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Zwei gute Jahre mit einem Freund und Kollegen.
Seh ich einen Segelflieger
seine Kreise drehen,
sich immer höher schrauben,
- durch des Aufwinds Aufwärtsstreben -
bis an der weißen Wolke
er meinen Augen sich entzieht,
dann will ich freudig mir erlauben,
an dieses große Glück zu glauben,
ich säße in dem Flieger drin,
dass i c h durch diese Wolke fliege,
geradeaus durch ihren Brodel,
bis - nach einer Weile -
der blaue Dom sich öffnet,
in welchem Friede herrscht und Stille
und nirgends böser Wille -
dass ich im Himmel bin.
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In Sportfliegerkreisen war Sven in Europa kein Unbekannter, in Schweden war er einer der Besten. Fliegen war ein natürlicher Teil seines Lebens.
Es gibt verschiedenartige Flieger. Manche treibt der Ehrgeiz, andere die Leidenschaft. Nicht wenige lieben die Herausforderung und wollen es einfach können.
Die "wahren" Flieger werden als solche geboren. Sie wissen schon als Kind, dass sie fliegen wollen und lernen das Fliegen, sobald die Umstände es erlauben. Sie haben das Fliegen im Gefühl, im "Blut". Sie fliegen aus Freude, mit Spaß, sie wissen nichts Besseres. Von dieser Sorte war Sven "Fakiren" Jonsson, geboren 1925.
Ich fragte Sven einmal, wann er zum ersten Mal mit einem Segelflugzeug geflogen ist. Er antwortete: "Ich weiß es gar nicht mehr so genau, aber ich weiß, dass ich da schon in der Schule ging. Aber in meinen Träumen bin ich schon früher geflogen, nachdem ich zum ersten Mal ein Flugzeug hab landen und wieder starten..." Sein mitnehmendes Lachen beendete den Satz.
1983 lernte ich ihn kennen. Er wechselte zu dem Ingenieurbüro in Karlstad, für das ich damals arbeitete. (Karlstad ist die Residenzstadt der schwedischen Provinz Värmlands län.) Eigentlich kam er nur deshalb zu uns, weil er die Möglichkeit bekam, in Deutschland an einem großen und länger währendem Kernkraftwerksprojekt ("Kalkar") teilzunehmen.
Sven und ich wurden Schreibtischnachbarn. Wir verstanden uns sofort. Er war 18 Jahre älter als ich, ein herrlicher Typ, der gern und auf eine besondere, ansteckende Weise lachte und bei dem man nie so richtig wusste, ob das was er erzählte, Spaß war oder Ernst.
Als ich erfuhr, dass er Segelflieger und auch Segelfluglehrer ist, spürte ich, dass meine Stunde gekommen war.
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Schon als Kind hat das Wort "Segelfliegen" einen wohligen Schauer in mir erzeugt. In dem Bauerndorf Segringen in Mittelfranken, in dem meine Familie als Flüchtlinge nach dem Krieg untergekommen waren, hörte ich mit Bewunderung von einem Jungen, der bereits einige Male selbst geflogen war. Diese Bewunderung für Flieger verließ mich nie, aber einen aktiven Impuls, selber einer zu werden, löste sie nicht aus.
Erst ungefähr 25 Jahre später, 1970, sah ich zum ersten Mal überhaupt ein Segelflugzeug mit eigenen Augen. Es war in Ravensburg, 20 km nördlich des Bodensees. Kurz bevor ich meine heutige Frau in "jenem Blumenmai" dort kennenlernte, besuchte ich eine kleine Mini-Flugschau auf einer größeren Wiese. Dort konnte man in einem Motorsegler (Motorfalke SF25 B ?) mitfliegen. Dies tat ich. Es war zwar kein richtiger Segelflug, der junge Pilot schaltete den Motor während des Flugs nicht ab. Der 45-PS-Motor brauchte eine Ewigkeit (schien es mir) um mit uns auf 400 Meter zu steigen, und auf dieser Höhe blieben wir eine halbe Stunde. Aber es war faszinierend. Diese Erlebnis setzte sich fest.
