Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 169

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sich der Unglückliche mehr mit seinem Leben als mit seinem Schatze befaßte. Ueberdies rechnete die Verbrecherin darauf, daß Justine der Tat verdächtigt werde. Unser armes Waisenkind kehrte zu Dubreuil zurück, der sich nur mehr mit Gott beschäftigte und im Begriff stand, seine Seele auszuhauchen. Er bat noch, Justine nicht zu verfolgen und starb. Kaum hatte er die Augen geschlossen, als sein junger Geschäftsfreund Justine zu beruhigen trachtete, indem er von diesem letzten Vermächtnis erzählte. Justine ihrerseits erzählte alles, was ihr zugestoßen war, Valbois. Er beklagte sie, riet ihr aber dringend, um sich jedem Verdachte zu entziehen, zu flüchten. »Das Unglück, das Sie bei dieser Hilfeleistung empfunden haben, würde mich ermuntern, etwas für Sie zu tun, aber ich beginne erst Handel zu treiben; ich bin noch jung und bin verpflichtet, der Familie Dubreuil Rechnung über sein Vermögen abzulegen. Gestatten Sie mir also,[405] daß ich mich auf einen kleinen Dienst beschränke, den anzunehmen ich Sie bitte. Hier sind fünf Louis, ferner führe ich Sie einer ehrlichen Geschäftsfrau aus Chalons-sur-Saons, meiner Vaterstadt, zu. Sie kehrt dorthin zurück, wenn sie von Lyon kommt und ich übergebe Sie ihrer Obhut. Madame Bertrand,« fuhr Valbois fort, und stellte Justine vor. »Hier ist das ganz junge Mädchen, von dem ich mit Ihnen gesprochen habe. Sie wünscht eine Stellung zu finden und ich bitte Sie, sich ihrer anzunehmen, wie wenn es meine Schwester wäre. Adieu, mein Fräulein,« fuhr Valbois fort und bat Justine, sie umarmen zu dürfen. »Madame Bertrand bricht morgen auf, lassen Sie es sich gut gehen und hoffentlich werde ich Sie in meiner Heimatstadt sehen.«

Die vornehme Handlungsweise des jungen Mannes entlockte Justine Tränen. Sie stimmte allem zu und zog sich dann zurück.

Es war noch nicht spät, das Bedürfnis, frische Luft zu atmen, hatte Justine an das Ufer des Iseri geführt, und wie gewöhnlich führten ihre Gedanken sie weit fort. Ein kleines Wäldchen fesselte ihren Blick und sie setzte sich ein wenig nieder, um zu träumen. Plötzlich wurde sie von drei Männern erfaßt. Der eine legte ihr die Hand auf den Mund und die beiden anderen warfen sie in einen Wagen, der sogleich davonfuhr. Drei Stunden vergingen in rasender Fahrt, ohne daß einer der Briganten Antwort auf die zahlreichen Fragen Justinens gegeben hätte. Obgleich es Nacht war, hatte man doch die Vorhänge herabgelassen und Justine konnte nichts sehen.

