Gefährlicher Sommer (Teil 27; Text 2) - Page 2

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von Annelie Kelch

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zurücklässt. Ich jedenfalls würde Hof Lachau freiwillig nie jemand anderem überlassen. Dieses wunderschöne Rittergut, Hannes, unser paradiesischer Ferienhof, dieses himmlische ...“

„Komm wieder in die Socken, Katja“, holte mich Hannes mit trockener Stimme und ohne die geringste Emotion in die Realität zurück ... „Oder er haut erst dann auf Nimmerwiedersehen ab, wenn er uns beide beseitigt hat.“

„Dann gibt es zumindest für den Mordversuch, den er auf dem Kiesteich an mir begangen hat, keinen lebenden Zeugen mehr“, setzte ich meine Rede weniger poetisch fort.“

„Logisch“, pflichtete Hannes mir bei. „Und dass er den Mörder von Knut kennt, ist doch klar. Das war er selber. Der will uns für dumm verkaufen.“

Wir saßen in der Laube, Hannes auf der Bank an der Stirnseite und ich ihm gegenüber, auf einem der guten Korbstühle aus dem Schlafzimmer, denen Oma entgegen aller Gewohnheit die Sommersonne nicht vorenthielt.

„Sag jetzt nichts mehr, Katja, dein Opa kommt“, zischte Hannes und stieß seinen Turnschuh gegen mein Schienbein.
„Wenn Engel Nachtwache halten ...“, griente ich. „... dann werden selbst die fiebrigsten Patienten gesund.“

„Engel mit 'nem ,B' davor“, nahm Opa mir jede Illusion, was meine Heilkräfte betrafen, und lächelte verschmitzt.

„Oder Engel mit dem Flammenschwert“, kicherte Hannes.

„Nachts soll man schlafen, junger Mann ...“ sagte Opa. „... anstatt junge Mädchen zu besuchen und sie von der Nachtwache abzuhalten. Sei froh, dass man mich ins Erdgeschoss verfrachtet hat, sonst hättest du eine Leiter gebraucht.“
Hannes sah ziemlich belämmert aus, als er mir seinen Kopf zuwandte und mich fragend ansah.

„Hannes war letzte Nacht nur ganz kurz auf dem Hof, Opa. Er wollte mir nur noch Bescheid geben, dass er heute Nachmittag mit Kora und Konny zum Baden will und dass ich mitkommen und mir nichts anderes vornehmen solll“, flunkerte ich rasch: eine klitzekleine Notlüge par excellence.
Hoffentlich hat Hannes' bedepperte Miene uns nicht verraten, liebe Christine. Wenn Opa wüsste ...
„Ach so ist das“, gab Opa sich glücklicherweise zufrieden. „Der Wald ist so riesig, Kinder. Bis zum Kiesteich sind es etliche Kilometer. Seid bloß vorsichtig. Ich habe jedesmal große Angst um euch, wenn ihr im Lachauer Forst unterwegs seid. Oma darf das auf gar keinen Fall wissen. Wenn Knut noch leben würde, wäre mir wohler bei dem Gedanken, euch dort zu wissen. Begegnet man im Lachauer Forst überhaupt noch einer einzigen Menschenseele? Ich glaube, seit der Mordtat an unserem armen Knut treiben sich dort noch mehr Wilderer als früher herum. Hoffentlich sind die wenigstens so respektvoll, nur nachts rumzuballern.“

„Aber Opa“, wandte ich ein. „Das wäre für die Tiere ja noch viel schlimmer ... geblendet oder einfach über den Haufen gefahren zu werden.“
„Ja, ja“, nickte Opa. „Eine total verrückte Welt ist das.“

„Freut mich, dass es dir heute besser gut, Edmund“, sagte Hannes' Vater und ließ sich mit seiner nach Pferdemist stinkenden Arbeitshose in einen von Omas guten Korbsesseln fallen.
„Ein weiblicher Engel hat meinen Schlaf bewacht“, griente Opa. „Und ein männlicher Engel kam zum Fensterln.“
„Lass mich raten, Edmund“, sagte Kröger. „Der männliche Engel heißt Hannes und hilft mir gleich beim Ausmisten des Kuhstalls.“