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Dann traf ich also 1983 Sven, der in schwedischen Fliegerkreisen besser bekannt ist unter dem Spitznamen "Fakiren" (schwedisch für "der Fakir", mit Betonung auf dem i). Im Herbst 1984 und den ganzen Winter hindurch absolvierte ich in Karlstad den theoretischen Segelflug-Unterricht. Sven war Lehrer für zwei der fünf Fächer. Wir waren ca. 15 Schüler, 12 junge Männer, 1 etwas älterer Junger (ich, 41) und zwei junge Damen.
Schon vorher flog ich einige Male neben, bzw. hinter Sven im Segelflugzeug, Motorsegler und Motorflugzeug - die Sven natürlich auch flog - mit. Er hatte so ziemlich alle Lizenzen, die man als Sportpilot haben kann, einschließlich Blind- und Kunstflug. Er wollte mich auch ein bisschen testen, sehn wo bei mir die Grenze liegt. Diese lag eindeutig beim Überkopfflug im Segelflugzeug bei gleichzeitigem Kurven. Mit dem Kopf nach unten und zusätzlich eine starke Zentrifugalkraft in die gleiche Richtung über die Schultergurte zu spüren, verlangt ein ausgeprägtes Vertrauen auf Material und Pilot. Mir wurde aber nie schlecht und hatte auch keine wirkliche Angst.
Sven war ein guter - und immer auch ein gut aufgelegter - Fluglehrer. Im Fach Meteorologie zeigte er uns viele Bilder, die er im Flug gemacht hat. Ich vergesse nicht das Bild, mit dem er uns anschaulich überzeugte, nie unter einer Gewitterwolke zu fliegen. (Was er aber getan hat, sonst gäbe es dieses Bild nicht.) Es zeigt den linken Flügel, komplett überzogen mit einer Eisschicht. Ich fragte ihn, wie man damit fliegen kann. Antwort: "Eigentlich gar nicht. Schnell nach unten in mildere Gefilde, damit das Eis abtaut." Dann kam sein Lachen.
Im Frühjahr 1985 begann der praktische Unterricht. Beim Segelflugklub in Karlstad geschah das Hochziehen ausschließlich durch Schleppstart. Für Anfänger ist das der reine Horror. Wer hier nicht aufgibt, schafft es. Dank der "Privatstunden" meines Arbeitskollegen war ich der einzige in unserer Gruppe, der den Segelflugschein im späten Herbst des gleichen Jahres erhielt.
In den zwei intensiven Jahren 1984-85 zusammen mit Sven - im Büro und auf dem Flugfeld - wurden wir Freunde.
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Mein erster Flug so ganz alleine,
ich spreche jetzt vom Segelfliegen,
war ein Gefühl, das, wie ich meine,
vergleichbar ist mit Nachwuchs kriegen.
Mein erster Flug als Passagier
weckte Neugier, Lust in mir,
möglichst schnell herauszukriegen
wie es wäre, selbst zu fliegen.
Telefonkontakt mit Flugverein,
Mitgliedschaft, Anmeldeschein
Information, Aufmerksamkeit,
Fliegerarzt, Flugtauglichkeit.
Den ganzen Winter Theorie:
Luftrecht, Navigation, .. Meteorologie.
Im Mai fünfundachtzig dann Flugbeginn.
Der nahe Flugplatz in Karlstad gab Zeitgewinn.
Arbeitskollege Sven war mein Segelfluglehrer,
ich war betreffs Fliegen sein großer Verehrer.
Er war als Pilot eine Naturbegabung,
ein Meister der Flugsteuerungshandhabung,
mit schwedischer Fluglehrerlizenz Nummer zwei,
war WM-Fünftbester, bei einer SM Platz drei.
Die ersten Flüge im vorderen Sitz
sind wie Höllenfahrten in den Tod,
mit einem Schutzengel im hinteren Sitz,
der dich rettet in höchster Not.
Der Flugzeugschlepp, ich meine es ehrlich,
war so himmelgottverdammt beschwerlich.
Ich kam zu hoch oder zu niedrig
oder zu weit auf eine Seite.
Es war bedrohlich, ja es war widrig,
wär ich am Boden sucht' ich das Weite.
Doch Lehrer Sven saß lachend nur
und machte schnell die Korrektur.