Endlich langte der Wagen vor einem Hause an. Die Tore öffneten und schlossen sich alsbald wieder. Ihre Führer stießen sie durch mehrere dunkle Gemächer und ließen sie schließlich in einem schwach erleuchteten Zimmer allein. »Hier bleibe,« sprach einer der Briganten mit rauher Stimme, »du wirst bald Bekanntschaft wieder finden.« Und die Schufte verschwanden, indem sie die Tür sorgfältig verschlossen. Im selben Augenblick öffnete sich eine andere und Himmel! wer trat ein? Es war die Dubois, die Dubois selbst, dieses abscheuliche Ungeheuer, das nach Rache dürstete. »Kommen Sie, entzückendes Mädchen,« sprach sie, »empfangen Sie den Preis der Tugend, der Sie sich auf meine Unkosten ergeben haben. Ah, Schurkin, ich will dich lehren, mich zu verraten!« – »Ich habe Sie niemals verraten,« erwiderte hastig Justine, »nein, niemals, erkundigen Sie sich nur.« – »Hast du dich nicht dem Verbrechen, das ich plante, widersetzt, hast du es nicht verhindert, unwürdiges Geschöpf! Du mußt bestraft werden, Hure, du mußt es!« Und bei diesen Worten preßte sie ihr die Hand so heftig, daß die Finger krachten. Man trat in ein prunkvolles, hell erleuchtetes Gemach ein. Auf einer Ottomane lag halb ausgestreckt der Bischof von Grénoble, der Besitzer des Hauses, in einem Kleid von violettem Taft. »Gnädiger Herr,« sprach die Dubois und führte ihm Justine vor, »hier ist das junge[406] Mädchen, das sie begehrten, das junge Mädchen, von dem ganz Grénoble sprach, mit einem Wort die berühmte Justine, die mit der Falschmünzerbande gehenkt werden sollte und wegen ihrer Unschuld, ihrer Tugend freigesprochen wurde. Wenn sie gehenkt werden soll,« sprach er zu mir, »so zahle ich tausend Louis dafür, wenn ich mich vorher an ihr befriedigen kann.« – »Sie ist gerettet, hat sie nun weniger Wert?« – »Viel weniger,« sprach der Prälat und rieb sein Glied unter dem Hemd. »Der Hauptgenuß bestand darin, daß sie nachher gehenkt werden soll.« – »Ich habe mein Möglichstes dazu beigetragen, aber dieser verfluchte S. mit seiner altväterischen Gerechtigkeit hat alle meine Pläne zerstört.« – »Was liegt daran, jetzt ist sie hier und jetzt sind Sie Herr über sie.« – »Ja! Das ist nicht dasselbe. Es ist so wonnevoll, sich des Schwertes des Gesetzes zu bedienen, um derartige Schurkinnen zu opfern. Aber sie ist hübsch, deine Justine.« Dann wandte er sich an sie selbst. »Wie alt sind Sie, mein Kind?« – »Sechsundzwanzig Jahre, gnädiger Herr, und ich bin sehr unglücklich.« – »Du bist unglücklich, wie mein Engel, dem wollen wir ein Ende machen. In vierundzwanzig Stunden sollst du nicht mehr unglücklich sein, nicht wahr, Dubois?« Und aus dem unheilverkündenden Gelächter entnahm Justine, daß sie sich nochmals bei einem Wüstling befand, dem es grausame Freude bereitete, anderen Schmerzen zu erzeugen. In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, die Dubois ging hinaus und brachte ein junges Mädchen aus Lyon herein, das wir nun beschreiben werden.

Eulalia war kaum sechzehn Jahre alt und besaß das Gesicht einer Jungfrau. Bleich, mit großen, schwarzen Augen, wohlgeblidetem Busen, war sie ein Meisterwerk der Natur. Ihr Hinterer war der schönste, den man sehen konnte. Ihr Vorderteil war durch einen leichten Flaum beschattet.

»Oh, gnädiger Herr,« rief das schöne Mädchen aus, als sie ihren Verfolger erkannte, »so haben Sie mich also getäuscht! Sie versicherten mir, ich soll in den Besitz aller meiner Güter gelangen und nun führen mich Verbrecher in dieses Haus, damit ich hier entehrt werde.« – »Hm, ja, das ist schauderhaft, nicht wahr, mein Engel,« und bei diesen Worten zog der Verräter Eulalia fest an sich, und in diesem Augenblick konnte Justine die furchtbaren Folgen der Geilheit dieses Mannes bemerken. Sein Glied wuchs derart, daß unsere Waise es mit beiden Händen nicht mehr umfassen konnte. Die beiden Opfer mit der Dubois und dem Bischof gingen nun in ein Nebengemach, um sich dort zu entkleiden; beim Eintreten gewahrten sie einen dicken,

Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906

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Kommentare

01. Jan 2018

ICH darf das leider ja nicht lesen -
Sonst ha(u)t mich Krause! Mit dem Besen ...

LG Axel

02. Jan 2018

Das las ich bereits mit knapp dreizehn Jahren ganz "allein zu Hause".
Zum Glück gab 's bei uns keinen Besen wie die Bertha Krause.

LG Annelie

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