Das Spiel der Prinzessinnen - Page 4

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werden, zumal alle Sinne einwandfrei funktionierten, doch eine Verdauung existierte nicht …
„Schaut her!“
Statt Lenny gegenüber komplizierte Erklärungen abzugeben, versuchte sie es mit praktischen Beispielen. Auf dem reichlich gedeckten Frühstückstisch befand sich ein kleines gläsernes Gefäß mit fruchthaltigem Brotaufstrich. Coco nahm ein Messer, tunkte es in die Marmelade und beschmierte damit ihr Kleid. Sobald der Stoff berührt wurde, begann ein Abwehrmechanismus zu wirken, der die Flecken binnen Sekunden verschwinden ließ. In ihrem Gesicht geschah nach ähnlichem aber behutsamerem Vorgehen dasselbe.
„Wow!“
„Hat sich damit Euer Anliegen erledigt?“
Diese Frau war einfach unglaublich, sprach wie jemand aus der Vergangenheit, schien aber offensichtlich aus einer höher entwickelten Gesellschaft zu stammen.
„Ich bin gerade völlig sprachlos …“
„So erging es mir am gestrigen Tage!“
Genüsslich ließ sich Coco mehrere Brötchen schmecken und trank dazu Tee, denn jenes schwarze von ihrem Gastgeber zu sich genommene Getränk war ihr bis dato völlig unbekannt gewesen, von dem gewöhnungsbedürftigen Geruch einmal ganz zu schweigen.
„Ihr möchtet mich heute bitte zu einem Reitstall fahren.“
„Typisch Frau … Ähm … Ok, ich habe schließlich Urlaub und …“
„Soll ich Euch etwa doch meinen Ring schenken müssen?“
„Nein, nein … Du bist mein Gast, gerne können wir nachher zu einem Ponyhof fahren …“
Was tat er da eigentlich gerade? Vielleicht war das Ganze ja nur ein märchenhafter Traum oder ging etwa seine Phantasie mit ihm durch? Ein freakiger Alien in Gestalt der wohl hübschesten Frau, die er jemals persönlich kennenlernen durfte …
„Du hast mir übrigens immer noch nicht gesagt, wo dein Zuhause ist.“
„So langweilt mich bitte nicht … Ich wohne im königlichen Palast, doch dieser scheint offensichtlich sehr weit weg zu sein …“
Lenny beschloss die unbefriedigende Antwort einfach so stehen zu lassen und das Beste aus der Situation zu machen, denn immerhin handelte es sich bei seinem Gegenüber um eine äußerst interessante Person …

