Fortsetzung v. Freitag, d. 02. Dez.2016; Im Dickicht der Zeichen; Nora Meranes 1. Fall; ein Krimi - Page 2

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Monaten wíeder auftauchte, war sie kaum wiederzuerkennen, geradezu düster ist sie mir vorgekommen.“
„Aber ich hätte doch mitbekommen müssen, wenn Brenda so lange fortgewesen wäre“, warf ich aufgeregt ein. „Ich bin nämlich mit ihr zusammen zur Schule gegangen, in ein und dieselbe Klasse. Können Sie mir noch ungefähr sagen, wie lange Brenda fort war?“

„Nein“, sagte Frau Falkner. „Meinem Mann ging es zu jener Zeit sehr schlecht. Ich hatte damals andere Sorgen. Möglich ist allerdings, dass das so genannte Erholungsheim in der Schweiz eine Ausrede war und Brenda die Zeit bei Frau Bohlaus Schwester verbracht hat, die damals noch in Weidenbach lebte.“

„Frau Bohlau hatte eine Schwester?“, fragte ich erstaunt. „Brenda hat ihre Tante nie erwähnt.“

„Die haben sich oft erzürnt, soviel ich weiß. Frau Bohlau erzählte mir mal, ihre Schwester führe einen lockeren Lebenswandel, mit dem sie nichts zu tun haben wolle. Was sie damit gemeint hat, weiß ich nicht. Ich kannte ihre Schwester ja kaum. Sie kam selten zu Besuch, war aber immer höflich und freundlich, wenn wir uns über den Weg liefen. Siglinde, hieß sie, wenn ich mich recht erinnere. Ich glaube, Brenda hat sich ganz gut mit ihr verstanden.“
„Und dieser Leander wohnt in Hamburg?“, fragte ich und grub vor lauter Spannung meine Fingernägel in die Handinnenflächen, bis es schmerzte.

„Nun ja,“, sagte Frau Falkner, „damals hat er zumindest mit seinen Eltern in Hamburg gelebt. Die sind allerdings auch nicht mehr am Leben. Leanders Mutter soll schon als relativ junge Frau an Parkinson erkrankt sein, und der Vater hat sich nach dem Tod seiner Frau das Leben genommen.“
„Leander hieß demnach mit Nachnamen 'Emmerich'“, stellte ich fest.
„Nein, nein“, widersprach Marga Falkner, „Emmerich war der Mädchenname seiner Mutter. Herr Emmerich war Leanders Großvater mütterlicherseits. In Hamburg müssten noch 'Emmerichs' leben. Möglicherweise ist ein Verwandter von Leander dabei. Was hat der Junge eigentlich angestellt?“
„So genau wissen wir das leider noch nicht“, sagte ich. „Aber wir werden es ganz gewiss in Kürze herausfinden – dank ihrer Hilfe.“

Die Tür vom Herzkatheder-Labor wurde geöffnet. Frau Falkner sprang auf und stürzte an das Bett, das eine Schwester an uns vorbeischob. Johann Falkner sah totenbleich und hundeelend aus.
„Ihr Mann muss noch einige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, Frau Falkner. Wir haben eine Gefäßstütze implantieren müssen. Er leidet an einer Durchblutungsstörung der Herzkranzgefäße. - Raucht er oder hat er noch bis vor kurzem geraucht?“, fragte der Chirurg.
„Nein“, sagte Frau Falkner, „mein Mann hat das Rauchen schon vor zehn Jahren aufgegeben.“

Falkners waren privat versichert; deshalb durfte Marga Falkner im Zimmer ihres Mannes übernachten. Als Privatversicherter hat man Anspruch auf ein Ein- oder Zweibettzimmer, was nicht zu verachten ist, und ich überlegte mir ernsthaft, ob ich nicht auch etwas in der Art abschließen sollte, falls es nicht allzu teuer käme. Mehrbettzimmer konnte ich auf den Tod nicht leiden, weshalb ich, außer während unserer Klassenfahrten, auch noch nie in einer Jugendherberge übernachtet hatte; ich wusste, dass ich dort kein Auge zubekäme.

Ich verabschiedete mich fürs Erste von Frau Falkner, wünschte ihr und ihrem Mann eine angenehme Nacht, und suchte mit schlechtem Gewissen die Stationsschwester auf, die ich bei unserer Ankunft im Krankenhaus bereits von weitem ins Auge fassen konnte: Es hatte bedauerlicherweise noch kein Schichtwechsel stattgefunden.

