Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 20

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Bedingung, daß Justine ihrerseits von ihm 100.000 Francs auf Wechsel nähme, und er zwang sie auch, das Papier in die Tasche zu stecken. »Heben Sie sich diese Summe auf, teure Nichte,« sagte Saint-Florent, »sie ist ein schwacher Dank für die großen Dienste, die sie mir geleistet haben. Glauben Sie mir, daß ich Sie in Ihrem Leben nicht weder verlassen will.«

Sie speisten zu Mittag und Justine verfiel bald, ohne zu wollen, in unruhige Träumereien, die die Heiterkeit ihrer Züge zerstörten. Als sie Saint-Florent um den Grund fragte, wollte sie ihm ohne eine Erklärung das Geld wieder zurückgeben. »Mein Herr,« sagte sie zu ihrem Onkel, »ich habe nicht so viel Dankbarkeit verdient, und mein Zartgefühl erlaubt mir nicht, ein so beträchtliches Geschenk anzunehmen.« Aber Saint-Florent ließ es nicht an Ueberredungskünsten fehlen und das Geld glitt wieder in die Tasche, ohne daß die Befürchtungen Justines einen Augenblick nachgelassen hätten. Um sie zu zerstreuen, tat Saint-Florent so, als ob er sie nicht bemerken würde und bat Justine, ihm ihre Abenteuer zu erzählen. Das tat sie gerne und als sie mit ihrer Erzählung zu Ende war, ließ sie ihren Onkel merken, daß sie ungerne nach Paris zurückkehre. »Nun,« erwiderte der Kaufmann,[46] »dem kann abgeholfen werden. Eine Verwandte von mir wohnt hier im der Nähe und diese wollen wir aufsuchen. Ich werde Sie ihr vorstellen und sie bitten, Sie bei sich zu behalten, bis ich Zeit habe, mich selbst mit Ihnen zu befassen. Es ist die anständigste Frau der Welt, und Sie werden bei ihr aufgehoben sein wie bei einer Mutter. Sie bewohnt ein reizendes Landhaus in der Nähe von Bondi. Es ist spät und schönes Wetter. Sind Sie aufgelegt, zu gehen?« – »Ja, mein Herr.« – »Dann brechen wir auf, Justine; jede Verzögerung die der Beweis, den ich Ihnen vom meiner Dankbarkeit geben will, erleidet, wird zur Qual für mich.« – »O, mein Onkel,« erwiderte Justine unter Tränen und warf sich gerührt in die Arme Saint-Florents, »wie zart Ihre Seele ist und wie gut ich sie verstehe!« Während des rührenden Vorganges zitterte der Schuft vor Geilheit unter den Liebkosungen der Unschuld.

Es war ungefähr 4 Uhr nachmittags, als sie aufbrachen. Bald begannen die Schatten der Nacht im Walde jene Art religiösem Schreckens zu verbreiten, der in furchtsamen Herzen Angst, in harten aber Lust zu Grausamkeiten erweckt. Unsere Wanderer benützten nur Fußwege. Justine ging voraus. Da drehte sie sich einmal mit der Frage um, ob diese verlassenen Wege wirklich die richtigen seien und ob sie bald ankämen, als gerade die Geilheit des wollüstigen Kaufmannes ihren Gipfel erreicht hatte. Es war Nacht und die Stille des Waldes, sowie die Alles einhüllende Dunkelheit erweckten in ihm Begierden wieder, die er endlich befriedigen konnte. Er konnte sich nicht länger halten. »Schockschwerenot,« sagte er zu seiner Nichte, »hier muß ich dich ficken. Ich bin schon zu lange auf dich geil, du Hure, ich muß endlich entladen.« Damit ergriff er sie bei den Schultern, so daß sie das Gleichgewicht verlor. Die Unglückliche stieß einen Schrei aus. »Ah, du Hure!« rief Saint-Florent wütend aus, »hoffe nicht, daß ich dir die Möglichkeit lasse, daß man dich schreien hört!« Und bei diesen Worten warf er sie vollends auf die Erde und versetzte ihr einem so heftigen Schlag mit dem Stocke, daß sie bewußtlos unter einen Baum hinfiel. Alle Götter blieben stumm. Ja, man hätte sagen können, daß sie diesen verbrecherischen Anschlag auf Scham und Unschuld begünstigten, so lautlos umfing die Stille der Nacht das Verbrechen.

