Das Spiel der Prinzessinnen - Page 3

Bild von nigineoK@web.de
Bibliothek

Seiten

…“
Immerhin hatte ein wenn auch nur kurzes Wort ihren Mund verlassen. Auch die Aufforderung Platz zu nehmen schien auf entsprechende Gegenliebe gestoßen zu sein. Lenny füllte den Wasserkocher in der Küche, damit dieser in wenigen Minuten das gewünschte Ergebnis liefern konnte. Zwischenzeitlich wurde ein Tablett mit zwei Tassen samt Zuckerstreuer, zwei kleinen Löffeln und bereits angebrochener Kondensmilchdose bestückt.
„Was ist das?!“
Kritisch beäugte die Dame den vorsichtig mit ihren Fingern betasteten Beutel, der zuvor aus einem Glasschälchen entnommen worden war, das nachträglich auf den Wohnzimmertisch gestellt wurde.
„Etwa noch nie …? Schon gut, lass ihn einfach in die Tasse fallen, ich komme sofort wieder …“
Bereits vor seiner Rückkehr hatte sie den gut gemeinten Ratschlag in die Tat umgesetzt. Dampfend wurde das heiße Wasser in die beiden Gefäße gegossen, wo es sich anschließend langsam in Tee verwandelte.
„Geht es dir wieder besser?“
„Ja, der Tee erquickt meinen Körper.“
„Kannst du nicht einfach mal normal mit mir reden?!“
„Wie meinen? Ich bin schließlich eine Dame …“
Sichtlich gekränkt wandte sich Coco von ihm ab, die ihre Kopfbedeckung samt den Handschuhen offensichtlich im Wagen vergessen hatte. Lenny unternahm wiederholt den Versuch mit seinem Gegenüber ins Gespräch zu kommen, ihm gelang es allerdings nicht die Mauer des Schweigens erfolgreich zu durchbrechen.
„Ich möchte mich gerne zurückziehen.“
Laut dem analogen Zeitmesser an der Wand hinter dem Sofa war es auf die Minute genau siebzehn Uhr. Recht lange hatten sie also in der Zwischenzeit einfach nur stumm dagesessen. Sein vorausgegangenes Angebot, gemeinsam mit ihr etwas zu essen, lehnte der seltsame Gast postwendend ab.
„Gib mir fünf Minuten …“
Ohne zu zögern, räumte er in Windeseile das Schlafzimmer auf. Die Matratze wurde mit einem sauberen Laken versehen, Bettdecke und Kopfkissen bekamen frische Bezüge.
„Wenn du etwas brauchst, dann melde dich bitte.“
Völlig übermüdet legte sich Coco in das liebevoll vorbereitete Nest, nachdem die ausgezogenen Schuhe sorgfältig neben dem Fußende des Möbelstücks positioniert worden waren. Immer noch völlig überwältigt von den jüngsten Ereignissen, fiel die Dame binnen Sekunden in einen tiefen Schlaf.

