Unter Grimbärten

Bild von Annelie Kelch
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Zwecks Traumabewältigung nach einem Banküberfall, in dessen Verlauf ich in die Schusslinie der Gangster geriet, schloss ich mich einer Selbsthilfegruppe an. Dort schilderte ein Jüngling folgendes Erlebnis, das dermaßen absurd klang, dass es fast schon wahr sein konnte:
„Ich wurde von einem Hünen am helllichten Tag gekidnappt und in ein Wäldchen verbracht. Dort schlug mich der Kerl mit einem Knüppel bewusstlos und stieß mich in eine Grube.
Als ich wieder zu mir kam, umgab mich tiefe Dunkelheit. Ich erinnerte mich an die LED-Leuchte in meiner Jeanstasche und machte Licht. Mich traf fast der Schlag angesichts dessen, was ich erblickte: Ich lag im Wohnkessel einer Dachsfamilie. Die Helligkeit hatte die Tiere angelockt. Sie umringten, beschnüffelten mich und schienen zu beratschlagen, was mit mir geschehen solle. Plötzlich knurrte mein Magen sehr laut: Vermutlich hatte ich längere Zeit nichts gegessen. Es dauerte keine Minute, und ein älterer 'Grimbart', der sich daraufhin entfernt hatte, kehrte zurück, die Schnauze voller Regenwürmer, die er, während er mich erwartungsvoll fixierte, vor mir auf den Boden fallen ließ. Mir wurde speiübel; ich ekelte ich mich entsetzlich, bedaure jedoch unendlich, dass mir auf diese gastfreundliche Geste nichts Netteres einfiel als die abweisenden Worte: 'Ich esse keine Regenwürmer.'“