Beyond the veil: Das Auge des Milikles - Page 4

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Speerträgern, die mit leichten Schilden und nur zum Teil mit dünnen Schuppenpanzern ausgestattet waren, die allenfalls Dolchstöße abhalten konnten, da konnten die beiden eigenen Krieger schon von Vorteil sein, falls es eng wurde. Zudem besaß der kompakt gebaute Achillas medizinische Kenntnisse, während der zierliche Harmodios nicht nur kriegerische Qualitäten aufwies- der war allerdings ein Spezialfall, aber darauf kommen wir später zurück.
„Bei den Göttern, dieser Barbarenkönig hat doch nicht mehr alle Latten auf dem Zaun. ‚Das Auge des Milikles‘, absurd!“
Der vierschrötige Ephialtes spukte verächtlich auf die Planken.
„Zumindest zahlt der einfältige Barbar gut!“
Achillas warf dem in unbrüderlicher Liebe verbundenen Harmodios einen verschwörerischen Blick zu, den dieser mit einem koketten Augenaufschlag in seiner femininen Art erwiderte.
„Dieser gekrönte Zyklop ist nicht schwachsinnig, sondern komplett geistesgestört. Außerdem, Achillas, bezahlt der uns in der Weise, wie Dionlaris seinem Lebensretter Dankbarkeit erwies!“
Alkastos spielte hier auf eine Anekdote aus dem Leben des berüchtigten Tyrannen Dionlaris von Syramos an. Dem wurde durch einer seiner Soldaten während einer Schlacht das Leben gerettet. In einem ersten Anflug von Erleichterung versprach der Alleinherrscher seinen Lebensretter so zu belohnen, wie er es verdiente und niemals sein Blut zu vergießen. Freudig fragte nun der Bewahrer unwürdigen Lebens einen Weisen, was er nun fordern oder machen sollte. Der riet ihm, so weit zu fliehen, wie er vermochte und sich ein gutes Versteck zu suchen. Der Soldat schlug den Rat in den Wind und wurde von dem ebenso für seine Hinterlist wie auch für seine charakterliche Flexibilität bekannten Autokraten, der seinen Untertanen als Inkarnation der eigenen Schwäche nicht leben lassen wollte, durch die Garotte hingerichtet. So bekam der Lebensretter des Tyrannen, das, was er verdiente und sein Blut wurde schließlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht vergossen.
„Außerdem ist eine Tour durch die Säulen des Memnon eine harte Nummer. Der Nauarch und ich haben das schon einmal gemacht und sind dabei fast draufgegangen. Damals aber hatten wir eine erfahrene, eingespielte Mannschaft. Die stinkenden Barbaren mögen ja so stark wie Ochsen sein und ausgezeichnete Feldsklaven abgeben, aber sonst traue ich denen nicht viel zu.“
Wieder ließ Ephialtes seine Körperflüssigkeit das Deck benetzen.
„Vielleicht kann man ja mit den Barbaren reden? Denen muss doch auch klar sein, dass man sie auf eine Reise ohne Wiederkehr schickt?“
Nikias Stimme drückte einen gewissen Anflug von Panik aus.
„Die sind ihrem Herrn in hündischer Treue ergeben. Außerdem ist da noch ihr Hauptmann, den man auch nicht unterschätzen sollte. Wir sollten uns zunächst fügen und auf eine günstige Gelegenheit warten, um abzuhauen!“
Mit Ausnahme des Ephialtes nickte die Besatzung zustimmend zu den Worten des Kapitäns.
„Mit dem Barbarenpack kann man sowieso nicht reden. Obwohl ich lydonisch einigermaßen kann, verstehe ich das Kauderwelsch von denen nicht. Wir sollten die ganze Bagage bei der nächsten Gelegenheit erledigen, am besten mit Gift. Zumindest sollten wir der Schlange den Kopf abhacken und uns dieses Typen entledigen!“
Ephialtes hob sein Haupt in Richtung des Reptilienkopfes, der sich hochmütig lächelnd der Gruppe näherte.
„Vorsicht, der kann uns hören!“
Nikias ängstliche Bemerkung löste bei dem Schlangentöter nur ein kurzes, trockenes Lachen aus.