„Hätten Sie noch ein Bett für mich, Schwester Birgit, ich muss noch eine Nacht hierbleiben … es hat etwas mit unserem Mordfall zu tun. Ich soll …“, stammelte ich verlegen.
„Frau Merane, dass Sie die Chuzpe besitzen, hier nochmal aufzukreuzen, nachdem Sie gestern unser Krankenhaus fluchtartig verlassen haben, ist wirklich die Höhe.“
Schwester Birgit lief rot an und rang sichtlich um Fassung.
„Aber ich muss diese Nacht hierbleiben – zum Schutz der Eheleute Falkner“, sagte ich. „Befehl von ganz oben. Geben Sie mir jetzt bitte ein Zimmer oder ein Bett, anderenfalls sehe ich mich leider gezwungen, den Chefarzt zu informieren.“
„Ihr Bett ist noch frei“, motzte sie mich an. „Den Weg dorthin kennen Sie ja.“

„Geht doch“, sagte ich und begab mich auf den Pfad durch den Dschungel von Krankenhausbetten, Schwesterntrachten und Essenswagen.

Ich duschte und legte mich sofort ins Bett, mochte noch nicht einmal mehr in dem Buch lesen, das Marc mir ans Herz gelegt hatte: 'ABC – Auskunftsbuch für Kriminalbeamte', war einfach nur hundemüde. Deshalb bekam ich auch nicht mit, als die Tür zu meinem Krankenzimmer geöffnet wurde. Ich wachte erst auf, als jemand heftig an meiner Schulter rüttelte.

„Frau Merane, bitte kommen Sie sofort mit rüber zu meinem Mann. Er hat sich nach Ihnen erkundigt und möchte Sie sprechen. Es geht ihm nicht gut.“ -
Frau Falkner stand vor meinem Bett, 'völlig aus dem Häuschen'. Ihr Haarknoten war gelöst, die langen grauen Haar fielen über ihre schmalen Schultern, ihre Wangen waren von der Aufregung gerötet; sie sah um gut zehn Jahre jünger aus.

Ich warf mir meinen Sweater über und folgte ihr über den Korridor, der in schummriges Licht getaucht war, zum Krankenbett ihres Mannes.
„Frau Merane“, sagte Herr Falkner, als ich vor seinem Bett stand, „ich möchte etwas loswerden, das mir seit langem auf der Seele brennt. Bitte setzen Sie sich zu mir und hören Sie mir zu. Es ist besser, Marga, wenn du uns eine Weile allein lässt. Die Sache würde dich nur unnötig aufregen.“
Ich nahm auf dem Besucherstuhl Platz, der neben seinem Bett stand und fragte ihn, wie es ihm ginge. Er schien mich hervorragend zu verstehen. Ich hatte in einem ganz normalen Tonfall gesprochen. Vermutlich hatte er seine Schwerhörigkeit über Jahre hinweg simuliert, um Ruhe vor unschönen Diskussionen mit seiner Frau zu haben, andererseits machte Frau Falkner auf mich keineswegs den Eindruck einer Xanthippe, eher das Gegenteil.

„Ich habe nicht mehr lange zu leben, Frau Merane“, sagte Johann Falkner. „Krebs – unheilbar. Eine Chemotherapie lehne ich ab. Ich bin nicht traurig darüber, habe nichts anderes verdient. Ich bin ein Schweinehund. - Meine Marga weiß noch nichts von dieser Krankheit; ich habe die Schmerzen bisher vor ihr verbergen können oder auf mein krankes Herz geschoben. Hat der Chirurg, der mir den 'Stent' gelegt hat, ihr nach dem Eingriff von meiner Krebserkrankung erzählt?“
Er blickte mich flehentlich an, als würde eine negative Auskunft ihn auf der Stelle ins Jenseits befördern.
„Nein, Herr Falkner“, beruhigte ich ihn, „jedenfalls nicht in meinem Beisein; davon abgesehen, macht ihre Frau auf mich keineswegs den Eindruck, als wisse sie von Ihrer Krebserkrankung.“
Falkner atmete auf. Ihm war anzusehen, dass er über alle Maßen erleichtert war. Er nahm meine Hand und sagte: „Bitte urteilen Sie nicht allzu schlecht über mich, aber ich habe vor vielen Jahren einen unverzeihlichen Fehler begangen, der nicht wieder gutzumachen ist.“
„Wollen Sie mir von der Sache erzählen, Herr Falkner?“, fragte ich. Der alte Mann nickte heftig. „Es weiß niemand von den Geschehnissen damals – und meine Marga darf auf gar keinen Fall davon erfahren.“

Er räusperte sich und fuhr mit leiser Stimme fort: „Ich habe Brenda Bohlau auf schamlose Weise erpresst, als sie noch ein ganz junges Ding war.“

Fortsetzung am Donnerstag, den 08. Dezember 2016 (Mariä Empfängnis)

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Kommentare

05. Dez 2016

Der Krimi komplett überzeugt -
Deshalb wird er gern beäugt!
(Krause stellt inzwischen klar:
"Schwesta Birjit Täta war!")

LG Axel

05. Dez 2016

Glaub ich nicht, lieb' Bertha - mein,
die Birjit kann es nicht gewesen sein;
denn die ist immer auf Schicht:
ein Besen wie du: streng und schlicht,
ein unentbehrliches Nachtgesicht.

LG Annellie

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