Fortsetzung vom Dienstag, 22. Nov. 2016; Im Dickicht der Zeichen; Nora Meranes 1. Fall; ein Krimi - Page 2

Bild von Annelie Kelch
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Marc und nahm mir die Fotos aus der Hand. „Kann ich die jetzt wiederbekommen? Ich habe sie auch vermisst.“

„Nein“, sagte ich. „Das sind Beweisstücke.“
Marc verdrehte die Augen.

„Ich frage mich die ganze Zeit, weshalb Brenda die Fotos an sich genommen hat. War sie eifersüchtig?“

„Auf gar keinen Fall“, sagte Marc. Ich glaube eher, sie wollte uns zusammenbringen, weil ich ...“
Er stockte und ging aus dem Zimmer.

„Das wirst du dem Untersuchungsrichter erklären müssen“, rief ich hinter ihm her. „Das konntest du schon immer gut – um den heißen Brei herumreden. Und ich werde beantragen, dass Brendas Telefon überwacht wird.“

„Mach das, Nora“, sagte Marc.
Er kehrte ins Wohnzimmer zurück und sagte: „Brendas Regenschirm ist weg. Sie hatte einen grün-weiß karierten Regenschirm mit Automatic – seit knapp zwei Monaten. Kaputt kann der noch nicht sein. Sie hat einer ehemaligen Arbeitskollegin aus unserem Altersheim erzählt, dass der Schirm sündhaft teuer gewesen sei, weil auf die billigen, die ihr sämtlich binnen kurzer Zeit kaputtgebrochen wären, kein Verlass ist."

„Vielleicht hat ihn der Mörder mitgehen lassen, nachdem er nichts Wertvolles in der Wohnung auftreiben konnte.“

„Oder weil es in Strömen geregnet hat - wie letzte Nacht“, hatte Marc erwidert.

Wir hatten noch kurz auf dem Revier vorbeigeschaut und uns mit Knut Hansen unterhalten, wonach Mark mich zu meinem Auto gebracht hatte, das immer noch am Wasserturm stand, und ich fuhr es dann endlich in die Parkgarage, die unter dem Hochhaus lag. Vor der Eingangstür hatten wir uns getrennt und ich nahm, weil ich müde war, den Fahrstuhl, um in Marcs Appartement zu gelangen.

An Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich setzte mich in einen der roten Sessel, die im Wohnzimmer um einen schwarz furnierten Couchtisch drapiert waren, und las Kollbergs Zeugenaussage – zum vierten Mal. Sie war weniger als eine halbe Seite lang und ich fand nichts, wo ich hätte nachhaken können, nicht das Geringste, worüber sich nachzudenken lohnte.

Sein Hund, ein Dobermann, mit dem er gegen fünf Uhr morgens Gassi gegangen sei, eine alte Angewohnheit, weil er an Schlaflosigkeit leide, sei ein Stück vorausgelaufen und habe, als er sich mit Brendas Leiche auf gleicher Höhe befand, gebellt und gewinselt und sich nicht mehr vom Fleck gerührt. Er, Kollberg, habe, nachdem er Brenda im Wasser entdeckt hatte, die Polizei gerufen. Ansonsten sei ihm nichts weiter aufgefallen. Der Finstergang sei menschenleer gewesen – wie fast immer um diese Zeit.

Ich sah auf die alte Kuckucksuhr, die neben der Wohnwand hing und erfreulicherweise keinen Lärm machte; vermutlich war Mark das Geschrei irgendwann auf den Geist gegangen und er hatte den aufdringlichen Vogel befreit und an die Luft gesetzt.

Es war mittlerweile halb vier, und ich hatte noch immer kein Auge zubekommen. Ich setzte meine Hoffnung auf eine Kanne starken grünen Tee, um den anbrechenden Tag einigermaßen zu überstehen.
Draußen war es unverändert stockdunkel. Marcs Kühlschrank und die Fächer im Küchenschrank waren komplett leer. Ich hatte vergessen einzukaufen und würde frühestens auf der Wache ein Frühstück einnehmen können.

Ich warf einen letzten Blick in den Finstergang, bevor ich die Küche verließ, und war mit einem Mal hellwach: Im Apfelgarten geisterte das Licht einer Taschenlampe umher.
Es dauerte keine zwei Minuten, bis ich mein Schulterholster samt Waffe angelegt, meinen schwarzen Trainingsanzug übergeworfen und die Taschenlampe eingesteckt hatte.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis sich der Fahrstuhl endlich aufgerafft hatte und die Tür aufschnarrte. Ich stieg ein, drückte auf den Knopf für den zweiten Stock und fuhr nach unten. Dort war unser Zeuge, Herr Kollberg, zu Hause. Ich fand, es sei an der Zeit, dass er mit seinem Hund hinausginge, wollte ihm im kurzen Abstand folgen. Er sollte an der Auffahrt zum Apfelgarten vorübergehen, während ich mich Sekunden später hineinschleichen würde.

Kollberg öffnete. Er sah verschlafen aus und musterte mich entgeistert. Sein Dobermann lag hinter ihm im Flur in einem Wäschkorb und schnarchte leise.