„Der versteht sowieso nur lydonisch! Ich habe das selbst getestet, indem ich ihn freundlich lächelnd einen ‚stinkenden Lydonenarsch‘ nannte. Der hat mich nur blöde angegrinst und mir auf die Schulter geklopft. Stimmts, Du Sohn einer Hurenmutter?“
Pharnabessos grinste noch eine Spur breiter, während er langsam auf die Gruppe zuging.
Mit einem Male überkam Alkastos das Gefühl, dass hier gewaltig etwas nicht stimmte. Obwohl rein rational gesehen, er eigentlich Ephialtes zustimmen musste, da auch die bisherige Kommunikation mit dem Kommandanten der Palastwache ausschließlich in lydonisch stattgefunden hatte, wusste der Nauarch mit einem Male Bescheid. Diese Art von Eingebungen überkamen ihn des Öfteren und halfen ihm in mancherlei Hinsicht, so wenn er beispielsweise nach einem Sturm wieder nach dem richtigen Kurs suchte oder es galt, einen Betrüger zu entlarven; Alkastos selbst schob das auf eine überragende Intuition.
„Der versteht jedes verdammte Wort, das wir sagen!“
„Ooops, Du hast mich erwischt Danaer. Aber das ist jetzt auch egal, ich habe von Deinen Leuten sowieso erfahren, was ich wissen musste. Übrigens befahl ich gerade meinen Kriegsknechten, euch alle in die Unterwelt zu schicken, falls mir irgendetwas geschehen sollte, wie beispielsweise ein bedauerlicher Unfall. Solltet ihr auf die Idee kommen, mir eure ‚Gastfreundschaft‘ aufzwingen zu wollen, so haben meine treuen Sklaven die Order, euch ohne Rücksicht auf mich weiterzubefördern in eine bessere Welt. Die stammen allesamt aus Niederlydonien und sind zwar nicht die Hellsten, aber loyal und tapfer. Übrigens sprechen die Leute dort einen ganz merkwürdigen Dialekt, fast wie eine eigene Sprache und es dürfte für euch ziemlich schwierig sein, sich bei denen verständlich zu machen. Ihr solltet also gut auf mich aufpassen. Meine Männer werden übrigens auch gut auf euch achten, dass keiner versehentlich abhandenkommt oder das Essen mit den falschen Zutaten versetzt wird.“
Die in feinsten Danaeisch gesagten Worte verursachten bei der Mannschaft eine gewisse Sprachlosigkeit, von der sich natürlich als erster der Kapitän erholte.
„Du hast Dich klar ausgedrückt Lydonier. Wie wäre es, wenn Du mir jetzt die Karte aushändigen würdest, von der Dein König so vollmundig redete. Schließlich sollte ich ja wissen, welchen Kurs ich einschlagen soll!“
Pharnabessos lachte kurz höhnisch auf und schüttelte sein Haupt.
„Das könnte Dir so passen Danaer! Das Einzige, was Du wissen musst, ist, dass wenn wir die Säulen des Memnon passiert haben, an der pontischen Küste Richtung Osten reisen müssen. Alles weitere erfährst Du zum gegebenen Zeitpunkt. Wenn Du mit Deinen Männern alles Notwendige besprochen hast, sollten wir ablegen. Ansonsten lausche ich gerne eurer Konversation, mein Danaeisch ist schon arg verbesserungswürdig.“
„Nein, es gibt wohl nichts mehr für den Moment, wir können in See stechen.“
„Dann ist es ja gut, also los! Zum Ruhme unseres gnadenreichen Königs und der Ehre Lydoniens!“
Schon halb abgewandt, drehte sich der treue Kommandant des royalen Sadisten mit einem Male zu Ephialtes, diesem freundlich ins Gesicht lächelnd.
„Ach, das hätte ich fast vergessen. Wenn Du Sohn einer stinkenden Sau noch einmal wagst, mich auch nur schief anzusehen, schneide ich Dir persönlich die Eier ab und gib sie Dir zu fressen!“

*

Wider Erwarten entpuppten sich die Lydonen als passable Ruderer, die nach einiger Zeit unter Absingen eigener Gesänge einen soliden Rudertakt fanden.

Sollte eigentlich ne Kurzgeschichte werden, aber Inspiration und die Götter haben anderes beschlossen.
Allen einen schönen Pfingstmontag und bleibt gesund!
LG
JU

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