AU 2008 03 Melbourne, Straßenbahnbekanntschaft.. - Page 2

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im Gespräch mit einer Frau. Sie standen in einem großen Raum unter einem Kronleuchter, der an einer imponierenden Decke hing. Einige Personen saßen und tranken Kaffee.
Ich stellte mich vor und erfuhr, dass sie Kristina hieß und die Frau des hiesigen Pfarrers ist. Sie erklärte, dass heute ein Familientreffen ist, deshalb die Kinder im Swimmingpool. Es war schön, wieder einmal eine Sprache zu hören, die man beherrscht. Nach einiger Zeit kam auch ihr Mann Per-Anders dazu.

Er zeigte uns dann den eigentlichen Kirchensaal, ein umgebauter Seitenteil des Hauses. Dieser war sehr stilrein und größer als ich es erwartet hätte.

Das Pfarrer-Ehepaar bewohnte den oberen Teil des herrschaftlichen Hauses. Ich fragte Per-Anders, wie man dieses Amt an solch einem schönen Platz bekommt. Es sind wohl viele, die sich dafür melden. Er sagte lächelnd: ”Im Gegenteil, man wird hierher deportiert.” Der Vertrag gilt für 5 Jahre. Sie haben noch 4 Jahre vor sich.
Kristina erzählte, dass sie selbst gewohnt ist im Ausland zu leben. Sie ist Tochter eines Missionar-Ehepaares und hat ihre Kindheit in Singapur verbracht.

Ich wollte etwas mehr über diese Villa, die jetzt als Kirche dient, wissen. Die Villa (bekannt als “Toorak House”) diente von 1854 bis 1878 als Residenz für verschiedene Gouverneure der damaligen englischen Kolonie Victoria. Die Architektonik ist noch aus dieser Zeit. Danach kam die Villa in Privatbesitz. 1956 kaufte die Schwedische Kirche das “Toorak House”.

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Fakten aus Wikipedia:
Toorak ist ein Stadtteil von Melbourne, der Hauptstadt des australischen Bundesstaates Victoria. Der Stadtteil, dessen Ursprünge in die 1850er Jahre zurückgehen, liegt rund 3 km südöstlich des Stadtzentrums und zählte 2011 etwa 13.000 Einwohner. Toorak liegt am Südufer des Yarra-Flusses.
Der Name des Stadtteils wurde dem Anwesen „Toorak House“ entlehnt, das in diesem Gebiet 1849 von einem Melbourner Kaufmann errichtet wurde und bis 1878 auch als Residenz der Gouverneure des Bundesstaates diente. Das Wort Toorak entstammt der Sprache der Aborigines und steht wahrscheinlich für „schilfiger Sumpf“ oder „schwarze Krähe“.
Ab den 1880er Jahren entstanden zahlreiche imposante Herrenhäuser, die den Ruf von Toorak begründeten. In den letzten Jahrzehnten wurden viele dieser Häuser durch Apartmentblocks ersetzt.
Toorak gilt als wohlhabendster und exklusivster Stadtteil von Melbourne. Die Immobilienpreise sind die höchsten Australiens und überschreiten selbst die am Hafen von Sydney gelegenen Stadtteile Point Piper und Darling Point. Teure Geländelimousinen (SUVs) werden in Melbourne oft ironisch als Toorak Tractors bezeichnet. Die Toorak Road, die von South Melbourne via South Yarra in westöstlicher Richtung durch Toorak führt, gilt als Einkaufsstraße für den gehobenen Bedarf und ist auch von Restaurationsbetrieben entsprechender Güte gesäumt.

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Wir erzählten von den zwei alten Damen in der Straßenbahn, die uns sozusagen hierher gelotst haben. Er kannte sie natürlich. Sie sind oft hier, heute aber nicht.
Wir verabschiedeten uns mit dem Gefühl, heute etwas besonderes erlebt zu haben.

Bei unserer Rundwanderung durch das Haus sahen wir auch das ausliegende Gästebuch, in das wir uns natürlich auch eintragen wollten. Dies vergaßen wir aber dann. Wir nahmen es als Grund, diesen freundlichen Platz noch einmal zu besuchen. Vielleicht treffen wir unsere Straßenbahn-Bekanntschaft ja dann.