„Merane“, sagte ich. „Kripo Hellerburg. „Wir kennen uns, Herr Kollberg. Ich habe ihre Zeugenaussage gelesen. Bitte ziehen Sie sich so schnell wie möglich an, stecken Sie ihre Taschenlampe ein und führen Sie Ihren Hund Gassi. Im Apfelgarten hält sich wahrscheinlich Brendas Mörder auf. Sie brauchen keine Angst zu haben. Der tut Ihnen nichts. Außerdem gebe ich Ihnen Deckung.“
Ich ließ Kollberg einen Blick auf meine Waffe werfen.
„Ich weiß nämlich nicht, wie ich ohne das Licht meiner Taschenlampe in den Apfelgarten gelangen soll“, erklärte ich ihm. „Im Finstergang sieht man die Hand vor Augen nicht. Bei Ihnen schöpft der Mör... eh, der Mann keinen Verdacht.“
„Sie sind sicher, dass da keine Frau herumgeistert?“, fragte Kollberg und kicherte.
„Witzbold“, sagte ich.
„Nun kommen Sie schon rein, Frau Merane. Ich bin gleich soweit.“
Ich trat in den Flur.

Kollberg schien Feuer und Flamme zu sein, hatte Blut geleckt. Der Dobermann hob seinen Kopf und sah mich schläfrig an.
„Gleich geht’s rund, du müder Hund“, sagte ich leise und hoffte, dass ich nicht im Begriff war, den Fehler meines Lebens zu begehen.

Kollberg, sein Hund und ich traten aus dem Haus in die mondlose Nacht hinein. Ich duckte mich unter dem Licht der Glühlampe, die unter der Decke des Eingangsbogens vor der Tür angebracht war. Möglicherweise konnte der Kerl, der sich im Apfelgarten aufhielt, bis zum Hochhaus blicken. Möglicherweise hatte er Augen wie ein Luchs, möglicherweise war er übersichtig.

„Laufen Sie vor, Herr Kollberg“, flüsterte ich. „Und reden Sie, reden Sie mit ihrem Hund.“
Der Dobermann knurrte leise. Entweder verstand er das Wörtchen 'Hund' oder er hatte bereits Witterung aufgenommen. Aber nein, aus dieser Entfernung – das konnte nicht sein.

„Komm, Santo“, sagte Kollberg. „Ja, ich weiß, wir sind heute früh dran, aber ich kann einfach nicht mehr schlafen. Gehen wir eben jetzt ein bisschen Gassi, wo die Luft noch so frisch ist. Ah, nicht so schnell Santo“, rief er, „ich bin nicht so fix auf den Beinen wie du.“

Er machte seine Sache gut, redete ziemlich laut und ohne Pause. Der Typ im Apfelgarten musste bereits auf ihn aufmerksam geworden sein.

Ich schlich lautlos hinter Kollberg her. Glücklicherweise hielt 'Santo' sein riesiges Maul, trabte voraus und und kümmerte sich nicht um mich.

Die Taschenlampe im Apfelgarten war erloschen. Kollberg leuchtet stur geradeaus, den Finstergang hinunter. Er schwenkte kein einziges Mal in den Apfelgarten. Gott sei 's gedankt, dachte ich. Das war 's, was ich ihm noch sagen wollte: '… und leuchten Sie bitte keinesfalls in den Apfelgarten hinein, Kollberg. Sonst riecht der Kerl Lunte und haut ab.'

Kollberg ging am Apfelgarten vorbei, und ich konnte gerade soviel sehen, dass ich die Kurve kriegte und nicht in den Graben rutschte. Jetzt hieß es, auf der Hut zu sein. Ich duckte mich hinter einen Baum und wartete, bis die Taschenlampe wieder aufleuchtete. Hoffentlich war der Typ nicht abgehauen. Nein, konnte er ja nicht, fiel mir ein. Das hätten wir mitbekommen; jede seiner Bewegungen hätte das Gras zum Rascheln gebracht, das auch in der Auffahrt unverhältnismäßíg hoch stand.

Ich wartete - eine Minute, zwei Minuten – Kollberg hatte den Finstergang bereits verlassen. Ich vernahm seine Stimme nur mehr schwach.

Da – endlich: Das Licht der Taschenlampe ging an und streifte über den hohen Grasteppich zwischen den Apfelbäumen. Ich schlich mich näher heran, die Hand am Holster - näher und näher, ich wollte ihn lebend, ich wollte …

Das Licht erlosch – wie aus heiterem Himmel. Wie war es nur möglich gewesen, dass er mich bemerkt hatte. Ich hatte kein einziges Geräusch verursacht, verdammt. Da - ich hörte ihn atmen. Ganz nah. War er noch vor oder stand er bereits hinter mir?
Mir war mit einem Mal hundelend zumute, und bevor ich schreien und meine Waffe entsichern konnte, legten sich zwei Hände um meinen Hals und drückten zu. Ich riss geistesgegenwärtig die kleine Taschenlampe aus meiner Jackentasche und leuchtete dem Würger ins Gesicht: Marc kniff die Augen zusammen und drückte noch fester zu ...

Fortsetzung am kommenden Sonnabend, den 26. November 2016

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Kommentare

24. Nov 2016

Auch diese Folge sich bewährt:
Stetig spannend - lesenswert!
(Die PUTZFRAU sei es NICHT gewesen!
Drohte Krause - mit dem Besen ...)
[Da Krause bei mir gar nix tut -
Stimmt der Verdacht wohl absolut ...]

LG Axel

25. Nov 2016

Man dankt, Mijnheer, da hab' ich was gelernt:
es sind mitnichten die faulen Horden,
sondern die fleißigen, die morden!

LG Annelie

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