AU 2010 03 Canberra - Hauptstadt im Buschland - Page 4

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

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Cezanne, Monet, Degas, Toulouise-Lautrec, Rousseau u. a. stattfindet. Wir mussten am Eingang Schlange stehen, das Interesse war groß. Es war wirklich beeindruckend, alle diese bekannten Werke im Original zu sehen.
Anschließend schleppten wir uns auch noch durch unzählige Abteilungen mit polynesischer, aboriginischer, buddhistischer, surrealistischer, naturalistischer und anderer Kunst. Der Rundgang im vorgelagerten, naturschönen Skulpturgarten machte uns wieder munter. Wir gingen am Ufer des künstlichen Sees entlang und entspannten auf einer Bank.

Die nächsten zwei Tage verliefen ziemlich ruhig mit Lesen, Telefonieren mit Deutschland und Schweden. Der Winter war ziemlich kalt und schneereich dort. Wir hatten auch Kontakt mit dem Ehepaar in Wellington (Neuseelands Hauptstadt), bei denen wir in drei Wochen (nach unserem nächsten Stop in Auckland/NZ) für einige Tage Gäste sein werden.
Mindestens ein Spaziergang am Tag steht allerdings immer auf dem Programm, auch wenn sonst nichts geplant ist. Wie gesagt gibt es in dieser Stadt sehr viel Platz. Zwischen den einzelnen Häuservierteln gibt es großzügige Rasenflächen mit Bänken und Schatten spendenden Bäumen. Hier fallen vor allem die Kakadus auf, die ihre unruhige Periode hatten als wir da waren. Sie schreien unaufhörlich und beißen Unmengen von kleinen Zweigen von den Bäumen. Sie machen nichts damit, sondern beißen sie nur ab. Ihre Art von Vandalismus. Dann sieht es aus, als wenn jemand die Bäume gestutzt hätte und die Zweige achtlos rumliegen lässt. Unser Nachbar Jerzy erklärte uns, dass diese Vögel sich einige Wochen so verhalten. Warum wusste er nicht.
Entlang den großen Regenwasserablaufrinnen, die inmitten eines breiten Grünstreifens verlaufen, gibt es kilometerlange, asphaltierte Wander- und Radwege.

Zwei Ereignisse durchbrachen allerdings unsere Fastnichtstunstille dieser zwei Tage. Es handelte sich um zwei für uns bisher unbekannte Geräusche, die wir im Garten hörten:

Das eine kam am späten Nachmittag aus einem Busch auf der Hausvorderseite. Ich ging hinaus und schaute in den Busch hinein. Ich sah einen dicken Wasserstrahl, der irgendwo aus einer undichten Stelle im Schlauch ausdrang. Es gab hier eine automatische Bewässerungsanlage, die jeden zweiten Tag für einige Zeit die Büsche und Pflanzen bewässerte. Gartenpflanzen dürfen hier nur alle zwei Tage und Rasen gar nicht mit kommunalem Wasser bewässert werden. Hausherr Leon hat mir einen Schalter in der Garage gezeigt, mit dem ich in so einem Fall den Strom zur Pumpe abschalten kann. Dieses Problem taucht wohl regelmäßig auf. Ich schaltete den Strom ab und beschloss, am nächsten Tag mit Nachbar Jerzy zu sprechen. Er kümmerte sich um den Pool und weiß wohl gut Bescheid in diesem Haus.