„Pferde, was gedachtest du denn sonst hier zu sehen?!“
Bereits seit Stunden fuhren die beiden umher, was in der Summe drei Höfe ausmachte. Auch Nummer vier schien nicht Cocos Erwartungen zu entsprechen. Sie suchte etwas Bestimmtes, verriet aber leider nicht, worum es sich handelte.
„Bringt mich doch bitte wieder zurück in Euer bescheidenes Quartier.“
„Bei diesem schönen Wetter möchte ich mich aber lieber draußen aufhalten. Lass uns doch irgendwo ein Eis essen.“
„Wie meinen?“
„Schon gut, es wird dir auf jeden Fall schmecken …“
Als sehr ländlich konnte diese Gegend bezeichnet werden, überall nur Wiesen und Felder, vereinzelnd ein paar Büsche, Bäume waren so gut wie nicht zu sehen. Aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Restaurant auf. Lenny hielt an, um mit seinem Gast auf der entsprechenden Außenterrasse Platz zu nehmen. Da sie die einzigen Besucher waren, konnte unmittelbar nach der Ankunft bestellt werden.
„Magst du Erdbeeren?“
„Selbstverständlich!“
Bevor er sich selbst mit einem Schokobecher bedachte, wurden gleich drei Kugeln des entsprechenden Eises von ihm bestellt. Kritisch beäugte sie beim Eintreffen der Köstlichkeit das nett hergerichtete Schälchen ...
„Was ist …?“
„So eine Art gefrorene Creme aus Milch, Zucker und Erdbeeren …“
Coco schmeckte die exotische Süßspeise ausgesprochen gut, woraufhin ihr Begleitung weitere Sorten ordern musste, allerdings nur jeweils ein Bällchen.
„Dort drüben scheint es aber jemand eilig zu haben.“
Seit Wochen hatte es in dieser Gegend nicht mehr geregnet. Gepaart mit den angenehmen Temperaturen fühlte sich der diesjährige Frühling somit ausgesprochen gut an, doch entsprechend trocken waren die Straßen, was den Staub erklärte, der gerade von einem sich ihnen nährenden Etwas aufgewirbelt wurde.
„Wer zum Teufel …?“
Silberschwarz, exakt gleichfarbig wie die Kleidung der Dame. Auf einem braunen Pferd reitend … Coco sprang auf, was beinahe den Tisch zu Fall gebracht hätte, stellte sich an das vordere Ende der Außenterrasse und legte ihre Hände seitlich auf die Hüften, wodurch beide Arme wie Henkel in Erscheinung traten. Der Reiter mit den schulterlangen schwarzen Haaren hielt derweil unmittelbar vor den Stufen des Restaurants.
„Meine Dame, welch glückliche Fügung …“
„Lieber Springer, Eure Ankunft macht mich gerade ausgesprochen glücklich!“
Lenny blieb wie angewurzelt sitzen und fuhr verlegen mit den Händen durch die kurzen roten Haare. Sein Gast wendete sich ihm derweil ein letztes Mal zu.
„Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet, doch jetzt ist der Zeitpunkt unseres Abschieds gekommen. Lebt wohl!“
Tränenflüssigkeit füllte die grünen Augen des Mannes, was bis dato äußerst selten geschah. Dann musste er mitansehen, wie die fremde Person Coco aufs Pferd half, um mit ihr im Anschluss davonzugaloppieren.
„Schneller!“
Sie umklammerte den Reiter, schmiegte sich dabei eng an seinen Rücken und genoss ein unbeschreibliches Gefühl von grenzenloser Freiheit. Die abenteuerliche Reise führte zurück in die Zivilisation, direkt Richtung Stadt, wo auch Lenny wohnte. Inmitten eines Parks, der von zum Teil höheren Gebäuden umgeben war, wurde eine vor allem für das Tier längst überfällige Pause eingelegt.
„Ich vermisse mein mir gut vertrautes Pferd, doch dieses Exemplar scheint ebenfalls allen Ansprüchen gerecht zu werden.“
„Wie konntet Ihr mich finden?“
„Reiner Zufall meine Dame.“
„Coco!“
„Wie meinen?“
Einen Namen zu tragen fühlte sich ausgesprochen gut an, weshalb Coco nicht nur wünschte ab sofort entsprechend genannt zu werden, sondern …
„Giesbert … So soll man Euch nennen!“
„Hat dies Eure Majestät der König verfügt?“
„Ich habe hier das Sagen, also fügt Euch bitte tunlichst meinen Anweisungen!“
Immerhin zu zweit, konnte bereits konkret mit der Planung begonnen werden. Worum es genau ging musste dem Springer nicht tiefergehend erläutert werden, denn eine jede Schachfigur wusste um ihr Schicksal und hatte lediglich zu funktionieren. Sich von der Dame kommandieren zu lassen stellte offensichtlich ebenfalls kein größeres Problem dar.
„Wir benötigen unbedingt eine Herberge!“
Giesbert hatte eine Idee. Statt diese aber zu offenbaren, bat er Coco darum, gemeinsam mit ihm weiterzureiten … Mitten in der Stadt befand sich ein kleines Wäldchen und genau dort führte er sie hin. Umgeben von einer zwei Meter hohen Mauer aus mit Pflanzen überwucherten ehemals weißen Steinen, lag ziemlich genau im Zentrum des ungepflegten Gehölzes die verwaiste Villa eines insolventen Adligen.
„Voilà!“
„Ihr gewinnt heuer zunehmend meine Anerkennung!“
Das schmiedeeiserne Tor ließ sich problemlos überwinden, zumal es nicht mit einem Schloss versehen war. Nach etwa zwanzig Metern standen die beiden vor dem dreistöckigen Gebäude, an dem alle Fenster mit Holzbrettern vernagelt worden waren. Mehrere Stufen führten hinauf zur Haustür, die sich allerdings nicht öffnen ließ.
„Seht doch …“
Eilig lief der Springer zu dem kistenähnlichen Objekt, verschlossen dank einer zweigeteilten Klappe aus Metall und sich etwa drei Meter

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