Gefährlicher Sommer (Teil 10) - Page 2

Bild von Annelie Kelch
Bibliothek

Seiten

Straße und Telefonnummer fand ich kleingedruckt am unteren Rand. Das geheimnisumwitterte Etablissement befand sich, wie ich be­reits richtig ver­mutet hatte, in Lübeck.
Ich stellte mir eine heruntergekommene Scheune vor, mit Holzbänken und langen, provisorischen Tischen, ähnlich wie in einem Bier­zelt. Zwielichtige Gestalten, mit Pistolen im Hosenbund, spielten dort verbote­ne Glücksspiele. Mir fiel plötzlich ein, dass ich meine Finger­abdrücke auf der Quittung hinterlassen hatte. So ein Mist! Ich hätte das gute Stück mit einer Pin­zette in eine Plastikhülle befördern sollen, wie es sich für routinierte Ermittler gehört.
Zu spät! Nichts davon hatte ich bei mir. Ich hätte mich ohrfeigen können. Ärgerlich faltete ich das kostbare Stück Papier zu­sammen und steckte es in mein Porte­monnaie.
Müde räkelte ich mich in der schwülen, schläfrig machenden Hitze des frühen Nachmittags auf Omas bunter Decke, unter der die Kiessteinchen knirschten, döste gelangweilt vor mich hin und warf hin und wieder einen Blick auf den Badesee, über dem ein paar Schwalben kreisten, bevor sie sich auf einem der hölzernen Pfähle, die in größeren Abständen das Ufer umgrenzten, niederließen.
Hannes schönes Outfit lag neben mir auf der Decke, hinge­pfeffert wie abgestreift und völlig zerknittert.
Aus halb ge­schlossenen Augen beobach­tete ich die Clique, die fernab vom Ufer im Wasser plantschte. Hannes' dünner Oberkörper wurde von den grünlichen Wellen ver­schlungen und wieder ausge­spuckt. Er schwamm im Bruststil mit langen kräfti­gen Zügen vornweg, und seinem entrückten Lächeln nach zu urteilen, schien er wunschlos glücklich zu sein. Dann sah ich, wie Kora sich umdrehte und auf den Strand zu­kraulte. Ich wandte meinen Kopf zur Seite und tat so, als inter­essierte ich mich brennend für die Gegend. Als ich nach einer geraumen Weile wieder aufs Wasser blickte, war Hannes ihr dicht auf den Fersen. Sein Gesicht tauchte im dunklen Grün der Wellen auf und ab, und als er mit Kora auf gleicher Höhe war, streckte er den Arm aus, griff ihr ins Haar und zog sie unter Wasser. Kora stieß einen gellenden Schrei aus, als sei sie kurz vorm Ertrinken. Ich stand auf und lief ans Ufer. Die „Badegäste“ drehten ihre Köpfe herum und starrten zu den beiden hinüber, aber niemand unternahm etwas.
Kora tauchte wieder auf, schnappte japsend nach Luft und schlug heftig um sich. Konny saß derweil see­lenruhig auf dem versifften Holzsteg und wollte sich totlachen. Sein sonnengebleichter Schopf war pitschnass, und das Wasser tropfte auf die staubigen Planken. Ich wunderte mich, dass er ohne seine starke Brille das gefährliche Geplänkel überhaupt erkennen konnte und fragte mich beklommen, wohin sich die Fürsorge ge­flüchtet hatte, die er seiner Schwester bei anderen Gelegenheiten be­harrlich angedeihen ließ, weshalb er keinerlei Anstalten mach­te, ihr zur Hilfe zu eilen. Ich wäre am liebsten ins Wasser gesprungen und hätte Hannes eine gescheuert. Einzig und allein der Inhalt meiner Badetasche, den ich keinesfalls Konnys neugieriger Obhut an­vertrauen wollte, hielt mich davon ab.
Endlich ließ Hannes seine Cousine in Ruhe. Mit wenigen Kraulzügen schwamm er an Kora vorbei und näherte sich, nach wie vor feixend, dem Ufer. Kora rang immer noch nach Atem, aber kaum, dass sie Boden unter den Füßen spürte, raste sie, wild vor sich hin fluchend, aus dem Wasser. Sie bibberte vor Kälte und hatte an Armen und Beinen ein Gänsehaut.
Kora stürzte sich wie eine tropfnasse Furie auf ihre Badetasche, zerrte ein Handtuch heraus und begann sich trockenzu­reiben.
„Das Wasser ist saukalt und stinkt pfuhlig“, stieß sie atemlos hervor. „Vor drei Jah­ren war der See noch so durchsichtig, dass man fast bis auf den Grund blicken konn­te. Und jetzt ist der Boden voller Schlick, richtig sumpfig und zieht einen run­ter, und auf dem Wasser treibt überall diese lästige Distel­wolle. Igittigitt! Ich hatte einen Krampf im Bein, und dann fing Hannes auch noch mit seinen dämli­chen Faxen an, dieser Idiot.“
„Wie bitte, Cora? Das Wasser soll kalt sein? Diese lauwarme Bade­wanne? Das Wasser hier ist noch viel wärmer als die Luft, richtig sonnenwarm. Ein leckeres Eis kommt für dich dann wohl nicht in Frage, Cousin­chen“, griente Hannes, der sich neben mich auf der Decke gesetzt hatte und Cora beim Abtrocknen zusah.
„Wieso, gibt es hier Eis? Ich sehe weit und breit keinen Eisverkäufer,“ fauchte Kora. „Gibt es hier auch nicht, Süße“, sagte Hannes. „Aber ich habe was viel Besseres für euch. Au­ßerdem, liebe Kora, ist für den jugendlichen Körper nichts gesün­der als kaltes Wasser. Das weckt die Lebensgeister. Und was den See betrifft: Du hast Recht; der müsste wirklich mal ausgebaggert werden, mit 'nem Bulldozer.“
„Ich kann mir schon denken, womit er jetzt ankommt“, griente Konny.
„Zigarette gefällig, meine Damen?“ Hannes hielt mir eine Schachtel „Ernte 23“ unter die Nase.
„Nein danke“, sagte ich. „Hat nicht zufällig jemand von euch ein paar Bananen mit? Fehlte nur noch, dass du uns ‚Juno‘ oder ‚Roth-Händle‘ anbietest. Ein ekelhaftes Kraut.“
„Woher weißt du das, Katja?“, erkundigte sich Konny. „Schon mal ausprobiert?“
„Bedauer­licherweise“, gab ich zu. „Bin während der letzten Klassenfahrt dazu verführt worden. So übel wie nach nur fünf Zügen war mir schon lange nicht mehr.“
„Na, wenn es weiter nichts ist", griente Hannes und klopfte mir jovial auf die Schulter. „Es hätte dir weitaus Übleres passieren kön­nen.“
„Nämlich?“, fragte Kora.
Sei nicht so neugierig, kleine Cousine. Davon ver­stehst du noch nichts“, gab Hannes zur Antwort.
„Pah, aber du!“, schnaubte Kora verächtlich.
Nachdem Kora und Konny ebenfalls dankend abgelehnt hatten, steckte Hannes sich genüsslich eine Zigarette an.
„Ihr solltet mir dankbar sein, dass ich das lästige Mückenvolk von euch fernhalte“, säuselte er, zog den Rauch tief in die Lungen und blies Kringel in die Luft.
Konny sagte: „Wenn das der gute Axel wüsste!“
„Herr Kröger?“, fragte ich überflüssi­gerweise.
Konny nickte.
„Raucht ja selber ab und zu, meistens Pfeife“, verteidigte sich Hannes.
„Ja, aber erst seit deine Mutter ….“
Weiter kam Kora nicht, denn Hannes war bei ihren Worten aufge­sprungen und erhob drohend einen Arm, als wollte er seine Cousine mit dieser Geste zum Schweigen bringen.
„Halt sofort deinen Mund, sonst ...“ Hannes warf Kora einen warnenden Blick zu, unter dem sie augenblicklich verstummte.
Vielleicht ist seine Mutter abgehauen, überlegte ich.
Wenn ich an Axel Krögers mürrisches Benehmen dachte, das er bislang an den Tag gelegt hatte, erschien es mir nicht

Seiten

Interne Verweise

Kommentare

13. Aug 2017

Dein Roman bleibt lesenswert!
(Noch nicht mal Krause sich beschwert ... )
[Auch der Entwurf, er fasziniert -
Weil er den Inhalt stark skizziert!]

LG Axel

13. Aug 2017

Dank, Axel, dir, für deinen Kommentar.
Gegen den Typ im Hintergrund ist Bertha wohl ein Waisenknabe.
Doch Katja überführt den Kerl mit viel Geschick und List.
Sein Name steht danach im Tageblatt - Extraausgabe,
bin froh, dass Bertha diesmal auch mit mir zufrieden ist.

LG Annelie

13. Aug 2017

Klasse Enwurf, Annelie, den würde ich nehmen, welche Technik hast du verwendet? Ich staune immer wieder darüber, wie vielseitig begabt du bist.

Liebe Sonntagsgrüße - Marie

13. Aug 2017

Danke, liebe Marie. Du wirst staunen, aber ich weiß die Technik nicht mehr. Es ist aber mit Sicherheit eine Collage aus eigener Zeichnung und Cliparts. Ich habe das Buch vor mehr als zehn Jahren geschrieben. Es war mein erstes Buch, und ich habe sehr lange daran herumgeschrieben, umgeschrieben, verworfen, neu geschrieben ... und ich habe den Eindruck, dass am Text noch manches geändert werden müsste, glaube auch, dass ich das Titelblatt noch irgendwo in Farbe gespeichert habe.

Liebe Grüße,
Annelie

Seiten