Das zweite unbekannte Geräusch hörten wir nach Einbruch der Dunkelheit vom Rasenvorgarten her. Es war wie ein aufdringlicher Pfeifchor. Nicht unähnlich unseren Grillen aber dieser Ton war tiefer. Ich ging auf den Rasen und hatte das Gefühl, als wenn das Geräusch von weiter weg kommt, da es in meiner unmittelbaren Nähe am leisesten war. Als ich im Dunkeln mitten auf dem Rasen stand hörte ich es von allen Seiten gleich laut und eindringlich. Ich merkte, dass das Geräusch im Takt meiner Schritte variierte. Ich ging auf die Knie und tastete den Rasen mit den Händen ab. Da wo ich den Rasen mit den Händen berührte, hörte das Pfeifen auf. Das Eigenartige war, dass diese Grillen heute Abend alle gleichzeitig ihren Singsang begannen. Es mussten Tausende sein, die allein hier unter unserem Rasen lebten. Es war beeindruckend, dieses laute Konzert im Dunkeln.
In Auckland/Neuseeland werden wir bald das noch mächtigere Konzert von Zikaden erleben, die in riesigen Schwärmen in Bäumen und Büschen leben und einen ohrenbetäubenden aber gleichzeitig faszinierenden "Lärm" machen.

Am nächsten Tag, es war Samstag der 6. Februar, aßen wir wie üblich unser Frühstück auf der Terrasse. Wir waren gerade fertig als wir sahen, dass Nachbar Jerzy gegenüber auf unser Haus zu ging, wahrscheinlich um dem Poolwasser Chlor zu geben. Ich ging hinaus und sprach mit ihm über den leckenden Schlauch. Er kannte dieses Problem aber nicht. Ich wollte ihn nicht weiter belästigen und sagte: Ich schalte die Pumpe wieder ein, und wenn sie morgen turnusgemäß wieder anspringt schaue ich genau hin um die undichte Stelle zu finden. Wenn nicht, schalte ich die Pumpe wieder ab und gebe den Pflanzen ab und zu Wasser mit der Gießkanne.
Nun erzählte Jerzy, dass er eigentlich kam um zu fragen, ob wir mit ihm am kommenden Dienstag eine Rundtour mit dem Auto etwas außerhalb Canberras machen wollten. Er hat Zeit, da er ja schon Pensionär ist. Seine Frau ist eine Regierungsangestellte und arbeitet zur Zeit an einem Projekt in Melbourne und kommt nur am Wochenende nach Hause. Anschließend fahren wir dann auch auf den Aisle Mountain wo wir am ersten Tag mit ihm waren aber ohne funktionierende Kamera.
Ich bedankte mich und sagte, dass das großartig wäre. Wir hatten ja kein Auto und hatten so keine Möglichkeit, das so gut wie menschenleere Umland von Canberra zu erleben.

Am späten Nachmittag des nächsten Tages sollte die Bewässerungspumpe wieder anspringen. Ich machte mich bereit, um die undichte Stelle ausfindig zu machen. Gleich darauf hörte und sah ich den kräftigen Wasserstrahl, der aus dem blühenden Busch spritzte. Ich wurde nicht nur ein bisschen nass, als ich in den Busch kroch um zu sehen wo die undichte Stelle war. Ich kam zu dem Schluss, dass eine Verschraubung ausgewechselt werden muss. Ich fand tatsächlich eine Plastiktüte mit Schlauchersatzteilen in der Garage, stellte die Pumpe ab, wechselte das Teil, schaltete die Pumpe ein, sah, dass der Eingriff erfolgreich war und sagte zur Frau: "Für ein Inschenjör ist nichts zu schwör". Ihr Applaus hielt sich in Grenzen.

Am Abend bekamen wir eine E-Mail von unserem Nachbar in Åmål, der nach unserem Haus sah und die Post aus unserem Postkasten holt. Darunter war auch ein Brief von Maria Chirila aus Mihaileni, Rumänien, der Heimatort meiner Eltern. Sie ist eine meiner letzten Verwandten dort und wir hatten ihr zu Weihnachten geschrieben. Bald darauf erfuhren wir, dass Maria am 25. 2. 2010 gestorben ist. Als wir Anfang Mai wieder in Åmål waren, lasen wir den Brief, der ungewöhnlich kurz war: "Vielen Dank für Eure Post. Ich bin sehr krank." Wir waren vielleicht die letzten, die Post von ihr bekamen.

Ausflug mit Nachbar Jerzy
Am Dienstag (9. Februar) um zehn Uhr waren

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