Gefährlicher Sommer (Teil 15; 1. Hälfte) - Page 2

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Seiten

Ja!“, nickte Heiner und nahm einen großen Schluck aus seiner Thermosflasche.
„Der ist mir auch nicht geheuer“, sagte Hannes, als wir weit genug weg waren.
„Heiner ist harmlos“, beruhigte ich ihn. „Einen alten Narren nannte ihn Knut.“
Wir waren am Gut angekommen und gingen durch den Saal. Die Wohnung meiner Großel­tern war leer.
„Ausgeflogen“, stellte Hannes nüchtern fest.
„Ich kann mir den­ken, wo sie sind“, sagte ich, warf einen flüchtigen Blick auf den großen Stapel mit der aktuellen Post, der auf dem Eichentisch thronte und den noch niemand angerührt zu haben schien, und schlug den Weg zur Laube ein. Da saßen unsere Lachauer Täubchen – dicht gedrängt auf den knorrigen alten Bänken: Oma, Opa, Mutti, deine Tante, liebe Christine, und natürlich Leni, die Märtyrerin des Tages. Sie sprachen alle durcheinander. Soviel ich mitbe­kam, ging es immer noch um die toten Katzen. Es sah ganz so aus, als sollten sie ermordeten Tiere das Gespräch der Woche wer­den, was mehr als recht und billig war.
„Oma, Tante Selma hat mich zum Essen eingeladen. Du brauchst heute nicht für mich mitzukochen“, rief ich dazwi­schen, denn es war nicht zu erwarten, dass in absehbarer Zeit irgendjemand eine Pause machte.
„Das ist ja inzwi­schen nichts Neues“, unterbrach Oma das Gespräch.
„Gut, dann wissen wir Bescheid, Katja“, sagte Mutti, und Opa nickte mir und Hannes freundlich zu. Er lächelte dabei. Es schien ihm Gott sei Dank wieder besser zu gehen.
„Katja“, sagte Hannes auf dem Rückweg. „Ich hab eine Idee.“
„Welche?“, fragte ich, ohne großes Interesse zu zeigen.
Wir müssen Helge eine Nach­richt zukommen lassen.“
„Was für eine Nachricht?“, fragte ich verständnis­los.
„Wir schreiben ihm, dass wir Knuts Mörder kennen – und dass wir ein bisschen Knete brauchen. Sollte er darauf eingehen, dann ...“
Hannes brachte den Satz nicht zu Ende. „Sag mal, spinnst du jetzt?“, unterbrach ich ihn. „Das ist Erpressung und strafbar. Außerdem hat Helge ein Alibi.“
„Mensch, Katja, be­greif doch. Wenn Helge tatsächlich darauf eingeht, dann alarmieren wir sofort die Polizei. Möglicherweise gehört er einer Gruppe von Wilderern an.“
„Wieviel Schweigegeld willst du denn for­dern?“, wandte ich mich amüsiert an Hannes, der von seiner Idee wahnsinnig begeistert schien.
„Fünf Mille. Falls er ein Wilderer sein sollte – allein oder innerhalb einer Bande – dann hat er ohnehin genug Knete. Abgesehen davon, bin ich mir sicher, dass die Gnädigste dafür sorgt, dass sein Konto jederzeit bestens bestückt ist“, grinste Hannes.
„Und weshalb kommen wir erst jetzt damit? Der Mord liegt bald ein Jahr zurück?“, gab ich zu bedenken.
„Na, weil wir jetzt ein Beweisstück in die Hände ge­spielt bekommen haben. Nun rück sie schon raus, die Quittung“, lachte er über­mütig. Du hättest mir gar nicht davon zu erzählen brauchen. Ich weiß längst, dass du im Besitz dieses kostbaren Exem­plars bist.“
„Und woher weißt du ...?“, fragte ich entgeistert.
„Ich hab dich die ganze Zeit genau be­obachtet, liebe Katja. Mir ist nicht das geringste Detail entgangen. Von wegen Haarspan­ge verloren. Die hing nämlich in deinem Pferdeschwanz, und im Übrigen hat sogar Kora mitbekommen, dass du einen Zettel in deinen Turnschuh ge­steckt hast.“
