Der freie Wille - Page 2

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genau und an wen weiß ich allerdings noch nicht.“
Die beiden Frauen begannen daraufhin lauthals zu lachen. Phantasie schien Ludo ja zu haben, aber damit sollte er trotzdem nicht durchkommen.
„Jetzt pass mal auf, du Spaßvogel. Ich habe dir gerade deinen Arsch gerettet, weil ich sehr gut weiß, wie unangenehm ein Besuch auf der Polizeiwache sein kann. Da reicht es schon vollkommen aus als Kopftuchträgerin keinen Personalausweis dabeizuhaben …“
Minea fiel ihr ins Wort.
„Bevor wir ihn verurteilen, überprüfe ich jetzt erst einmal diese zugegeben recht unterhaltsame Geschichte.“
Ludo nannte Fernsehsender, Uhrzeit und Name der Nachrichtensendung. Minea sah sich das Ganze daraufhin per Smartphone an, nachdem sie in der entsprechenden Onlinemediathek fündig geworden war. Tatsächlich gab es einen Beitrag über Neuerungen beim Führerscheinerwerb und die besagte Fahrschule samt Kanaldeckel wurde eingeblendet. Auch diverse Schmuckstücke, darunter ein goldener Ring mit grünem Muster, sollte Bestandteil eines weiteren Beitrags sein. Nur die mutmaßlichen Botschaften des Nachrichtensprechers ließen auch nach dem Ende der Sendung noch auf sich warten.
„Also, ich halte fest: Es gibt eine überprüfbare Basis deiner Geschichte. Allerdings scheinst du, wenn wir dir schon glauben sollen, die entscheidenden Aussagen hinzugedichtet zu haben. Aber jetzt die Frage aller Fragen: Wenn dieser Ring angeblich so wichtig ist, warum holt der Nachrichtensprecher ihn dann nicht selbst zur besagten Zeit aus dem Abwasserkanal?“
Seyma schien von dem Kurzvortrag beeindruckt zu sein, doch für eine Frau war diese Minea allerdings ziemlich verkopft. Von den schulterlangen roten Haaren einmal abgesehen, wurden typisch weibliche Merkmale bei ihr nicht gerade hervorgehoben. So hätte beispielsweise auch ein Mann in ihren Kleidungsstücken herumlaufen können. Andererseits schien es unter dem Stoff schon gut ausgeprägte weibliche Rundungen zu geben. Spuren von Schminke in dem stark sommersprossigen Gesicht suchte man vergebens.
„Ich habe echt keine Zeit für Detektivspiele. Gib mir jetzt endlich die Kohle und es war trotz alledem nett euch kennengelernt zu haben. Auf jeden Fall, was die eine Hälfte betrifft.“
„Also Seyma, wenn dies hier keine folgenreiche Begegnung ist, dann weiß ich wirklich nicht, was wir heutzutage noch unter Schicksal verstehen sollen.“
Warum bloß machte es ihr Minea in diesem Moment so schwer zu gehen?
„Sollen wir jetzt etwa noch gemeinsam einen Kaffee trinken oder was?“
„Diese Idee hätte auch von mir stammen können. Kommt, ich lade euch ein und das Geld für deine kaputte Halskette treiben wir auch noch irgendwie auf.“
Minea und Ludo waren, jeder auf seine Art, so unglaublich anders als der Mainstream ...
Als bekennender emotionaler Mensch rief Seyma erst einmal ihren Fahrschullehrer an und sagte die für 17:00 Uhr geplante Praxisstunde ab, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Im Anschluss verschwanden die drei Jugendlichen in einem Café und gönnten sich warme Getränke. Ludo schwieg jedoch. Niedergeschlagen rührte er in seinem Kakao herum und suchte wenige Minuten später die Toilette auf.
„Jetzt mal ehrlich Minea, der Typ ist doch ein Psycho.“
„Warum? Nur weil sein Bild von der Realität ein anderes ist als deins?“
Es gab wohl keinen Zweifel mehr, denn die Anzahl offensichtlich gestörter Menschen in ihrer Gegenwart hatte sich gerade verdoppelt.
„Außerdem ist die Mission noch nicht erfüllt. Zugegeben, dein Ring ist wohl nicht das mutmaßliche Schmuckstück aus der Nachrichtensendung, aber wir kommen wenigstens nicht mit leeren Händen zum Friedhof.“
Spätestens jetzt war sich Seyma ganz sicher hier nichts mehr verloren zu haben.
„Ich gehe doch nicht heute um Mitternacht mit euch beiden Knallern zum … Denk nicht mal daran!“
Verärgert stand sie auf und verließ ohne ein Wort zu sagen das Café.
„Warum ist sie denn schon gegangen?“
Minea freute sich über Ludos Rückkehr.
„Keine Angst, ich habe ihre Handynummer. Blöd, dass selbst wir jungen Leute es einfach nicht lernen, die Bluetoothfunktion unserer Smartphones zu deaktivieren …“
Er verstand kein Wort.
„So, jetzt aber zurück zu dir. Wo ist dein Zuhause? Außenwohngruppe oder vielleicht doch eher die Offene mit Freigang?“
Sein eher blasses Gesicht wurde immer rötlicher, umrahmt von natürlich gewachsenen blonden Locken, die mal wieder ein wenig Shampoo vertragen konnten. Wenigstens sonderte der hagere Körper keine unangenehmen Gerüche ab. Auf den tiefblauen Augen bildete sich langsam ein durchsichtiger Film, doch Ludo bewahrte die Fassung.
„Ich hatte in der Vergangenheit wirklich schon einmal Halluzinationen, aber dank Medikamente ist das eigentlich seit längerer Zeit kein Thema mehr. Falls du mir nicht glaubst, können wir ja gerne zu mir gehen ...“
Minea ließ sich dies nicht zweimal sagen. Sie bezahlte alle drei Getränke und machte sich mit Ludo auf einen circa zwanzigminütigen Fußweg. Derweil schüttete er ihr sein Herz aus. Vater unbekannt. Bis vor kurzem bei der alleinerziehenden Mutter gelebt, wo seine jüngere Schwester immer noch wohnte. Falsche Freunde, illegale Drogen, Psychose, Überforderung der Mutter, Jugendamt, Wohngruppe …
„Dagegen ist mein bisheriges Leben echt langweilig.“
„Du möchtest nicht wirklich mit mir tauschen ... “

