlosigkeit und Verderbtheit hinzufügen, dann hat man ein Bild dieses Wüstlings. Seine Neigungen entsprachen seinem barbarischen Aeußern; verbraucht, wie er war, konnte er nicht mehr vögeln; ein Liebhaber des Arsches, konnte er seiner Gottheit nur mehr die Opfer bringen, die seinem wilden Geiste entsprangen. Schlagen, peitschen, brennen, kurz alle Martern liebte er, den Frauen angedeihen zu lassen, aber auch von ihnen zu empfangen. Diese Vergnügungen waren so ermüdend, daß seine Opfer meistens zerfleischt aus seinen Händen kamen, manche auch todt. Es gab kein Opfer im Hause, das nicht alle Strafen der Befriedigung dieses Scheusales vorgezogen hätte. Am beklagenswertesten waren die, welche dazu gehalten wurden, ihn, während er die anderem quälte, zu geilen, bis sie ihm zwei bis drei Tropfen Samen herauspreßten; er rächte sich furchtbar für diese Gewalttat, die man ihm nach seiner Behauptung zufügte. Antonius, der dritte Teilnehmer an diesen Orgien, war ein kleiner, magerer Mann von vierzig Jahren, ebenso gefährlich gebaut wie Severino und ebenso bösartig wie Clement. Er verehrte die Leidenschaften seiner Brüder, aber auf andere Weise. Er quälte und tyrannisierte die Frauen nicht wie Clement, weil er nichts anderes konnte, sondern um seine Wollust zu vermehren; der eine war ein Henker aus Geschmack, der andere aus Raffinement. Dazu hatte er noch einige Spezialeigenschaften; er liebte es, die Frauen im Arsch zu ficken, sich in den Mund pischen zu lassen und andere solch. Schweinereien, die der Leser noch kennen lernen wird. Ambrosius war zweiundvierzig Jahre alt, er war ein kleiner, untersetzter Mann, sehr dick, seinen Schwanz konnte man kaum bemerken. Er liebte nur die kleinen Knaben und an den Mädchen was sie diesem Geschlechte verwandt macht. Seine Hauptleidenschaft war, sich zuerst bis aufs Blut peitschen zu lassen, dann ließ er sich in den Mund scheißen und fraß den Dreck, währendem er den Arsch fickte, der ihm diesen Genuß verschaffte.[135] Selbst die Grazien hätten bei ihm keinen Erfolg gehabt, ohne diese Mittel; so wahr ist es, daß die wirkliche Wollust nur in der Einbildung lebt und daß sie genährt wird von den Ausgeburten des Geistes. Silvester vögelte ganz gewöhnlich, nur fügte er einige Nuancen hinzu. Erstens mußte die Frau während des Aktes scheissen, zweitens mußte sie, was sie sehr ermüdete, während es ihm kam, laute Schreie ausstoßen, währendem er die Arme abohrfeigte und ihr außerdem noch das Gesicht mit ihrem eigenen Kote einschmierte. Silvester war fünfzig Jahre alt und häßlich, aber klug und bösartig wie seine Brüder. Diese Eigenschaft besaßen sie alle und betrachteten sie als die wichtigste Grundlage ihrer unzüchtigen Vereinigung. Jerome, der Aelteste von ihnen, war trotz seiner sechzig Jahre der ausschweifendste von allen. Alle Leidenschaften, alle Verirrungen vereinten sich in der Seele dieses Mönches, alle Genüsse der Venus, alle Geschlechter waren ihm gleich. Aber da seine Kräfte zu schwinden begannen, so zog er es seit einigen Jahren vor, seinen Opfern die Erweckung seiner Sinne zu überlassen und ebenso die Ejakulation. Der Mund war sein Lieblingstempel und währenddem er sich schlecken ließ, mußte man ihn mit aller Kraft auspeitschen. Alles übrige wird der Leser im folgenden kennen lernen. Jerome war ebenso böswillig, blutgierig und Verehrer alles Widernatürlichen wie seine Brüder.
Welche Gestalt immer das Laster annehmen mochte, es konnte sicher sein, in dieser Teufelswohnung Verehrung und Jünger zu finden. Reiche Geldsummen dienten zur Erhaltung dieser schamlosem Residenz, die seit vielen Jahren bestand und immer von den reichsten, angesehensten und vornehmsten Benediktinern bewohnt wurde, deren Unzucht hinreichte, um in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden.. Jetzt setzen wir unsere Beschreibung fort. Justine erholt sich, die Mönche nachtmahlen, wir können daher unsere Beschreibung durch einige Blicke, die wir in diese furchtbare Behausung des Lasters und des Verbrechens werfen, ergänzen. In dem Hause waren zwei Serails, achtzehn Knaben und dreißig Mädchen, so daß jeder der Mönche fünf Mädchen und drei Knaben für sich hatte. An der Spitze des Ganzen stand eine Frau, Viktorine genannt. Ihre Eigenschaften und ihre Beschäftigung verdienen, sie in einem späteren Kapitel besonders zu beschreiben. In jedem Serail war ein großer Saal, in der Mitte dieses Saales stand der Mittagstisch, um den Saal herum waren die einzelnen Zellen. Jedes Subjekt schlief für sich und seine Zelle bestand aus zwei Räumen. In dem einen stand ihr Bett, in dem andern ihr Bidet und ihr Leibstuhl. Die achtzehn Knaben waren in drei Klassen zu je sechs eingestellt. Die ersten zwei Klassen wurden Schandknaben genannt, von sieben bis zwölf Jahren; sie trugen graue Kinderkleidung oder purpurrote Chitone. Die dritte Klasse bestand aus sechs neunzehn- bis fünfundzwanzigjährigen Knaben, Arbeiter genannt. Sie waren nach europäischer Art gekleidet, in goldkäferfarbigen Fracks. Die[136] fünf Mädchenklassen teilten sich folgendermaßen ein: die erste hieß die Jungfrauenklasse, obwohl keine einzige darunter war. Sie bestand aus sechs Mädchen von sechs bis zwölf Jahren, welche weiße Kittel trugen. Die zweite von zwölf bis achtzehn Jahren hieß Vestalinnenklasse und die Mädchen waren wie Novizen gekleidet. Die dritte bestand aus sechs Schönheiten von achtzehn Jahren, welche Sodomiten genannt wurden, wegen der Schönheit ihrer Aersche. Sie trugen griechisches Kostüm. Die vierte bestand aus sechs