„Und ich hab die ganze Zeit gedacht, ich hätte mich besonders ge­schickt und routiniert verhalten, fast wie ein echter Kriminaler“, lachte ich und wurde im nächsten Moment todernst, denn mir schoss ein Gedanke durch den Kopf, der mich heftig beunruhigte.
„Willst du damit sagen, dass Konny und Kora jetzt wissen, dass wir den Mörder von Knut suchen?“, fragte ich misstrauisch.
„Natürlich nicht, Katja“, beschwichtigte mich Hannes und griente. „Kora und Konny glauben, ich hätte dir einen Lie­besbrief geschrieben, den ich vor­her im Gras neben dem Ansitz versteckt habe.“
Er wollte sich aus­schütten vor Lachen. „Das habe ich den beiden nämlich weis­gemacht.“
„Hannes, das darf doch alles nicht wahr sein! Du kommst auf Ideen ...!“
„Nur auf diese Art und Weise konnte ich verhindern, dass sie hellhörig wer­den.“
Hannes redete wie ein Wasserfall und nickte dazu wie zur Bestätigung hin und wieder beschwörend mit dem Kopf. Ich befand mich kurz davor, ihn zu bewundern, obwohl mir die Rolle der Polly Peachum immer weniger be­hagte.
„Ach, jetzt verstehe ich“, rief ich, und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Deshalb hat Kora mich gefragt, ob ich in dich verliebt sei.“
„Und was hast du geantwortet?“, wollte Hannes wissen. Er sah mich gespannt an.
„Geheimnis“, flüsterte ich und legte meinen Zeigefinger auf den Mund.
„Ich brauche ja bloß Kora zu fragen“, sagte Hannes und be­gann vor sich hin zu pfeifen. Hoffentlich hält Kora ihren Mund, dachte ich, denn ich fand es klüger, Hannes in puncto Liebe im Ungewissen zu lassen, damit er sich nicht zu viel erlaubt.
Außerdem sagt mir eine innere Stimme, dass er nicht der Richtige für mich ist, ebenso wenig wie Konny, liebe Christine. Ich musste seit langer Zeit wieder an Harry denken. Armer Harry: Ich war immer noch nicht dazu gekommen, seinen Brief zu beantworten, und wenn ich wieder heimgefahren wäre, anstatt ...
„Weißt du, was die bösen Wilde­rer machen, Katja?“, unterbrach Hannes meine extrem wichtigen Gedanken.
„Eh … nein, Hannes. Was denn?“, fragte ich.
„Sie lassen die toten Tiere präparieren und verkaufen sie dann an passionierte Sammler, an solche dusseligen Typen, die sich die armen, ausgestopften Kreaturen in ihre Salons stellen. Mit den Häuten von seltenen oder vom Aussterben bedrohten Tieren kann man astronomisch hohe Summen erzielen. Diese Tierfeinde wildern sogar in Naturreserva­ten, hat mein Vater gesagt.“
„Du hast dich mit deinem Vater darüber unterhal­ten?“, fragte ich überrascht.
„Nur so am Rande, ganz bei­läufig“, sagte Hannes.
„Wir wissen doch gar nicht, wer die Quittung verloren hat. Sie kann ebenso gut einem Spaziergänger aus der Tasche gefallen sein, Hannes,“ versuchte ich ein letztes Mal vergeblich, Hannes davon abzubringen, Helge zu erpressen.
*
Es gab übrigens keine Pilzpfanne, liebe Christine, son­dern Pilz-Omelett. Tante Selma hat es besonders gut hinbe­kommen. Und ausnahmsweise weiß ich diesmal genau, wo­von ich rede, denn wir werden seit einem halben Jahr mit dem Schulfach „Hauswirt­schaftskunde“ beglückt. Ätzend, meine Liebe. Aber im Gegensatz zur Mehlschwitze, die ich nicht weniger als viermal hintereinander anbrennen ließ, obwohl ich genau daneben stand (aber ganz heftig in Gedanken), war mir die Aufgabe „Omelett backen“ wunderbar geglückt. Ich

Seiten

Prosa in Kategorie: 
Thema / Klassifikation: