Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 166

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Justine, ich lege mein Leben in deine Hände, deine Freiheit und dein Glück sollen der Preis deines guten Betragens sein.« – »Oh, mein Herr,« erwiderte Justine, »dieser Vorschlag ist seltsam.« – »Nein, nein, ich will es,« erwiderte Roland und legte seine Kleider ab, »aber führe dich gut auf.« Wozu hätte Justine noch zögern sollen, war Roland nicht Herr über sie? Und wie immer seine Absichten waren, die Justinens waren rein.

Roland begann mit der einleitenden Handlung und das Gespräch fiel auf die Delisle. »Diese Person ist nicht so viel wert wie du,« sprach er, »sie ist nicht so interessant, wenn sie weint, und ich quäle sie weniger gerne wie dich. Sie wird daran glauben müssen, Justine, sicher.« – »So zahlen Sie also Ihre Schulden, mein Herr; ist es so nicht am besten?« – »Vorwärts, laß mich deine Arschbacken küssen, Justine und sei sicher, daß ich die Delisle töten werde!« Und bei diesen Worten schwang sich Roland auf den Schemel Justine band nun seine Hände und schlug das Seil um den Kopf. Bald bedrohte das Glied Rolands den Himmel und er gab Zeichen, daß Justine die Unterlage fortziehen möge. Würde man es glauben, auf dem Gesichte Rolands zeigten sich blos Zeichen von Wonne und bald spritzten Fluten von Samen gegen die Decke. Als alles vorbei war, eilte Justine hinzu, um das Seil zu lösen. Roland fiel ohnmächtig herab, aber dank Justinens Pflege kam er bald wieder zu sich. »Oh, Justine,« sprach er, als er die Augen öffnete, »man kann sich diese Wonne nicht vorstellen. Jetzt trotze ich dem Schwerte der Themis. Du wirst mich für sehr undankbar finden,« sprach er zu Justine dann und band ihr die Hände am Rücken fest, »aber was willst du, mein Engel, in meinem Alter bessert man sich nicht mehr. Du hast mir das Leben geschenkt, teures Wesen, und ich will jetzt das deine haben. Du hast das Los Suzannes beklagt, nun denn, du sollst es teilen.« Justine weinte, stöhnte, aber Roland hörte nicht auf sie. Er öffnete das verhängnisvolle Verließ, schlug ihr ein Seil um die Arme und ließ sie dann zwanzig Fuß tief in diese Gruft hinab. Man kann sich die Schmerzen Justinens nicht vorstellen. Was sah sie! Berge von Leichen, deren Geruch allein schon töten konnte. Roland ließ nun Justine an einem Stab hängen, der[399] durch die Höhlung quer durchlief, und währenddessen kitzelte er sich sein Glied. »Vorwärts,« rief er aus, »befiehl deine Seele Gott, Hure! Im Moment meiner Entladung wirst du in den Abgrund stürzen! Ah, ah, es kommt mir schon!« Und Justine fühlte sich von einer Sintflut überschwemmt, ohne daß das Ungeheuer das Seil durchschnitten hätte. Er zog sie wieder hinauf. »Nun, hast du Furcht gehabt?« fragte er sie. »Ich habe mich blos an deinen Tod gewöhnen wollen. Sei sicher, daß du auf diese Art sterben wirst.« Man ging nun wieder hinauf. »Großer Gott,« dachte sich Justine, »ist dies die Belohnung für alles was ich diesem Scheusal getan habe?«

