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fragte ich wütend.
„Ehrlich nicht, Katja“, beeilte sich Hannes zu sagen. „Es war bloß so eine Idee von mir.“
„Das hoffe ich sehr für dich, Hannes. Ich kann es nämlich nicht leiden, wenn du in meinen Sachen herumschnüffelst. Das kannst du vielleicht mit Kora machen, aber nicht mit mir.“
Ich holte Lenis Fahrrad aus dem Schuppen und machte mich auf den Weg zur Post. Natürlich hatte ich Harry nicht geschrieben, dass ich mich in Hannes verliebt habe, Christine, zumal ich mir nicht sicher bin, wie lange diese Verliebtheit noch andauern wird. Außerdem kenne ich Harry bereits viel länger als Hannes. Ich halte es darüber hinaus sogar für möglich, dass mich mit Hannes nicht wesentlich mehr verbindet, als die Jagd auf den Mörder von Knut, obgleich ich gestern eine wahnsinnige Angst um ihn ausgestanden habe, aber die hätte mich wahrscheinlich im gleichen Maße gepackt, wenn Konny oder Kora in Gefahr gewesen wären.
Ich teilte Harry also mit, dass sich auf Lachau die unglaublichsten Dinge ereignet hätten (ganz zu schweigen davon, dass du nicht hier bist, liebe Christine), dass ich keine Muße gefunden hätte, einen einigermaßen vernünftigen Brief an ihn zu schreiben und dass ich ihm alles berichten würde, sobald die Ferien vorbei und wir wieder zu Hause wären. Mein Ferienbericht würde zirka zwanzig große Pausen in Anspruch nehmen, selbst dann, wenn ich mich beim Sprechen überschlüge, und er würde sich nicht allein fesselnd und aufregend, sondern auch ziemlich nervenverzehrend gestalten. Er könne bereits jetzt wahnsinnig gespannt darauf sein.
Es war wieder mal traumhaftes Wetter, liebe Christine. In dieser Hinsicht musste ich Kröger Recht geben. Das schreibe ich nicht, um dich und deinen Gips zu ärgern; aber als ich auf die sonnige Dorfstraße hinausfuhr, tat es mir fast leid, dass wir wegen Kora nicht zum Baden fahren konnten, weil sie sich verständlicherweise nicht mehr in den Wald traut.
Von den Wiesen neben den Bauernhöfen, die am Weg lagen, drang das warme zufriedene Brummen der Kühe, und es duftete ganz herrlich nach Hochsommer, nach Heu und Stall, nach taufrischer Wiese, würzigem Wald und Tier. Die Region wird ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt, von Milchbauern, die nebenbei Bullenmast betreiben und Getreide anbauen.
Das Gras auf den Wiesen glitzerte noch tropfnass vom Morgentau, und ich genoss jeden frischen Hauch, der mein Gesicht streifte.
Am besten gedeihen die Weiden und Wiesen, wenn neben den Kühen auch noch Pferde auf ihnen grasen, ja, sogar Schweine sind von großem Wert für unser Grünland, hatte Knut mir letztes Jahr noch erklärt. Sie ziehen mit ihren Rüsseln Ungeziefer aus dem Boden. Es ist nicht gut, wenn Wiesen und Weiden zu lange brach liegen. Du glaubst gar nicht, wie schnell sich dann das Unkraut dort vermehrt und alles verwahrlost.
Das Grillengezirpe und Vogelgezwitscher tönte berauschender in meinen Ohren als ein Liebeslied von Sinatra, und ich dachte, obwohl es daheim den schönen, lieben Harry gibt, mit Unbehagen an den Tag der Rückreise, und dieses Gefühl konnte noch nicht einmal der Gedanke an dieses liebreizende Fleckchen Erde, darauf meine Heimatstadt auf Befehl von König Christian IV. errichtet wurde, verdrängen. Auf jeden Fall war es wunderschön, wieder einmal ganz alleine das wohltuende Gesumme und Gebrumme der Natur auf dem Lande zu genießen. Ich fuhr absichtlich langsam ... obwohl mir kein einziger Trecker in die Quere kam.
Mutti lief mir aufgeregt entgegen, als ich auf den Hof zurückkehrte und mir fiel auf, wie tief gebräunt ihre Haut war, obwohl wir erst eine Woche auf Lachau zugebracht hatten und sie meistens in der schattigen Laube hockte.
„Katja, du warst gestern reichlich frech. Oma ist empört über dich und zu Recht. Wenn du dich ab sofort nicht zusammenreißt und höflicher wirst, fahren wir ab, und zwar auf der Stelle. Was ist bloß in dich gefahren!?“
„Wer hat dich denn gegen mich aufgehetzt?“, fragte ich empört. „Du bekommst in letzter Zeit wohl überhaupt nichts mehr mit ... was mich bewegt und wie ich mich fühle ... Und es ist mir auch nicht entgangen, wie schamlos du mit diesem Axel Kröger rumflirtest, während Papa ...“
Zack! Ich hatte mir eine Ohrfeige eingefangen. Meine linke Wange brannte wie Feuer. Es wäre mir egal gewesen und ich hätte lediglich müde darüber gelächelt, liebe Christine, wäre nicht Helge in der Nähe gewesen, der sich vor Freude nicht mehr einkriegen konnte. Er stand mitten im Hühnergehege und krümmte sich vor Lachen, dieser Mistkerl.
„Wann packen wir?“, fragte ich entschlossen.
Mutti antwortete nicht, drehte sich um und und stolzierte davon. Hihi!, Christine, auf weißen Stöckelschuhen, an denen der Staub seine helle Freude hatte, in weißen, eng anliegenden Hosen und einer zitronenfaltergelben, tief ausgeschnittenen Bluse, aus der ihre Möpse quollen. Wie vulgär, dachte ich.
Ihre Haare hatte sie wie ein junges Ding zu einem Schweif zusammengebunden, und ich fragte mich ernsthaft, weshalb sie nicht zu Kröger und Konny in den Pferdestall spazierte, um sich noch heftiger striegeln zu lassen.
Für mich stand jedenfalls fest, dass Helge, dieser Widerling, sich mit ihr unterhalten hatte und irgendwelche Lügen über mich in in den Plausch hat einfließen lassen, die Mutti verunsichert haben.
Ich würdigte Helge keines Blickes und stellte Lenis Vehikel in den Fahrradschuppen zurück. Die Lust auf die Clique war mir gründlich vergangen. Müde und enttäuscht über Muttis Verhalten schleppte ich mich in die Gutsküche.
Leni stand am großen Herd und kochte (diesmal nicht vor Wut, Christine). Sie schob die gusseisernen Töpfe an den Rand, hievte ächzend das eiserne Mittelstück heraus, wuchtete den schweren Wasserkessel über die Öffnung und vollzog den täglichen Marathon zwischen Feuerstelle und Spülstein.
„Weshalb füttert Helge heute die Hühner? Hast du heute sooo viel zu tun, Leni?“, fragte ich. „Soll ich dir helfen?“
„Ja, gerne, wenn es dir nichts ausmacht“, stöhnte unser gutes Lenchen. „Die Gnädigste kommt erst gegen Abend aus Hamburg zurück. Ich stehe ganz allein mit dem Mittagessen für die Mannsbilder auf dem Hof da. Außerdem kommt Axel gleich und verlangt seine zweite Tasse Kaffee. Du kennst ihn ja mittlerweile. Es wäre wirklich lieb von dir, wenn du schon mal die Bohnen schnippeln würdest, Katja.“
„Vielleicht fahren wir schon bald wieder nach Hause, Leni“, sagte ich, nachdem ich mir die große Schüssel mit den Hülsenfrüchten vorgenommen hatte. „Mach dich schon mal darauf gefasst.“
Leni sah mich erschrocken an, und ich schilderte ihr das Gespräch mit Mutti, beichtete die Ohrfeige und vergaß auch nicht, den feixenden Helge zu erwähnen.
„Du warst gestern aber auch wirklich ziemlich kiebig, Katja, mal ganz abgesehen davon, dass dir schlecht war“, sagte Leni.
„Jetzt fängst du auch noch an zu schimpfen, Leni? Ihr könnt euch jede Laune erlauben, aber wir, Hannes und ich, müssen immer tadellos funktionieren. Das ist ungerecht“, gab ich traurig zur Antwort. Und als Axel Kröger und Heiner in die Küche marschierten, ging ich wortlos an den beiden vorbei, durchquerte mit gesenktem Kopf den Vorraum, nicht, ohne mich heftig an Knut zu erinnern, liebe Christine, und schlug den Weg zur Laube ein, darin ich Opa vermutete.
Kommentare
Die Collage - wunderschön. Was wird Hannes in Lübeck erfahren? Ich bin gespannt.
Liebe Grüße - Marie
Vielen Dank, liebe Marie, für deinen Kommentar. Ja, jetzt wird es spannend - und die Ermittlungen beginnen für Katja und Hannes.
Liebe Grüße,
Annelie
Die Mischung, sie stimmt! Nach wie vor:
Spannung und Liebe - viel Humor!
(Bloß Berha Krause ist empört:
Weil der "Hausdrachen" sie stört ...)
LG Axel
Dank. Axel, dir, für deinen Kommentar,
der heute wieder mal sehr freundlich war.
Krause lass ich trotzdem grüßen.
LG Annelie
Ja, die Spannung steigt und mit
ihr die Lesefreude !!!
Tolles Schreibwerk mit genialer Fotomontage.
LG Volker
Danke, lieber Volker; dein freundliches Lob tut mir sehr gut.
Liebe Grüße und Dir und Deiner Frau ein
wunderschönes Wochenende,
Annelie
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