Senryu ✓ Gedichte, Erklärung und Aufbau
Lasst uns jetzt lachen.
Du und ich in Harmonie,
bevor…
Ein und aus, ewig
sollst du atmen, ein und aus.
Sollst…
Tränen in der Nacht
vergessene Melodie
begleitet den…
Gen-Abhängigkeit?
Befreie dich durch Wissen!
Selbst…
Dans une bouteille grise
Une très vieille lettre jaunie…
Freiheit als Atem
einer dürstenden Seele
spendet neue…
Les ich die Zeitung
wird mein Kragen eng und platzt.
…
Ein Fernsehabend
flimmert in meine Seele.
Albtraum…
Trag ich, was m a n trägt?
Oder such' ich, was mir steht?…
Solidarität
als Religionsersatz.
Wird Gott lebendig?…
Omran (5) -
geborgen
aus Trümmern
Nenn es Hilfseinsatz,
nenn es Abenteuer pur.
Nenn es…
Es gibt noch Hoffnung.
Solange es Träume gibt,
für…
Tao umfängt mich.
Der Fluss trägt das Blatt. Wohin?
…
Innere Freiheit
ist ein Gipfelerlebnis.
Hilft dir…
Sonntag -
Verschnaufen ...
nach dem langen Marsch…
Dürre im Gesicht,
hältst die leeren Hände hin.
Frost…
Haiku und Senryu geschüttelt
Oft tun Gestalten kund:
…
Nur der Moment zählt,
Vergangenheit und Zukunft
…
Mein Tanz mit Worten
hebt mich vom Boden ins All.
Ich…
am himmel blutrot
schickst du nachricht zur erde
die…
Innere Landschaft
nun bist du in Licht getaucht.
Hab…
Du Himmelstürmer
greifst nach der Unendlichkeit.
Alles…
Лишь на трёх струнах
Звучания балалайки
и русской души…
Ich trudel durchs Feld,
find keinen Halt im Zweifel.
…
So fern die Heimat,
der Krieg – wir bleiben, wollen
…
Wenn Angst das Licht schluckt,
die Sonne plötzlich Schwarz…
Wer Schwerter schmiedet
sollte sorgsam bedenken
wem er…
Ferner Kontinent,
Uns Sorgt Alles, was du tust.
Wir…
die dort haben’s noch
lachen im halse und bauch
werden…
Gleiten weiß auf blau
aus den Wolken getropft
sanft…
Luftchampagnerquell
dringst in meine Zellen ein.
…
Die wahre Freundschaft
offenbart dir die Magie
…
Massenimpfungen
schaffen endlich gesunde
Erwerbslose…
Mein Aug fängt den Strahl.
Tief drinnen. Husch. Er ist fort…
Wie Martha grüßte ...
Echt ein Kapitel für sich -
Ich…
Glaube ist für mich
die kritischste Form eines
…
Europa leuchtet.
Glanz verspricht das Paradies.
…
Spurlos verschwunden -
ohne Abschied: heißt warten,
…
Zauberspuk in mir,
bist ebenso in allem.
Göttliche…
Wir verlier’n die Welt,
wenn wir so weiter machen.
…
Hat siebzehn Silben:
Ein Haiku - etwa nicht?! Und:
Wo…
Denk an die Liebe
aus Gedanken wird die Tat
die…
Was ist, wenn Gott denkt?
Im Meer der Möglichkeiten
…
Ersehnter Wunschtraum
darin unendlich schweben
…
In deinen Augen
spiegeln sich meine Ängste
wohin führt…
Und dennoch raffen,
selbst wenn genug vorhanden,
das…
Schwein, du kluges Tier,
anders, als uns’re Mächt’gen,…
Higgs du winz'ges Teil,
sprich zu mir von Wirklichkeit.…
Alternde Liebe
geht gemeinsam Hand in Hand
vertraute…
Geheimnis Weihnacht
überdauerst alle Zeit
als ein…
Dies Pfeifenkonzert
weckt meinen Wunsch nach Taubheit.…
Seiten
Erklärung, Aufbau und Beispiele des traditionellen Senryu (Senryū)
Debon (1984, S. 411) nennt die Senryu „Siebzehnzeiler, die keine ‚haiku‘ sind“. Die Darstellungen über Entstehung und Entwicklung sind widersprüchlich. Ich folge den grundlegenden Ausführungen Blyths.
