Gefährlicher Sommer (Teil 14; 2. Hälfte)

Bild von Annelie Kelch
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… und der Haifisch, der hat Zähne
und die trägt er im Gesicht
und Macheath, der hat ein Messer
doch das Messer sieht man nicht.

Ach, es sind des Haifischs Flossen
rot, wenn dieser Blut vergießt,
Mackie Messer trägt 'nen Handschuh
drauf man keine Untat liest.
(Moritat vom Mackie Messer)
- Bertholt Brecht -

Macheath (2. Hälfte von Teil 14)

Axel Kröger stand, als sei er geradewegs aus dem Erdbo­den gestampft worden, neben seinem dunkelblauen BMW und unterhielt sich mit einem Mann, der mir völlig fremd war. Er schien nur wenige Zentimeter kleiner als Kröger, von schlanker Statur und etwa in seinem Alter zu sein. Die beiden Männer waren in eine lebhafte Unterhaltung verwickelt. Kröger gestiku­lierte aufgeregt mit den Armen. So hektisch hatte ich Hannes' Vater noch nie gesehen. Es passte überhaupt nicht zu ihm.
„Wer ist das?“, fragte ich. „Kennst du diesen Mann, Hannes?“ Er schwieg.
„Wer ist dieser Mann, Hannes? Kennst du ihn?“, wiederholte ich meine Frage. Eine unbeschreibliche Angst kroch in mir hoch.
„Jaaah“, stieß Hannes nach einer Weile hervor. Seine Stimme klang unsicher und heiser.
„Jaaaaah, Katja, das könnte der ehemalige Kollege von meinem Vater sein, dieser Sieghelm ...“
„,Unser Freund weilt zur Zeit in südlicheren Gefilden' ...“, unterbrach ich ihn, indem ich die Textpassage zitierte, die auf der Postkarte an Axel Kröger geschrieben stand. Ich brachte den Satz nicht zu Ende, weil das, was ich durchs Fernglas beobachtete, mir plötzlich die Sprache verschlug. Knapp zehn Meter entfernt von Krögers Wagen, halb verdeckt durch das herabfallende Blätterwerk einer riesigen Linde, lauerte der Maskentyp. Er hielt ein Jagdgewehr in den Händen und zielte Richtung Wagen; aber es bestand kein Zweifel daran, wen er treffen wollte: Axel Kröger oder gar beide Männer. Sein rechter Zeigefinger hielt bereits den Abzug gekrümmt.
Im nächsten Moment bückte sich Kröger, um einen Zettel, der ihm vermutlich aus der Hand gefallen war, vom Waldboden aufzuheben, und Hannes packte mich plötzlich an den Schultern und riss mich mit einer solchen Heftigkeit auf die Holzbohlen, dass mir sekundenlang die Luft wegblieb. Sein „Angriff“ kam dermaßen überraschend, dass ich mich nicht wehren konnte; aber er hatte bereits den Schuss gehört, während ich noch fassungslos dabei war, die Lage zu peilen, um sie in den Griff zu bekommen. Aber wie denn auch, bei dieser Entfernung?
Ich ließ vor Entsetzen über Hannes' plötzliche Attacke auch noch das Fernglas fallen. Es glitt mir wie Seife aus der Hand, rutschte über die Sitz­kante und plumpste nach unten ins Gras.
„Lass mich auf der Stelle los“, keuchte ich und versuchte verzweifelt, mich aus seiner Umklammerung zu be­freien.
„Mensch, begreif doch endlich, Hannes! Wir sind gar nicht in Gefahr. Der Kerl hat es auf deinen Vater abgesehen“, stammelte ich aufge­regt. Hannes lockerte seinen Griff und sah mich entgeistert an.

