Mein bester Freund der Engel - Page 9

Bild von Anita Zöhrer
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führen kann, gar nicht in Worte fassen, kann es fast nicht glauben, dass Gott und Matthew ausgerechnet mir dieses einzigartige Geschenk gemacht haben, ausgerechnet ich dieses besondere Wunder erfahren darf.

8. Dezember 1810
Heute Vormittag bekam ich das Gemälde fertig, an dem ich auch bereits gestern gemalt hatte, und weil es bis zu Matthews Geburtstag nicht mehr allzu lange hin ist, begann ich sogleich mit seinem Geburtstagsgeschenk, begann mit einem Portrait, das ihm bestimmt sehr gefallen wird. Um ihm nicht die Vorfreude darauf zu verderben, ihn mit dem Bild zu überraschen, verbot ich Matthew, auch bloß einen kurzen Blick darauf zu werfen, ehe sein Geburtstag, der 24. Dezember nicht da ist und ebenso wie ich eine Überraschung für ihn habe, hatte er auch eine für mich. Ich malte und malte, als Matthew auf einmal vor mir und somit hinter dem Gemälde stehend, mich aufforderte, meine Augen zu schließen, er mir mitteilte, dass er mir etwas zeigen wolle, vermisste in diesen Momenten meinen Vater schrecklich, denn er hatte mir ebenfalls unbedingt etwas zeigen wollen, ehe wir nach Manhattan gereist waren, war neugierig, was er mir wohl zeigen wollte, stellte Matthew jedoch trotzdem keine Fragen, da er es mir ohnehin nicht verraten hätte, und so tat ich einfach, was er mir aufgetragen hatte und schloss meine Augen. Ich spürte, wie Matthew mich an meiner Hand nahm und mich sanft daran hochzog, erhob mich aus meinem Sessel und ließ mich von ihm aus dem Zimmer führen, fühlte dabei, wie er auch meine andere Hand nahm, mich an der Hand nahm, in der ich meinen Pinsel hielt, sie hob und ich meinen Pinsel losließ, ihn auf einen kleinen Kasten neben der Zimmertür fallen ließ. Matthew führte mich zur Haustür, welche er mit meiner Hilfe öffnete, und zum ersten Mal nach Vaters Tod gingen er und ich nach draußen ins Freie, verließen das Haus und ein Stück davor blieben wir stehen und Matthew forderte mich auf, die Augen wieder zu öffnen. Ich sah um mich, blickte zum Himmel hinauf und da entdeckte ich es, entdeckte ich, wie es schneite. Die ersten Schneeflocken dieses Winters fielen leise und friedlich auf die Erde, fielen auf mich herab und ich war hin und weg, einfach beglückt. Ich betrachtete begeistert die zahlreichen Flocken, genoss den ersten richtigen Wintertag, den ich zusammen mit Matthew erleben durfte, als Cassandra zu mir eilte und mir einen Brief aus Manhattan überreichte. Ich war erstaunt, grübelte, wer mir da wohl geschrieben hatte, wo ich doch niemanden aus Manhattan kenne, doch ehe ich hinter diese Lösung gelangte, den Briefumschlag öffnen, geschweige denn den Inhalt lesen konnte, war ich auch schon von einigen Leuten umringt und es wurden auch nicht weniger, sondern immer mehr. Immer mehr Bekannte und Freunde gesellten sich zu Cassandra und mir und obwohl ich zu anfangs gerne auf diese Begegnungen verzichtet, sie aus Furcht, sie könnten mir wehtun, am liebsten überhaupt nie mehr gesehen hätte, so fand ich es im Nachhinein dennoch sehr schön, dass wir uns seit langem wieder einmal trafen, fand es schön, dass auch sie sich darüber freuten, dass es mir nun wieder halbwegs gut ging, mich mit strahlenden Gesichtern begrüßten und mich nahezu die ganze Zeit über anlachten. Neben den mehr als positiven Momenten blieben mir jedoch auch die unangenehmen, ziemlich schmerzlichen Augenblicke nicht erspart, erwies es sich, dass ich mich zurecht davor geängstigt hatte, wieder mit den anderen Menschen in Kontakt zu treten. Ich hatte gehofft, sie würden zu dem Tode meines Vaters schweigen, es sein lassen, mir ihr Beileid auszudrücken, hatte völlig darauf vergessen, Cassandra darum zu bitten, den Leuten auszurichten, dass sie mir gegenüber diesbezüglich nichts erwähnen sollen, und was war so ziemlich das erste, was sie taten, als sie zu Cassandra und mir kamen? Sie bemitleideten mich, bedauerten, was meinem Vater und auch unseren Pferden zugestoßen war, und während sie dies taten, sich mit mir über meinen Vater unterhielten, hatte ich immens damit zu kämpfen, nicht in Tränen auszubrechen, hasse es nämlich ungemein, vor anderen Menschen zu weinen, doch da mir das, was sie über Vater und auch über Mutter sagten, dann doch gar zu nahe ging, konnte ich meine Tränen nicht weiter zurückhalten, es nicht verhindern, dass ich losheulte. Stolz darauf, dass ich weinte, war und bin ich wirklich nicht, wurde aber sogleich mit Umarmungen entschädigt, was mir hingegen jedoch sehr gefiel, da ich unheimlich gerne umarmt werde, gleich, ob nun von Menschen oder Engeln, wurde von den Leuten und auch Cassandra und Matthew getröstet, und trotz dieses kleinen Zwischenfalles war es ein wundervoller Tag, ein Tag, der mir auf ewig in Erinnerung bleiben wird und das nicht zuletzt wegen des Briefes aus Manhattan. Als Cassandra und ich wieder unter uns waren, die anderen Leute sich wieder ihren eigentlichen Vorhaben widmeten, öffnete ich voller Spannung den Brief und Cassandra und ich lasen ihn gemeinsam, waren beide außer uns vor Freude, als wir damit fertig waren. Es ist ein Brief von Mr. Franklin, dem Direktors des Museums in Manhattan, ein Brief, in dem dieser mir mitteilte, dass er meine Werke in Mr. Stuarts Museum in Chicago bewundert habe, und nun auch für sein Museum zwei von meinen besten Gemälden haben wolle. Dies ist ein enormer Erfolg für mich, der den Wert meiner Bilder um einiges steigern wird, sobald welche davon in dem Museum hängen, werde durch diesen Erfolg bestimmt auch Angebote von Museen im Ausland erhalten, kann schon sehr bald von meiner Arbeit, von meinen Werken alleine leben, was bedeutet, dass ich die Leitung unseres Geschäftes dann jemand anderen überlassen kann, jemanden, der den Laden besser gebrauchen kann als ich, im Gegensatz zu mir gerne dort tätig ist, denn mal abgesehen von dem Verkauf meiner Gemälde, mochte ich die Arbeit im Laden noch nie, hatte niemals auch bloß ein bisschen Spaß dabei, wenn ich meinen Vater ab und zu vertreten musste. Es ist bloß schade, dass Mr. Franklins Interesse an meinen Werken nicht bereits viel früher da gewesen ist, ich es nicht schon eher geschafft habe, durch dieses finanziell unabhängig zu werden, denn dann hätte ich

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