Gefährlicher Sommer (Teil 21; Text 3)

Bild von Annelie Kelch
Bibliothek

Seiten

Kurzer Sommer, glühender, bleib!
Dein Anhauch zwar verdrießt das ängstliche Gras.
Das Korn doch liebt dich, der sich rötende Wein.
Die Grille singt dir ein Loblied,
Und die Lerche, wenn sie ins Blaue klettert,
Tut es trillernd, dir zu gefallen, und des
Wilden Klatschmohns purpurne Blüte ist ein
Feuriger Juhschrei!
(Georg Britting, „Sommergefühl“)

Gefährlicher Sommer (Teil 21; Text 3)

Spargel, Pflaumenkuchen und Sonnenschirme für die Hühner

„Ja, hier bei Wegener“, meldete sich nach mehrmaligem Läuten eine Frauenstimme.
„Kleve“, sagte ich mit belegter Zunge, und Hannes nickte eifrig dazu.
„Katja Kleve am Apparat. Ich hätte gern Heribert Wegener gesprochen. Es geht um die Vorlesungen an der Uni.“
„Einen Moment bitte, Fräulein Kleve. Ich muss Heribert erst ins Haus holen. Er ist noch im Kuhstall. Das kann eine Weile dauern – falls es Ihnen nichts ausmacht …?!“
„Ich warte gern“, gab ich zur Antwort; schließlich musste ja nicht ich die Rechnung bezahlen. Das war allein Hannes' Sache. Sollte er doch Tante Selma erklären, weshalb ihre nächste Telefonrechnung möglicherweise deutlich höher war als üblich.
„Heribert Wegener“, meldete sich nach bangen acht Minuten eine sympa­thische Männerstimme.
„Hallo Heribert, hier ist Katja, Katja Kleve aus Lübeck“, frohlockte ich. „Entschuldige bitte die Störung, aber es ist wirklich sehr wichtig für mich. Ich muss nämlich dringend in Erfahrung bringen, ob im nächsten Semester Vorlesungen über ,Neue Wege im modernen Ackerbau' stattfinden. Dozent soll dieser Professor, ach, wie heißt der doch noch gleich ..., jetzt habe ich doch glatt seinen Namen ...“
„Professor Dr. Gabels?“, warf Heribert fragend ein.
„Na klar,“ rief ich erleichtert und atmete innerlich auf.
„Gabels war sein Name! – Also, ob Herr Professor Gabels im nächsten Semester Vorlesungen über dieses Thema halten wird. Ist dir möglicherweise etwas darüber zu Ohren gekommen?“
„Leider nicht“, gab der junge Mann bereitwillig Auskunft. „Ich hatte bislang allerdings auch noch keine Zeit, mich mit den Themen, die im nächsten Semester abgehandelt werden, auseinanderzusetzen. Auf dem Hof meiner Eltern ist momentan die Hölle los. Unser langjähriger Melker hat gekündigt, und mein Vater liegt mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Aber woher hast du eigentlich meine Telefonnummer? Ich kenne dich überhaupt nicht! Studierst du denn auch Agrarwissenschaften in Kiel?“
„Na, klar!“, rief ich in den Hörer, möglicherweise eine Spur zu enthusiastisch, denn Hannes amüsierte sich mal wieder königlich über mich.
„Wir beide haben uns doch kürzlich erst in der Mensa über Krank­heiten beim Milchvieh unterhalten. Erinnerst du dich denn nicht mehr daran? Das ist doch noch gar nicht so lange her?“, fragte ich erstaunt und gab mir Mühe, meine Stimme ein wenig beleidigt klingen zu lassen.
„Keinen blassen Schimmer“, sagte der arme Heribert Wegener. Seine Worte klangen beinahe hilflos, und er tat mir fast leid.
„Ja, bin ich denn nicht mit Heribert Wegener aus Niebüll verbunden?“, fragte ich, um dem Spektakel, das Hannes eingefädelt hatte, endlich ein Ende zu setzen.
„Nein, da hast du dich leider verwählt“, klärte mein treuherziger Gesprächspartner mich auf. „Unser Hof liegt in der Nähe von Bredstedt.“
„Oh, das tut mir jetzt aber leid! Dann ist die Dame von der Auskunft mit ihrem Finger gewiss in die falsche Reihe gerutscht.“
Hannes kicherte laut, und ich warf ihm einen empörten Blick zu.
„Es war aber trotzdem nett, dich kennengelernt und sich mit dir unterhalten zu haben. Man sieht sich im nächsten Semester!“
„Das würde mich wirklich freuen“, lachte Heribert, und bevor er auflegen konnte, fragte ich hastig: „Hast du denn zur Zeit gar keine Vorlesungen?“
„Nein“, erklärte er freimütig. Seine Stimme klang jetzt nahezu erleichtert, was ich der zweifellos misslichen Situation auf dem elterlichen Hof zuschrieb.
„Mehrere Dozenten befinden sich auf einer Studienreise im Kaukasus. Die Vorlesungen beginnen erst wieder im September. Jetzt muss ich aber zurück in den Stall. Bis bald, Katja.“
Er legte auf, liebe Christine, und einen Moment lang war ich wirklich wieder mal traurig, weil ich viel zu wenig von Ackerbau und Viehzucht verstehe, um mich ernsthaft über diese Themen unterhalten zu können.