Sven war ein Typ, der ließ dich machen
die Fehler bis kurz vor dem Blutsturz.
Dann hörte man hinten sein lauthelles Lachen
und rettete uns
© Willi Grigor, 2020
Aus meinen Erinnerungen, die über 30 Jahre alt sind.
Detailfehler sind nicht ausgeschlossen.
Die vier Bilder habe ich aus meinem Super8-Film "herausgeschnitten".
Meinen Weg zum Flugschein und mein unfreiwilliges Ende der Fliegerei lesen Sie hier:
literatpro.de/gedicht/010716/aussereheliche-leidenschaft
Mein Super8-Film: Sven fliegt mit selbst gebautem ULF1
https://www.youtube.com/watch?v=86rOfjhsIIM
Kommentare
Wunderbare Erinnerungen, die ich gerne mit Dir teile, lieber Willi, danke dafür; also bist Du nicht nur ein Weltreisender, ein großartiger Dichter und Erzähler, sondern auch ein Segelflieger. Dein Freund Sven hatte einen tragischen zu frühen Tod. Zu einem Flieger passt es allerdings besser, bei der Ausübung seiner liebsten Tätigkeit zu sterben als einfach so im Bett …
sei herzlich gegrüßt - Marie
Freut mich sehr, liebe Marie, dass Du es gelesen hast und sogar einen Kommentar schicktest.
Schade, dass ich es nur 10 Jahre lang ausüben durfte. Ich hätte Sven eher kennenlernen sollen.
Aber dann hätte ich wahrscheinlich nicht all das andere Wunderbare erlebt ab 1970, da das Schicksal begann, freundlich zu mir zu sein.
Viele Ostergrüße und alles Gute, so gut es geht, wünscht Dir
Willi
Der Flug geht weiter - in Gedanken:
Denn auch mit Worten sprengt man Schranken!
LG Axel
Ich hatte viele Leben, Zeiten,
eine war die Fliegerzeit.
Allein im Segler, in den Weiten,
ein Zustand der Glückseligkeit.
Wenn ich "fliegen" sage,
meine ich Segelflug.
LG
Willi
Wie schön von Dir zu hören, lieber Willi.
Wunderbare Erinnerungen teilst Du hier mit uns, die in Deinem Herzen bestimmt einen ganz besonderen Platz haben. Viel zu früh starb Dein guter Freund Sven, den Du sicher sehr vermisst.
Fliegen heißt, ein bewegtes Leben leben, dem Himmel nah.
Herzliche Grüße
Ella
Schön, dass Du sie lesen wolltest, Ella.
Es war ein langer, versteckter Traum, der in mir schlief. Sven hat ihn geweckt, da war ich 41.
Ein anderer Traum lebte noch viel länger, bis ich 70 war: Der Traum aus einem Flugzeug zu springen. In Auckland, Neuseeland.
...
Mein alter Traum hat lang gehalten,
ich habe ihn stets gut gepflegt.
Bald war die Freude doch verhalten:
Jetzt ist er tot, ich war bewegt.
Herzliche Grüße
Willi
Eine sehr spannende Geschichte über die vielen Abenteuer die ihr da erleben durftet. 'Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein' fiel mir spontan dazu ein lieber Willi. Dankeschön fürs Teilen und Lesenlassen hier!
Herzlich liebe Grüße
Uschi
Danke für den freundlichen Kommentar, Uschi.
"Spannende Abenteuer" habe ich eigentlich beim Segelfliegen nie gehabt, eher das schwer zu beschreibende, schöne Gefühl allein in einer kleinen "Kiste" zu sitzen und bei fast lautloser Stille durch den Himmel zu gleiten. Beim Motorflug oder mit einem Passagier hatte ich dieses erhabene Gefühl nicht.
Gut, dass Reinhard Mey in seinem schönen Lied "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" das "wohl" eingeschoben hat. Grenzenlose Freiheit im Himmel haben seriöse Flieger nicht. Das wäre dann die Abteilung "Abenteurer".
Nehmen wir uns an diesen so anderen Ostertagen die Freiheiten, die man uns gelassen hat.
Viele Grüße
Willi
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