Tagsüber fungierte das Bett auf dem sie gerade saßen, dank eines blauen Überwurfes, als improvisiertes Sofa. Die Einrichtung des Zimmers schien genormt zu sein. Schrank, Tisch, Stuhl, Schreibtisch mit Lampe …
„Die Dosierung deiner Medikamente ist wirklich in Ordnung?“
„Ich weiß mit Sicherheit am besten, wenn mit mir etwas nicht stimmt!“
Minea kam näher und legte ihm freundschaftlich den Arm um die Schulter.
„Sorry, ich habe es nicht so mit Taktgefühl und weiblicher Empathie …“
„Kein Problem. Hauptsache, da ist mal jemand in meiner Bude, der nicht hier wohnt.“
Er lächelte sie an und seine Geste wurde von ihr entsprechend erwidert.
„Ich Idiotin! Kannst du deine Schwester erreichen?! Wir müssen unbedingt wissen wie es ihr geht und wo sie sich gerade aufhält!“
Ängstlich sprang Ludo auf und nahm sein Smartphone in die Hand. Nach mehreren Versuchen erreichte er schließlich Lisa zu Hause bei ihrer ebenfalls anwesenden Mutter. Auf keinen Fall sollte das Mädchen heute noch einmal das Haus verlassen und falls es an der Tür läutete, war vor dem Öffnen der große Bruder zu benachrichtigen.

„WER ist da?!“
Seyma ärgerte sich darüber, ihr Handy nicht ausgeschaltet zu haben. Es war 22:33 Uhr und sie kam gerade einmal auf fünf Minuten Schlaf in dieser noch jungen Nacht. Die Wirkung des Anrufes schien jetzt allerdings belebender zu sein als der Koffeingehalt einer vollen Colaflasche.
„Minea?! Woher hast du meine Nummer?!“
Scheinbar ohne jegliches Schuldgefühl, erklärte ihr die Anruferin detailliert, wie man per Bluetooth ein Smartphone hackt. Außerdem sollte sie sich doch bitte in einer Stunde am Zentralfriedhof einfinden und den kleinen

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