Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 167

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den zerrissenen Bauch des einen Weibes und in den Mund des anderen und in den Hintern der dritten, schließlich ergriff er die Delisle, hing sie auf, stieg ihr dann auf die Schulter und versetzte ihr Fußtritte auf den Kopf, um das Seil fester anzuspannen. Dann nahm er den Leichnam ab, band ihn mit Justine und dem seiner Schwester zusammen, öffnete die Gruft und schickte sich an, die drei Körper hinabzulassen. »Vorwärts, Justine,« sprach er, »es ist Zeit, daß wir uns für immer trennen. Verblendetes Mädchen, hier hast du die Frucht deiner Tugend! Wäre es für dich nicht besser gewesen, mir nicht zu Hilfe zu eilen? Jetzt aber wollen wir Abschied nehmen auf immer, wir werden uns niemals wiedersehen.« Bei diesen Worten ließ er die Körper hinabgleiten, entlud noch einmal und der Stein schloß sich.

Oh, unglückliche Justine, da warst du nun, die einzig Lebende inmitten von Toten! »Großer Gott,« rief sie aus, indem sie ihre furchtbare Lage übersah, »gibt es in der Natur ein Wesen, das mehr zu beklagen wäre als ich? Verlasse mich nicht, mein Gott, und gib mir die Kraft, meine Verzweiflung zu ertragen. Nichts, was du tust, ist ohne Zweck, nur ist dieser für mich nicht faßbar. Ich übergebe dir, mein Gott, diesen leidendurchwühlten Körper, aber nimm meine Seele zu dir, die noch ebenso rein ist, wie damals, als ich sie von dir empfing!«

Im ganzen weiten Raum war blos eine kleine Lampe angebracht. Sie benützte das schwache Licht dazu, sich der Toten zu entledigen. Schließlich gelang ihr das auch, dann warf sie einen Blick auf ihre Umgebung. Zahllose Leichen lagen um sie herum, darunter eine, die den gleichen Tod gestorben zu sein schien, wie er Justine erwartete. Sie stand fast aufrecht, gegen die Mauer gelehnt, und auf ihrem Gesicht sah man noch die Todeszuckungen und die Qualen des Hungers.[401]

Justine befand sich nun bereits fünfzehn Stunden an diesem ekelhaften Ort, die Lampe brannte schon lange nicht mehr und die Unglückliche wartete schweigend, bis es dem Ewigen gefallen würde, sie zu sich zu rufen. Da plötzlich hörte sie Lärm. Sie horchte auf. Es war keine Täuschung. Der Stein hob sich. »Es ist nichts,« sprachen Männer- und Frauenstimmen durcheinander, – »Sie täuschen sich,« schrie Justine mit allen ihren Kräften, »ein unglückliches Opfer atmet an diesem Schreckensort! Erbarmet Euch ihrer und helfet mir!« – »Wie, Justine?« sprach eine Frauenstimme. – »Sie selbst; befreien Sie sie aus ihrer grausamen Lage, in die sie unser gemeinsamer Herr gebracht hat!« – »Es ist nicht mehr unser Herr,« sprach die Stimme einer Frau, in der Justine ihre frühere Genossin erkannt hatte, »der Himmel hat uns von ihm befreit.« – Alsbald wurde eine Leiter hinabgelassen und bald befand sich Justine in dem entsetzlichen Gemach Rolands. Ihre Kameradin umarmte sie, während die beiden Männer ihr hastig erzählten, daß Roland endlich aufgebrochen sei und daß der neue Herr des Hauses jetzt Delville sei, ein sanftmütiger, anständiger Mensch, dessen erste Arbeit darin bestand, alle Winkel zu durchstöbern, um die Grausamkeiten seines Vorgängers wieder gut zu machen.

Voll Freude und Hoffnung kehrte Justine in das Schloß zurück. Man pflegte sie, stärkte sie und verlangte von ihr ihr letztes Abenteuer zu hören. Sie erzählte es und noch am selben Abend schlief sie wie ihre Genossinnen in wunderschönen Zimmern.

Nach zwei Monaten teilte Delville, der Nachfolger Rolands, dem Hause die glückliche Ankunft seines Genossen in Venedig mit. Er genoß also trotz aller seiner Verbrechen vollkommene Freuden.

Eines Tages, als alles im Hause still war (unter der Herrschaft dieses guten Herrn geschahen selbst die verbrecherischen Handlungen des Falschmünzens in anständiger Weise) und die unglückliche Justine daran dachte, wie sie das Haus verlassen könnte, wurden die Türen plötzlich eingeschlagen, und ehe noch die Bewohner an ihre Verteidigung denken konnten, war das Haus mit sechzig berittenen Leuten besetzt. Es blieb nichts übrig, die Bewohner mußten sich ergeben. Man band die Aermsten an die Pferde und brachte sie nach Grénoble. »So erwartet mich also das Schaffott in dieser Stadt, in der ich mein Glück zu machen hoffte,« sprach Justine zu sich, »oh ihr Ahnungen, wie habt ihr mich betrogen.«

Mit den Falschmünzern wurde kurzer Prozeß gemacht und alle zum Tode durch Erhängen verurteilt. Als man das Zeichen an Justinens Körper sah, fragte man sie gar nicht weiter aus und sie sollte eben wie die anderen behandelt werden, als sie sich noch zuletzt an einen berühmten Richter, an einen aufgeklärten Philosophen wendete, dessen Weisheit und Wohlhabenheit seinen Namen in goldenen Lettern in den Tempeln der Themis leuchten[402] lassen werden. Er hörte sie an, und da er von der Aufrichtigkeit der Unglückseligen überzeugt war, würdigte er ihr ein wenig mehr Aufmerksamkeit, wie seine Kollegen taten. Herr S ... wurde selbst der Anwalt Justinens. Die Klagen des armen Mädchens wurden erhört und unsere interessante Heldin wurde von der Anklage vollkommen freigesprochen. Endlich glaubte Justine das Morgenrot des Glückes aufleuchten zu sehen. Sie glaubte am Ende ihrer Leiden zu sein, der Himmel schien ihr zu lächeln, als es der Vorsehung gefiel, ihr zu beweisen, daß sie noch immer dieselben Absichten mit ihr habe.
Kapitel XIX.
BY Elyot, Justine ( … Courage (Come Out to… Days to Recall Dracula poster vecto… Fallen I've Got a Name Jezebel + Just in Ti… Letting Go - Wenn ic… Passion: Fallen 3 Tell Me I'm Wrong Torment: A Fallen No… Zollstock mit Namen …
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Beim Verlassen des Gefängnisses mietete sich Justine in einem ziemlich netten Gasthofe ein. Ihre Absicht war es, dem Rate des Herrn S. zu folgen und einige Zeit in Grénoble zu verbringen, um hier Stellung zu finden. In diesem Gasthofe aß sie an der Table d'hôte und am zweiten Tage nach ihrer Ankunft bemerkte sie, daß sie von einer sehr kräftigen Dame, die man Baronin nannte, besonders aufmerksam beobachtet wurde. Justine glaubte sie wiederzuerkennen und bald traten die Beiden auf einander zu wie zwei Personen, die sich kennen, aber nicht wissen woher. »Täusche ich mich, mein Fräulein,« sprach die Baronin, »oder sind sie nicht das Mädchen, das ich vor zehn Jahren aus der Conciergerie rettete und erkennen Sie nicht in mir die Dubois?« Wenig angenehm berührt von dieser

Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906

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Prosa in Kategorie: 
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