Als wir bei unserem zweiten Besuch im Toorak House ankamen war es genau 12 Uhr. Wir wussten es nicht: um 12 Uhr an diesem Tag war eine Mittagsandacht vorgesehen und wir erhöhten die Zahl der Teilnehmer um ca. 10 %. Lovisa und Joy waren nicht dabei. Die Andacht war kurz und bei dem Lied am Ende wurde meine Stimme glücklicherweise nicht gebraucht.
Danach blieben wir und noch einige Leute zum Kaffee trinken. Wir sprachen mit einer pensionierten Lehrerin und einem selbstständigen Handwerker aus Schweden, die jetzt in Melbourne wohnen. Im Toorak House treffen sich hauptsächlich Leute aus den skandinavischen Ländern aber jeder ist willkommen.
Wir kamen wieder mit dem Pfarrer-Ehepaar ins Gespräch und gingen aus irgendeinem Grund wieder in den Kirchensaal. Dort sahen wir dann eine Ikone auf einem Pult, die uns vorher nicht aufgefallen war.

Da sagte Gullan leise zu mir: “Diese Ikone könnte von Bibi sein”. An das Pfarrer-Ehepaar gewandt fragte sie:”Kann es sein, dass Siv-Britt (Bibi) A.-N. diese Ikone gemalt hat? Wir sind gute Freunde mit dem Pfarrer-Ehepaar Siv-Britt und Karl-Åke N. und diese Ikone erinnert mich an andere von ihr, die wir gesehen haben.” Die beiden waren erstaunt. Sie erzählten: Sie haben die Maria-Ikone auf Gotland bei einer Ausstellung von Siv-Britt (Bibi) gekauft. Per-Anders und Karl-Åke waren eine kurze Zeit gleichzeitig Pfarrer auf der Insel aber in verschiedenen Kirchen. Sie kannten sich nur flüchtig. In Melbourne meinten sie, dass die Ikone gut in die Kirche passt und stellten sie dort auf. Gleichzeitig war es aber ein privates Stück, das sie gerne ständig in ihrer Wohnung hätten. Als Ersatz würde die Kirche gern eine ähnliche kaufen.
Wir versprachen, mit Bibi diesbezüglich Kontakt aufzunehmen. Gullan erwähnte, dass Kerstin L. bald wieder nach Schweden fliegt um, wie jedes Jahr, den schwedischen Sommer in ihrem Haus außerhalb Åmål zu verbringen. Auf dem Rückflug könnte sie eventuell die Ikone mitbringen.

Diesmal schrieben wir uns in das Gästebuch ein, verabschiedeten uns und wanderten in der nachmittäglichen Australien-Wärme nach Hause.

Bibi und Karl-Åke N.
Am nächsten Tag rief Gullan Bibi an. Diese war überrascht und erfreut, als sie erfuhr, dass eine ihrer Ikonen in der Schwedischen Kirche in Melbourne steht. Sie konnte sich gut an das Bild erinnern, da dieses während der Ausstellung auf Gotland in einer Lokalzeitung abgebildet war. Sie hatte (mit Ausnahme bei der Ausstellung) sonst keinen Kontakt mit Per-Anders und Kristina, wussten aber rein beruflich voneinander. Aufgrund der von Gullan übermittelten Bestellung wollte sie nun über Internet Verbindung mit dem Ehepaar aufnehmen. Bibi war als junge Frau einige Zeit in Afrika als Lehrerin tätig. Dort traf sie Karl-Åke, einen jungen Missionar der Schwedischen Kirche. Sie heirateten am Fuße des Kilimandscharo. Sie erzählte, dass sie in dieser Zeit den Vater von Kristina, der auch als Missionar dort tätig war, kennenlernte.

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Einschiebung

Bibi und Gullan gingen in die gleiche Schule in Åmål, wurden aber erst später miteinander bekannt. 1963-64 waren beide für ein Jahr in Amerika aber nicht ständig zusammen. Sie hatten ein geplantes Treffen in Los Angeles. Bibi war übrigens damals in Hollywood bei einer Präsentation eines neuen Films mit Steve McQueen und Natalie Wood dabei. Gullan hat einen

© Willi Grigor, 2008 (Rev. 2016)

Prosa und Gedichte:
https://www.literatpro.de/willi-grigor

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