Formel dem Haiku gleich, dreizeilig mit 17 Silben in der bekannten Aufteilung 5 - 7 - 5, steht seine inhaltliche Prägung in der Tradition des Renga und zwar in der Mindless-Form, dem mushin-renga, ‚herzloses Kettengedicht‘, das den humorvollen, witzigen und an Wortspielen reichen Stil bevorzugte und sich im Volk großer Beliebtheit erfreute (Blyth 9. A. 1984, Vol. I, S. 42). Es wurde in der umgekehrten Silbenfolge 7 - 7 / 5 - 7 - 5 von zwei Autoren geschrieben. Dabei galt es, den dreizeiligen Vers in unerwarteter und überaschender Weise an den vierzehnsilbigen Vordervers anzuschließen. Diese Form des mushin-rengas hieß maekuzuke „Vordervers-Anschluß“ (Debon 1984, S. 410).
Als Beispiel für das maekuzuke ein Gedicht von Sōkan:
Kirtaku mo ari
kiritaku mo nashi
Nusubito wo
toraete mireba
waga ko nari
Erschlagen könnt ich ihn
aber dann doch wieder nicht.
Erwischt wurde der Dieb
und als ich näher hinsah,
war es mein eigener Sohn.
Debon (1984, S. 411)
Der zweite Traditionsstrang, der das Senryu prägte, ist das kyōka, das ‚komische Waka‘, ‚Trollgedicht‘, oder auch kyōku, das ‚Trollvers‘ oder ‚verrückter Vers‘ – ein satirisches Hokku (Blyth 1960, S. 13).
Sōkan wa
doko e to hito no
tōtareba
chito yōji ari
anoyo e to ie
Should Poeple ask
Where Sōkan has gone
Then answer,
"He has gone on some business
To the next world."
Blyth (1960, S. 13)
In den 300 Jahren nach Sōkan sind ständig humoristische Gedichte geschrieben worden, in den letzten 100 Jahren vornehmlich in der Hokku-Form; sie waren jedoch kaum bekannt und auch wenig geachtet. Das änderte sich erst durch Karai Hachiemon (1718-1790).
Karai Hachiemon war offiziell ernannter Sammler und genoss als solcher ein hohes Ansehen. Weniger seinem eigenen dichterischen Talent als vielmehr seiner ausgiebigen Tätigkeit als kritischer Beurteiler und Selektor verdankte er seine Popularität. Diesem Umstand und der Vorliebe Karai Hachiemons für das kyōku ist es zuzuschreiben, dass diese Gedichtart entdeckt wurde und Berühmtheit erlangte.
...
Hachiemon begann seine Sammeltätigkeit 1757; der erste Teil der Anthologie erschien 1765; bis zu seinem Tode 1790 umfasste sie 24 Bände. Der ausführliche Titel lautet: ‚Imosegawa Yanagidaru‘, vom ersten Wort das Ende und vom zweiten der Anfang ergeben die japanische Lesart für Senryu, gawa-yanagi, das übersetzt Flußweide heißt. Diese Wortkombination wählte Hachiemon zum Pseudonym. Erst nach seinem Tod wurde der name auf die gedichtform übertragen.
Sein Lebenswerk und der Umstand, dass das Haiku sich inzwischen zu einer hochgeistigen Gedichtform gewandelt hatte, machten das Senryu ungeheuer populär, denn es bot jedermann die Möglichkeit literarischer Betätigung, der außer der formalen Begrenztheit keine Einschränkungen auferlegt waren.
Das Senryu lebt von „Hyperbolen, Metaphern, Personifizierungen, Kalauern und Verballhornungen; es liebt die respektlose Verspottung, die Travestie und die Parodie“ (Debon 1984, S. 412), versprachlicht Ironie, Satire und Dummheit, menschliche Schwächen, alltägliches Einerlei und banale Nichtigkeit. Der Sprachstil ist umgangssprachlich geprägt, liberal, niemals moralisierend oder anklagend, dafür spöttisch, ja zuweilen zynisch und anzüglich (Blyth 1960, S. 7):
Nusumi yori
kuretaru hana wa
ori-nikushi
It is more difficult
To break off a branch he is given
Than to steal one.
Blyth (1960, S. 166)
Wenn man einen Blütenzweig stiehlt, so nimmt man soviel, wie man haben möchte, aber wenn man ihn geschenkt bekommt, fürchtet man, unbescheiden zu sein und zuviel abzubrechen.
Dorobō no
kaeri ni marui
tsuki wo home
Yasharō
On the way back
From stealing,
He praises the round moon.
Blyth (1960, S. 221)
Dieses ist ein Beispiel dafür, dass das Senryu sich jeder moralisierenden Äußerung enthält. Der satirische Unterton ist sehr zart. Der Dieb hat durch den erfolgreichen Diebstahl alle seine Materiellen Wünsche erfüllt. Nun, auf dem Heimweg, erwacht seine geistige Natur, und er betrachtet den Vollmond mit ruhigem und friedlichen Sinn.
[Auszüge aus "Das deutsche Kurzgedicht - in der Tradition japanischer Gedichtformen" ISBN 3 88996 144 4; Mit freundlicher Genehmigung von Margret Buerschaper]