In der nächsten Nacht suchte Roland Justine auf. Die Unglückliche warf sich ihm zu Füßen. Sie beschwor ihn lebhaft, ihr die Freiheit wiederzugeben, damit sie nach Grénoble kommen könnte. »Nach Grénoble gewiß nicht, du würdest uns dort verraten.« – »Nun denn, mein Herr,« sprach Justine und begoß die Knie des Verbrechers mit Tränen, »dann gelobe ich Ihnen, niemals hinzugehen, und um Sie davon zu überzeugen, flehe ich Sie an, mich nach Venedig mitzunehmen. Vielleicht finde ich dort mildere Herzen wie in meinem Vaterlande.« – »Du sollst nicht einen Groschen von mir als Hilfe erhalten. Alles was Mitleid und Dankbarkeit betrifft, ist meiner Seele so fremd, und wenn ich dreimal so reich wäre, als ich es bin, würde ich einem Armen keinen Thaler geben; das sind meine Grundsätze, Justine, von denen ich niemals abweichen werde.« – »Oh, mein Herr, diese Grundsätze sind hart; würden Sie ebenso sprechen, wenn Sie niemals reich gewesen wären?« – »Gewiß, Justine.« Bei diesen Worten warf sich der grausame Roland auf Justine, unterzog sie noch einmal seinen Scheußlichkeiten, die sie mit Recht verabscheute. Diesmal glaubte sie, erwürgt zu werden. Jedoch plötzlich hielt die Bestie inne, was in Justine einen Schauder hervorrief. »Ich bin ein Tor, daß ich mich zurückhalten lasse,« sprach er, »ist es nicht Zeit, daß die Hure an die Reihe kommt?« – Bei diesen Worten ging er hinaus und versperrte den Kerker. Man kann sich die Unruhe nicht vorstellen, in der die Unglückliche zurückblieb. Nach einer Viertelstunde öffnete sich der Kerker wieder; es war Roland mit seiner Schwester. »Folget mir,« sprach Roland aufgeregt. Im tiefsten Schweigen ging man zum verhängnisvollen Verließ. »Mit Euch ists vorbei,« sprach dann der Menschenfresser, »Ihr werdet das Tageslicht nicht mehr sehen.« Bei diesen Worten ergriff er ein Rutenbündel und peitschte seine Schwester, während einer vollen Viertelstunde am ganzen Körper und hauptsächlich am Bauch. »Im wievielten Monat der Schwangerschaft bist du?« rief der Barbar. – »Im sechsten; ah, mein teurer Roland, warte wenigstens bis meine unglückliche Frucht das Licht der Welt erblickt hat.« – »Nein, nein, ich will, daß du mit deiner Frucht zusammen umkommst; aber beunruhige dich nicht,« fuhr der Verbrecher fort und band seine Schwester mit ausgespreizten Schenkeln auf eine[400] Holzbank. »Ich will den Balg ausreissen und sofort einen neuen einpflanzen.« – Oh, großer Gott, der Niederträchtige, das scheußliche Ungeheuer öffnete mit einem Skalpel den Bauch seiner Schwester, riß ihr die Frucht heraus und spritzte dann seinen glühenden Samen in die Oeffnung. »Nun kommst du daran,« sprach er zu Justine, »allein ich will deine Schmerzen noch größer machen. Ich will dich an die blutenden Ueberreste meiner Schwester anbinden und dich mit ihr in die Gruft der Toten hinablassen. Dort sollst du von den Ratten, der verpesteten Luft und dem Hunger umgebracht werden. Aber wie, welche Vergeßlichkeit, eine deiner Freundinnen atmet noch! Warte, warte, ich will sie holen gehen!« Das Ungeheuer eilte hinaus und ließ sein trauriges Opfer allein mit der sterbenden Frau. Die gefühlvolle Justine trachtete vergeblich, Hilfe zu bringen, es war schon zu spät. Bald erschien auch Roland mit der Delisle.

Tausende Liebkosungen gingen den Grausamkeiten voraus und dann fuhr er bald in

Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906

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Kommentare

01. Jan 2018

ICH darf das leider ja nicht lesen -
Sonst ha(u)t mich Krause! Mit dem Besen ...

LG Axel

02. Jan 2018

Das las ich bereits mit knapp dreizehn Jahren ganz "allein zu Hause".
Zum Glück gab 's bei uns keinen Besen wie die Bertha Krause.

LG Annelie

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