„Absolut grandios!“, lobte mich Hannes. „Du solltest die Bühnenlaufbahn einschlagen. Wer flunkern kann wie Freiherr von Münchhausen, der ...“
„Du warst es, der mich zum Lügen angehalten hat“, unterbrach ich ihn wütend. „Und Bühnenschauspieler flunkern nicht, sie spielen Rollen. Übrigens, dieser Heribert Wehner ...“
„,Wegener' heißt der Student, nicht ,Wehner', belehrte mich Hannes und krümmte sich vor Lachen, als habe er plötzlich Magenschmerzen bekommen. Wegen mir natürlich.
„Herbert Wehner ist kein angehender Landwirt, sondern ein deutscher Politiker. Und was für einer!“
„Weiß ich! Wer kennt den nicht?!“, gab ich leicht gereizt zur Antwort.
„Also, damit du 's jetzt weißt, Hannes: Dieser Heribert ist ein außergewöhnlich netter, offener Mensch. Nicht so 'n Pokerface wie Helge. Ich verbürge mich dafür, dass er mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hat.“
„Du hast ihn doch noch gar nicht leibhaftig gesehen, sondern nur gehört“, grinste Hannes.
„Eben drum“, sagte ich.
“Sag ich doch die ganze Zeit! Man hört es an der Stimme!“, nahm Hannes wie immer das letzte Wort für sich in Anspruch und gab mir einen Kuss auf die Wange.
Wir kamen nach einer Weile darin überein, dass Heribert Wegener auf gar keinen Fall mit Helge unter einer Decke stecken konnte, dass Heribert Wegener außerdem bei klarem Verstand war und, was uns besonders schwer fiel: Wir mussten aus den vorangegangenen Feststellungen die bittere Schluss­folgerung ziehen und uns damit abfinden, dass sich Helge zur Tatzeit tatsäch­lich in der Uni aufgehalten und mehr oder weniger den Vorlesungen gelauscht hatte. Die Möglichkeit, dass statt seiner ein Doppelgänger in der Vorlesung ge­wesen sein könnte, verwarfen wir nach kurzer Diskussion ebenso rasch, wie wir sie in Be­tracht gezogen hatten. Sie erschien uns nach gründlicher Überle­gung gänzlich absurd und viel zu weit hergeholt.
„Wo zum Teufel treibt sich Helge, dieser Unhold, herum, wenn die so überaus wichtigen Vorlesungen überhaupt nicht stattfin­den?“, stieß Hannes mit einem Mal wütend hervor, nachdem wir noch­mals, jeder für sich, über den In­halt des Gesprächs nachgedacht hatten.
„Vielleicht taucht er früher wieder hier auf, als dir lieb ist“, grinste ich. „Ich bin schon richtig gespannt darauf, welche Gründe er diesmal für seine plötzliche Rückkehr vor­schiebt.“
„Vielleicht unter

Seiten

Mehr von Annelie Kelch lesen

Interne Verweise

Kommentare

10. Nov 2017

Dem Leben fein ein Lied gesungen!
(Auch die Collage ist gut gelungen!)

LG Axel

10. Nov 2017

Dank, Axel, dir, für deinen lobenden Kommentar.
So soll 's mitunter gehn im Leben, das ist wahr.

LG Annelie

10. Nov 2017

Genial wieder die Collgage. Beim Text habe ich den Anschluss etwas verloren,
habe ihn dennoch mit Freude gelesen, liebe Annelie.

Liebee Grüße in den dunkel-nassen Novemberabend.
Marie

10. Nov 2017

Dank dir, Marie, für deine lieben Worte.
Dafür spendier ich dir glatt irgendwann - 'ne Torte.
Den Anschluss wirst du nimmer nie verlieren:
Du bleibst am Ball, das kann ich garantieren.

Ganz liebe Grüße auch zu dir am Main;
Dazu fällt mir jetzt leider nichts mehr ein,

Annelie

Seiten