Der Vollmond erleuchtete den gesamten Raum, denn es war versäumt worden die Jalousie am Fenster zu schließen. Vorsichtig öffneten sich zwei dunkelbraune Augen. Coco strich sich sofort eine störende Strähne ihres bis zur Taille reichenden schwarzen Haars aus dem Gesicht. Wie lange hatte sie eigentlich geschlafen? Draußen herrschte auffällige Stille, nur hin und wieder fuhr dort eines dieser beeindruckenden Gefährte vorbei. Das Haus musste ungefähr doppelt so hoch sein wie der königliche Palast. Lenny wohnte in der zweiten Etage, was sie allerdings bei ihrer gestrigen Ankunft nicht aufmerksam genug verfolgt hatte, zu sehr war die Dame mit sich selbst beschäftigt gewesen …
„Was ist das?“
Auf der anderen Straßenseite befand sich eine aus großen Bäumen bestehende Reihe. Direkt dahinter schien etwas in regelmäßigen Abständen aufzublinken. Neugierig bekleidete Coco ihre Füße, öffnete die Tür und stand kurz darauf mitten im Wohnzimmer. Lenny schlief dort laut schnarchend in einem Sessel. Da der seltsame Krug auf dem kleinen Tisch noch etwas Wasser beinhaltete, wurde damit das Gefäß gefüllt, aus dem sie am Vortag Tee getrunken hatte. Anschließend galt es eine nicht gerade stilvolle Treppe nach unten zu schreiten, die schmucklose Haustür aus Glas mit metallischer Rahmung zu öffnen und schließlich den am Gebäude entlangführenden Weg zu überqueren.
„Da drüben …“
Das mysteriöse Leuchten wurde immer intensiver. Am Ziel angekommen, entpuppte sich ein etwa armlanger funkelnder Edelstein als entsprechender Auslöser, der von irgendetwas viel Größerem abgebrochen zu sein schien. Kaum hatte Coco das Objekt vorsichtig berührt, hörte das Blinken auf.
„Schön, dass Ihr mich gefunden habt!“
Eine wohl vertraute Frauenstimme schien direkt aus dem Inneren des Fundes zu sprechen.
„Prinzessin Annabella!!! Wie seid Ihr bloß dort hinein …?!“
„Die Situation ist etwas komplizierter … Meine Dame, Ihr befindet Euch nämlich in einem besonderen Land und …“
„Ein Herr sagte mir, dass man hier bereits im Jahre 2021 leben würde …“
Langes Schweigen …
„Nun gut, wie dem auch sei … Ausland, Zukunft … Auf jeden Fall habt Ihr dort unten einen wichtigen Auftrag zu erledigen.“
„Dort unten?!“
„Ich bin nicht in diesem Stein … Es ist vielmehr wie eine Unterhaltung auf Distanz, aber mehr müsst Ihr gar nicht wissen … Über das gesamte Land verstreut gibt es noch mehr von diesen schwarzen Kostbarkeiten. Sie sind wie Sterne vom Himmel gefallen und Ihr könnt Euch dank deren Hilfe jederzeit mit mir unterhalten …“
Mittlerweile kniete Coco direkt neben dem Objekt, den Worten der Königstochter aufmerksam zuhörend.
„Ihr sagtet etwas von einem Auftrag?“
„So ist es … Findet die anderen Figuren, formt eine schlagkräftige Truppe und nehmt die goldene Dame gefangen!“
Wirklich aufregend das Ganze, denn bisher hatte Annabella sie immer nur als regungslose Figur auf einem Schachbrett von Feld zu Feld geschoben …
„Und was ist mit dem gegnerischen König?“
„Es gibt eine wichtige Regeländerung. Jene besagt, dass die Funktion der beiden Majestäten ab sofort meine ehrenwerte Schwester Elisabeth und ich übernehmen werden. Allerdings treten wir nicht persönlich in Erscheinung, weshalb Ihr und Eure Gegenspielerin vor Ort die Verantwortung zu tragen habt …“
Diese Variante des Schachspiels war ihr nicht geläufig, auch hatte sie noch nie zuvor davon gehört.
„Wo haltet Ihr Euch denn eigentlich gerade auf?“
„Dies soll Eure Sorge nicht sein!“
„Sehr wohl meine Gebieterin, aber wie finde ich denn unsere Kameraden?“
„Sie sind viel zu klein, um von mir … Will sagen, Ihr werdet Euch wohl auf die Suche begeben müssen!“
Höflich verabschiedete sich Coco von der Prinzessin und ging zurück zum Haus. Da die Tür verschlossen war, blieb ihr nichts anderes übrig als den Namen des Gastgebers lauthals in die Nacht zu rufen. Nachdem gleich mehrere Fenster geöffnet wurden, taten die entsprechenden Bewohner ihren Ärger kund, weshalb sie Lenny schnellstmöglich ins Gebäude ließ. Immer noch im Halbschlaf verweilend, legte er sich anschließend wieder hin, während Coco im Schlafzimmer verschwand, um dort intensiv über das Erlebte nachzudenken.

„Konntest du nach deinem nächtlichen Ausflug eigentlich wieder einschlafen?“
„Warum fragt Ihr? Ich fühle mich voller Tatendrang!“
„Möchtest du nachher vielleicht zuerst ins Badezimmer?“
„Warum sollte ich das tun?“
„Um dich zu waschen?!“
Der große Vorteil einer Schachfigur war es, immer unverändert zu bleiben ... So wurde beispielsweise die Kleidung niemals schmutzig oder nutzte sich ab. Ähnlich verhielt es sich mit Haut, Haaren und Finger- sowie Fußnägeln, welche keinerlei Pflege bedurften. Nahrung konnte aufgenommen

Seiten

Interne Verweise