Man sah Hannes an, dass er die Sache am liebsten auf der Stelle klargestellt hätte, um Jauche, Mist und Gülle die Fersen zu zeigen. Seit kurzem ekelte er sich vor Heiners korpulenten Damen und ihren vier Wänden, ganz besonders aber vor der Jaucherinne, darin die frischen Fladen umherschwammen.
Ich bemühte mich, Hannes Blicken zornentbrannten Auges zu begegnen und eine unmissverständliche Drohkulisse in mein Gesicht zu zaubern, aber Hannes öffnete unbeeindruckt seinen Mund. Jetzt plaudert er alles aus, durchfuhr es mich sogleich. Nur, um nicht beim Ausmisten helfen zu müssen.
Aber da kannte Hannes mich schlecht: Bevor auch nur ein einziger verräterischer Laut über seine Lippen kam, platzte ich heraus: „Ich helfe Ihnen, Herr Kröger!“

Du ahnst es, liebe Christine, ich traue Hannes alles zu, wenn es ums Ausmisten geht, sogar den Verrat unseres Geheimnisses im Mordfall Knut, weil er nach seinem letzten Kuhstall-Intermezzo Heiner gegenüber verlauten ließ, dass er diese Arbeit nicht noch einmal mache, auch nicht im äußersten Notfall; ihm sei hundeelend von der ekligen Jauche und den kotverschmierten Kuhärschen.
Aber bevor wir nicht sicher sein können, dass Helge Knut erschossen hat, darf die Sache auf gar keinen Fall ans Tageslicht.

„Fein, Katja“, hörte ich die Gnädigste verlautbaren, die vermutlich gerade über den Rasen geschwebt war. „Dann bleibt diese Arbeit wenigstens nicht allein an dir hängen, Axel. Übrigens, der Hufschmied ist da und wartet im Pferdestall auf dich.“
„Nun“, lächelte Kröger, „Katja und ich sind ein gutes, bewährtes Team. Das haben wir beim Ausmisten des Hühnerstalls bewiesen, nicht wahr, Katja?“

Ich nickte wenig begeistert und spürte, wie mir vor Aufregung das Blut in die Nase schoss.
Na wenn schon, dachte ich. Mit Nasenbluten kann ich wohl schlecht den Kuhstall auf Hochglanz bringen. Das Ausmisten des Hühnerstalls war eine Sache, aber die Gülle im Kuhstall – absolut kein Vergleich! Hannes hatte sich inzwischen verdrückt. Was konnte man auch anderes von ihm erwarten!
„Deine Nase blutet, Katja“, stellte Kröger erschrocken fest. „Ruh dich bitte ein halbes Stündchen aus, damit es aufhört. Ich habe ohnehin noch eine Weile im Pferdestall zu tun. Danach legen wir los.“

Ich warf mich auf das antike Biedermeiersofa im Saal, das zwar einige ächzende Geräusche von sich gab, aber gar nicht daran dachte zusammenzubrechen, und presste ein Taschentuch auf meine Nase. Ungläubig starrte ich aus dem Fenster. Der Himmel war plötzlich ganz weiß, lediglich ein eigenwilliges Knäuel von verschwommenem Schiefergrau taumelte, von einem leichten Wind getrieben, am Firmament entlang und braute sich mit sichtlicher Entschlossenheit zu einem Wölkchen zusammen. Wenig später türmten sich dicke, dunkelblaue Schwaden auf, die, bevor sie über Hof Lachau hinwegfegten, eine kurze Weile wie schwebende Berge verharrten, mit einem Gebirgsfuß, der nahezu schnurgerade verlief, als wäre er mit einem Lineal gezogen worden. Die ausgefransten Hügelspitzen überlagerten sich und hoben sich deutlich voneinander ab: ein riesiges Massiv. Ich hatte derart tiefliegende Wolkenformationen nie zuvor gesehen. Sie schienen unmittelbar über den Linden zu schweben. Die ersten Tropfen fielen und scheuchten den Staub des Hofes auf. Wenige Minuten später lag das Gut in einem finsteren Licht und es goss in Strömen, nahezu sintflutartig – als

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