Wie ich Katze bei Baumgarts wurde - Page 8

Bild von Dieter J Baumgart
Bibliothek

Seiten

Und wieder und wieder. Wirklich, ich hätte dem Dieter den Hals umdrehen können, wenn er säuselte: „Na, Cocolein, Auto fahren?“
Und wenn er vielleicht darauf gewartet hat, daß ich in ein Freuden-Miau ausbreche... Nun, da hätte er wohl älter als ein Papagei werden müssen. Und ich auch! Das zog sich also über einige Wochen hin. In Abständen von drei bis fünf Tagen war aus unerfindlichen Gründen Auto fahren angesagt. Bei Isis, der Katzenköpfigen, dachte ich manchmal, wenn der so gern Auto fährt, dann soll er das doch bitte allein machen. Warum muß ich da immer mit? Der fährt doch auch sonst allein. Ich hatte ja wirklich angenommen, meine Menschen einigermaßen zu kennen. Aber da kam ich einfach nicht mehr mit. Einen Monat hatten wir inzwischen mit solchen Ausflügen verbracht, da wurde ich wieder einmal in die Henkelhöhle gesperrt, und ich dachte: Ach ja, es ist wohl wieder einmal Zeit zum Auto fahren. Aber nein, liebe Katze, mußte ich feststellen, da hast du dich leider geirrt! Zu Fuß machte er sich mit mir im Henkelkorb auf den Weg. Unsere Wohnstraße entlang und um die Ecke über die Hauptstraße und weiter, alles ohne Auto. Oh, Teufel, ging es mir durch den Katzenkopf, hast du was ausgefressen? Ist da irgend etwas, was du nicht mitbekommen hast? Aber ich war noch mit den verrücktesten Vermutungen beschäftigt, da kam der Hammer! Der harmlose Spaziergang endete in einem Haus, das ich nicht kannte. Die Treppe hinauf, nein, kein Fahrstuhl – und dann roch ich das schon: Natürlich, ein weißer Mensch, dieses Mal mit langem, gelbem Fell auf dem Kopf. Ich habe mich wie eine Furie gebärdet, geschrien und gekratzt, daß die Fetzen flogen – dachte ich... Aber vermutlich sind die weißen Menschen so etwas gewöhnt. Jedenfalls ließ er mich nicht los, ich wurde also wieder einmal ins Bein gepiekt, und dann wollte er mich wohl in die Henkelhöhle setzen, aber da war ich schon drin! Das erste und einzige Mal, daß ich da freiwillig hineingegangen bin. Ihr könnt mir glauben, ich war so aufgeregt, daß ich überhaupt keine Ahnung hatte, wie ich wieder nach Hause kam. Natürlich habe ich auch die folgenden Tage in der Furcht verbracht, daß das nun so weiter geht. Aber nein, plötzlich war alles vorbei, alles schien wie früher, auch Auto fahren mußte ich nicht mehr. Na schön, dachte ich, es gibt eben Dinge, die passieren und gehen vorüber, das ist wohl bei den Menschen so. Die müssen immer irgend etwas tun – auch wenn es keinen Sinn ergibt. Aber da hatte ich dann wohl doch daneben gedacht, denn auf einmal geschahen Dinge, die ließen meine Katzenwelt endgültig aus den Fugen geraten. Es begann damit, daß meine Leute unordentlich wurden, ja, auch die beiden Großen! Plötzlich holten sie Sachen aus den Schränken, stapelten sie im Flur und blockierten damit meine Rennstrecke. Eine Hast, eine Aufregung breitete sich aus, sie traten sich gegenseitig auf die Füße und stellten Sachen wieder weg, die sie gerade erst herangeschleppt hatten, und mein Kratzbaum war völlig zugebaut. Am Ende krochen sie wie die Ameisen über Kästen und Taschen. In der Küche stand ein Becher Milch, den habe ich ausgetrunken, und ein Stück Käse fand ich auch. Es gab keinen Ärger, denn niemand hatte etwas gemerkt. Allerdings, ich muß sagen, geschmeckt hat es mir auch nicht – nicht unter diesen Umständen. Dann passierte etwas, damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Sie begannen, alles nach draußen zu tragen. Warum bloß, fragte ich mich, was soll das? Das hat doch schon immer irgendwo gestanden, warum muß das plötzlich raus? Und zu meinem größten Schrecken sah ich, daß sie auch meine Sachen, meinen Freßnapf, meine Wiese und mein Klo hinaus trugen. Damit war das Maß dann wohl voll! Ich saß in der Küche unter dem Tisch und befürchtete irgend etwas ganz Schlimmes. Die Wohnung wurde immer leerer, die Rennstrecke war wieder frei, der Kratzbaum auch, und ich saß wie eine Porzellankatze unter dem Küchentisch... Dann kam der Dieter und sammelte mich auf, ja, wirklich, ich war unfähig, irgendwie zu reagieren. Das nutzte er natürlich schamlos aus und – flutsch – war ich in der Henkelhöhle. Aha, dachte ich, darum also der ganze Aufwand. Bei Isis, das hätten sie einfacher haben können. Aber Denken ist Glücksache, besonders, wenn Menschen beteiligt sind. Der Fahrstuhl blieb mir erspart, der war mit den Sachen vollgestopft, die vorher in der Wohnung herumgestanden hatten. Über die Treppen ging es nach unten – mir kam wieder der weiße Mensch mit dem gelben Fell auf dem Kopf in den Sinn – und dann wurde ich mitsamt der Henkelhöhle irgendwie im Auto verstaut. Da entdeckte ich auch einiges, was mir bekannt vorkam: ein paar Grashalme von meiner Wiese und mein Lieblingsknetkissen. Neben mir saß Swantje und auf der anderen Seite Sven, und beide waren aufgeregt, und der Dieter hat gemeckert und Spätzlein hat bloß geguckt, da war er wieder still und dann fuhr das Auto los. Gesehen habe ich nichts, nur gespürt. Na gut, ich war ja inzwischen dank Dieters wochenlangen Bemühungen Auto fahren gewöhnt, aber als wir nach einer viertel Stunde immer noch fuhren, da wurde ich doch langsam nervös: Wenn der Dieter nun vergessen hat, wie man das Auto wieder anhält? In meiner Angst versuchte ich, den Kopf durch das Gitter der Henkelhöhlentür zu zwängen. Es gelang mir schließlich, und der Rest war  eine Kleinigkeit. Aber dann großes Geschrei: Mami, die Coco ist draußen – Halt sie fest! – Aua, die kratzt! – Dieter, halt mal an – Was? Hier auf der Autobahn? – Aua! – Mensch, Coco! – Komm‘ mal her – paß doch auf! – Nein, da nicht! – Wie ist die denn da raugekommen? – Wieso? – Natürlich hab‘ ich die Tür richtig zugemacht! Oh ja, es war richtig Stimmung. Balancierte ich auf der Rücklehne entlang, schwupp! hing ich dem Spätzlein am Hals; wollte ich von unten her zum Dieter, durfte ich nicht, habe ich mich an irgendwelchen Sachen festgekrallt, rutsch, gleich lagen sie unten und ich auch. Das absolute Chaos war angesagt, und

Seiten