Nun er Herr über Justine war, schürzte Saint-Florent ihr die Röcke auf, zog ein riesiges von Wollust und Wut gesteiftes Glied heraus, beugte sich über sein Opfer, spreizte ihm die Schenkel auseinander und versenkte in ungeheurer Raserei seine Lanze in jene zarten Blüten, die nur als Preis der Liebe geschaffen zu sein schienen. Seine Anstrengungen wurden von Erfolg gekrönt: Justine war entjungfert. Das Blut floß und ein kräftiger Samenerguß befriedigte die Wollust des geilen Bockes, der nur bedauerte, daß das eben begangene Verbrechen nicht ein Jahrhundert lang gewährt habe. Er entfernte sich, aber nach zehn Schritten enflammten seine Sinne aufs Neue. Er empfand jene sonderbaren Gewissenbisse, die in der Seele des Verbrechers wach[47] werden, wenn ihm einfällt, daß er die beabsichtigte Missetat nur zur Hälfte begangen hat. Er erinnerte sich, daß er in den Taschen Justines die 100.000 Francs gelassen habe. Die mußte er wieder haben. Aber Justine saß auf ihren Taschen und man konnte sie nicht berauben, ohne ihren Körper umzudrehen. Himmel! Welche neue Reize boten sich trotz der Finsternis den heißen Blicken des blutschänderischen Saint-Florent dar! »Wie,« sagte er zu sich, indem er den wundervollen Popo betrachtete, der ihn von allem Anfang an so lebhaft aufgeregt hatte, »wie, das habe ich vernachlässigen können! Niederträchtige Weichherzigkeit! Auf, ficken wir diesen göttlichen Hintern, der mir hundertmal mehr Vergnügen verspricht, als ihr vorderes Loch. Hinein, und wenn er in Fetzen geht! Nur kein Mitleid!« Da er vollkommen Herr über den leblosen Körper Justines war, konnte er sie leicht in die Lage bringen, die zu seinem Vorhaben nötig war. Als er das niedliche Loch sah, wurde er durch den Größenunterschied heftig aufgeregt. Ohne es zu befeuchten, begann er sein Glied hineinzustecken und arbeitete eine halbe Stunde lang darin umher. Er wäre vielleicht noch darin, wenn nicht die Natur bei aller Begünstigung seinem Vergnügen ein Ende gesetzt hätte.

Schließlich entfernte sich der Schuft, indem er das unglückliche Opfer seiner Wollust ohne Hilfe, ohne Ehre und fast ohne Leben am Boden liegend zurückließ.

So siehst du aus, o Mensch, wenn Du nur deinen Leidenschaften gehorchst!

Als Justine wieder zu sich kam und den Zustand sah, in den sie versetzt war, wollte sie ihrem Leben ein Ende machen. »Das Ungeheuer!« rief sie aus, »was habe ich ihm getan? Ich rettete ihm das Leben, gab ihm sein Vermögen zurück und er entriß mir das Kostbarste, was ich besaß. Die Tiger im Urwalde können nicht grausamer sein!« Diese Ausbrüche des Schmerzes wichen bald einer tiefen Niedergeschlagenheit und unwillkürlich richtete Justine ihre schönen, betränten Augen gegen den Himmel. Dieses klare, besternte Gewölbe, die Stille der Nacht, der Gegensatz des Friedens in der

Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906

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Kommentare

01. Jan 2018

ICH darf das leider ja nicht lesen -
Sonst ha(u)t mich Krause! Mit dem Besen ...

LG Axel

02. Jan 2018

Das las ich bereits mit knapp dreizehn Jahren ganz "allein zu Hause".
Zum Glück gab 's bei uns keinen Besen wie die Bertha Krause.

LG Annelie

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