Schriftzüge & Brieftauben

Bild von Monika Jarju
Bibliothek

Ein Vorraum als Bühne, Klarinettenklang und Menschen auf Stühlen.
Ein großer Mann in einem bodenlangen Mantel besteigt eine Leiter.

Aus der Höhe deklamiert er über die Liebe zum Süden, einem Esel
und dem Glück eines Mannes am Meer beim Sammeln und
Zusammentragen und Bewahren zwischen den Seiten eines Buches.

Geschriebene Träume in Couverts verschickt mit Briefmarke und
Stempel, vom Briefträger überbracht, davon redet er und von der
Schönheit der Schriftzüge.

Brieftauben lässt er ins Publikum flattern, atemlos zählt er
hundertundeine Buchart auf.

Dann steigt der Künstler hinab, kauert sich vor ein Grasstück
aus Pappe und erzählt, wie ein Buch entsteht.

Plötzlich springt er hoch und reißt eine schwebende Wolke aus
Seidenpapier über unseren Köpfen auf.

Es rauscht erregend. In meiner Vorstellung fällt Regen.
Er zieht an einem Faden. Papphalme sprießen, richten sich langsam auf.

Eine Wiese liegt vor uns.
Auf den Gesichtern breitet sich Lächeln aus.

Zuletzt erklimmt der Mann noch einmal Stufe um Stufe die Leiter.
Seine Worte, Schriftzüge, Papiertauben gleiten ins Gras.

Aus dem Ärmel zieht er einen schmalen Vorhang,
golden wie Sonnenlicht, der fällt und fällt, fällt über Tauben und Wiese,
gold die Halme, gold die Tauben, grasspitzengold.

Atemzüge, Schriftzüge, Regen, Künstler und Klarinettist tanzen
übers Regengoldgras.

Dämmerung steht vor dem Fenster, schimmert in Rotweingläsern,
auch schlafen einige recht gut auf schwarzen Stühlen.

Ich schaue durchs Fenster, dahinter der Kiez und die ganze große Stadt.

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Kommentare

09. Apr 2018

Danke für Deinen Hinweis, liebe Varia!
Ich hab's versucht, vielleicht ist der Text nun besser lesbar.

Viele liebe Grüße,
Monika