Ich kletterte in einem Affenzahn die Leiter runter, nahm das Fern­glas an mich, das den Sturz auf den ersten Blick unbeschädigt überstanden zu haben schien, und erklomm hastig und ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die brüchigen, im Verfall begriffe­nen Stiegen zu verschwenden, den Hochsitz. Hannes kam mir entgegen und riss mir den Fernstecher aus der Hand. Zwei Sekunden später saß er kerzen­gerade auf den verrotteten Holzbohlen und schwenkte die Gegend ab.
„Mein Vater und dieser Sieghelm haben sich hinter dem BMW verschanzt. Weißt du, wer geschos­sen hat?“, fragte er.
Hannes' Stimme klang jetzt ruhiger, aber ich hörte heraus, dass er sich beherrschen musste, um nicht loszuschreien. Er sah aus, als würde er jeden Moment explodieren: Sein Gesicht war dunkelrot ange­laufen, und dicke Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn. Eine wahnsinni­ge Angst musste sich seiner bemächtigt haben – Angst um seinen Vater, den neuen Gutsinspektor Axel Kröger, der für mich zum Kreis der Verdächtigten zählte. Klar, dass er ihn nicht auch noch verlieren woll­te, nachdem seine Mutter sich … ja, was denn eigentlich? Neu verliebt, aus dem Staub gemacht oder, was ich nicht hoffte, umgebracht hatte?
„Der Maskentyp, Hannes“, flüsterte ich mit rauer Stimme.
„Sieh bitte nach, ob er noch an der­selben Stelle lauert, Katja.“
Hannes reichte mir das Fernglas und ich suchte die ge­samte Gegend nach diesem offenbar geistesgestörten Typen ab, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Auch von Krögers BMW und den beiden Männern fehlte jede Spur.
„Niemand mehr da“, infor­mierte ich Hannes.“
„Wir gehen jetzt besser zu Kora und Konny zurück, bevor sie noch irgendei­nen Verdacht schöpfen“, sagte Hannes. Er sah immer noch ziemlich fertig aus.
„Lass dir nichts anmerken, Katja. Wir dürfen sie da nicht mit hinein­ziehen.“
Weshalb eigentlich nicht?“, dachte ich wütend. Aber ich fühlte mich zu matt, um Hannes zu widersprechen.
„Komm“, befahl Hannes und ergriff meine Hand. Ich ging wortlos mit.
„Kennst du den schon?“, fragte Hannes, als müsse er nicht nur mich, sondern auch sich selber aufhei­tern:
„Sie: Schatz, im nächsten Monat feiern wir unser 25-jähriges Ehejubilä­um!“
Darauf er: „Lass uns lieber noch fünf Jahre warten – dann feiern wir den 30-jährigen Krieg.“
Sein Lachen hörte sich schauderhaft aus, völlig verkrampft.
„Sehr witzig“, sagte ich und hoffte, dass es nicht nur mürrisch, sondern auch verächtlich rüberkam.
Wir waren erst wenige Schritte vom Ansitz entfernt, als es mit einem Mal im hohen Unterholz zwischen den Tannen krachte und raschelte, als sei neue Gefahr im Verzug.
Hannes wollte mich gerade hinter einen Beerenstrauch ziehen, als Konny plötz­lich auftauchte. Er sah erbärmlich aus. Seine hellblonden Haare klebten nass und dunkel am Kopf. Die Brille hing schief über seinem Nasenrücken und ganze Armeen von Tannennadeln hatten sich in der Baumwolle seines Pullovers verfangen. (Hannes erzählte mir später, er habe bei Konnys Anblick an Windstärke neun denken müssen, was ich über­haupt nicht komisch fand, liebe Christine.)
Zweifelsohne ging es unserem Hannes zu jenem Zeitpunkt schon wieder blendend, weil er ahnte, dass sein Vater mit dem Leben da­vongekommen war, und sein freches Mundwerk war schon wieder pausenlos im vollen Gange.
„Da seid ihr ja endlich! Wir dachten schon, es sei euch etwas passiert,“ stieß Konny atemlos hervor. Man sah ihm an, wie erleichtert er war, uns gefunden zu haben. Verlegen rückte er seine Brille zurecht, fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn und zupfte eine Tannennadel aus seinem schweißnassen Pulli.
„Es ist

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Kommentare

24. Aug 2017

Liebe Annelie, ich freue mich darauf, das Buch nach der Veröffentlichung "in Gänze" lesen zu können!

Liebe Grüße - Marie

24. Aug 2017

Liebe Marie, herzlichen Dank fürs Lesen und für deinen Kommentar. Ich hoffe sehr, dass ich dir "diese Freude" bereiten kann.

Liebe Grüße,
Annelie

24. Aug 2017

Spannend ist der Text geblieben -
Er ist fesselnd. Gut geschrieben!
(Den "Frühschoppen" fand Krause toll -
Saufen! Qualmen! Wie wundervoll ...)

LG Axel

24. Aug 2017

Vielen Dank, dir, Axel, für den Kommentar -
Bitte, hab ein Auge auf die gute Bertha:
Saufen! Qualmen, Schnaps und Bier,
wirken sich verheerend aus -
nicht allein aufs Oberstübchen,
sondern auch aufs Porzellangeschirr.

LG Annelie

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