Haiku ✓ Gedichte, Erklärung und Aufbau von Haikus

Dunkelgeflüster,
watend in stillen Pfützen,
Ungesagtes…
Am schwarzen Feldrand,
gehalten von nebligen Armen -
…
Blätter verwelken -
meine Haut zeigt Risse,
aber ich…
K l a n g f a s z i n a t i o n -
wenn Worte Blüten tragen,…
erstarrt gefächertes
Nadelholz, Zwischenlicht,
mondlos…
in mondbleicher Nacht
tanzen Wehmutsgefühle
mit…
Dein Haar hat der Wind,
als der Winter dich küsste-
…
M a g i s c h e r F r ü h l i n g -
die zarten Blätter…
Marillenblüte
zartrosafarben die Wangen
der Kinder
Im Morgengrauen -
es roch nach Moos und Erde,
…
Die Farben rotieren
wir streiten um
die Blütensprache…
A l l e s g u t im B l i c k
an diesem friedlichen…
Blick in die Weite
tiefes Sehnen nach euch
…
Im Spätsommer
unterwegs in die Heimat -
Lektionen in…
Tagpfauenaugen
Lavendeltrunken taumelnd
Sommer…
In Weiß und zartrosa,
im Kontrast zu Seegras + Rum -
…
A m W e l t p o e s i e t a g
nehmen wir das Wort wörtlich…
Ein Sommermorgen -
Hauch eines sanften Windes,
…
Über den steilen Berg
toben Wind und Vögel,
wir…
November Schleier
Hüter des Verborgenen
Bereiten den…
Verwehte Spuren -
Streiflichter über dem Jenseits
in…
Schneerosenblüte,
fernab quälender Hektik -
Sie…
Sibirisches Harsch
unsentimental, nüchtern
…
Klares Frühlicht hebt
uns behutsam in den Tag,
einfach…
Feuriges Schlingen
rastet im Gewölk fauchend
Lippen…
Oktober Magie
Blätter Zauber trifft Erde
Kunst der…
In weiter Ferne
Die Tage sind längst gezählt
Bis…
Missa solemnis
von Herzen gebeugt -
zarte Blüten im…
Sieh nur, die Spinne.
Hab keine Angst und schau hin.
…
Traumbild, raubst den Schlaf.
Frühlingsdüfte betören.
…
grauender Morgen
schwer von der Last der Nacht
über…
I n l a n g e r K e t t e
winden sich die Menschen…
Untertriebe längst
und einander seltsam ernst
im…
Virtuelle Welt:
Fesselnde Spiele dämmen
Sensomotorik…
Wenn aus schwerschwarzen
Gassen Träumende durch die
…
Januar Träume
Frisch erholt nach Zeiten Schlaf
Zum…
So früh am Morgen
peitscht Regen ans Fenster
und du…
Weil unfassbar bleibt
was um ein Haar gewickelt
im…
Die Sonne strahlt
Schönheiten aus Eis und Schnee
…
Herbstessonnenschein,
lässt Dahlien erstrahlen
und…
Frühschicht verfangen
Ermattet im Wellenguss
Erlegter…
Im späten Gleichgewicht -
Nichtigkeiten zu Staub zerfallen,…
Vertropftes stundend
Irrlichternd schwimmt im Dunkel
…
Selaginellas
Tränen wie durch Wolken Flor
in Weiten…
Offiziell zerfließt
in Unzeit Reue brilliert
…
S c h w a r z e r H o r i z o n t -
die rote Aprilsonne…
D u n k e l b l a u e s L i c h t,
starker Wind über…
Ein Gewissen im
Gewissen zeugt wie wahrhaft
dort…
Wenn das Licht vergeht
spielen die Gedanken
mit den…
September Seufzer
Milde Abschiedsmelodie
Zwischen Weh…
Eisblumen blühen
Der See im Winterurlaub
Sucht Ruhe…
Am steilen Berghang
steigen die Stunden
über die Zeit…
G l i t z e r n d e s W a s s e r
mit Blick bis zum…
Meer der Wiederkehr
Seelen segeln in der Nacht
Ankern…
Der leichte Windhauch
über den Gräbern der Ahnen -
ein…
Gekrönte Landschaft,
hinter dem Lid kreist ein Falke -…
Vollmondnächte.
In silberblauem Schweigen
Klarheit…
Globale Wärme,
Schmelzwasser tropft in den Ozean -
…
G r o s s e S e h n s ü c h t e
wecktest du mit leichtem…
Knospen öffnen sich.
Romeo und Julia.
Nur Asche und…
Sehnsucht nach Sonne,
mitten im Blitzgewitter
…
In schlanker Schönheit
blüht sie dem Tod entgegen.
…
Nachtwanderung -
Ich gebe mein letztes
Geheimnis preis…
Rosen tragen Blau
Unter zeitenschwerem Sein
Farbe…
Dezemberreigen
Dunkelschwer tanzt leicht im Licht
…
An einem Himmel
Wolken verhangene Sonne
und der blasse…
Getragen vom Wind
schläft der Morgen in Bäumen
fällt…
Flügelfelder in
ausgebreiteten Himmeln
Verrinnender…
Gedanken Reisen
Grenzenlos im Überall
Befreite Welten…
Blühender Garten
Trotz Werden und Vergehen
Ein Ort des…
Herbstzeitmelodie
Klang Farben Spiel im Wandel
Noten…
Die zarte Birke
wirft im Herbst ihr Blattkleid ab.
…
Weihnachtswunderzeit
Öffnet Herzenstüren weit
…
Von Wärmewunden
Wie Blumen ungebunden
Keineswegs…
Im Hitzekoller
Brandmal verletzte Erde
schreit nach…
Seiten
古池や
蛙飛び込む
水の音
Der alte Weiher:
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers.
Matsuo Bashō (1644–1694)
Erklärung, Beispiele und Aufbau des Haiku
Für die Entstehung des Haiku scheinen zwei Tatsachen von grundlegender Bedeutung zu sein. In der Renga-Dichtung hatten sich schon im 12. Jahrhundert zwei inhaltlich differenzierte Richtungen herauskristallisiert (Blyth 9. A. 1984, S. 41):
There appeared in renga two schools which characterise other spheres Japanes culture, the serious and the playful. Some of the renga teachers favoured humour, wit and puns; their works were called kyōrenga, literally, "mad" renga, but meaning "light" renga, ... contrastet with poems of deep emotion and beauty as their objects.
Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Haiku, scherzhafte, verspielte Renga, durch ihre Hauptvertreter Sōkan (1465-1553) und Moritake (1473-1549) sehr populär (Blyth 9. A. 1984, S. 45).
Zum Zweiten scheint die durch regelhafte Vorschriften bedingte wachsende Bedeutung des Hokku ausschlaggebend. Das Bemühen um einen inhaltlich und sprachlich brillianten Start einer Gemeinschaftsdichtung führte dazu, dass die Hokku in ihrer Vollendung oft keiner Ergänzung bedurften und für sich allein als eigene Kurzgedichte bestehen konnten. Das trug zur Entwicklung des Haiku als selbstständiger Gedichtform bei.
Florenz (1905, S. 440) nennt die Bezeichnung "Haiku" für das dreizeilige Kurzgedicht einen Missstand. Sie ist zusammengefügt aus Haikai no Hokku, was soviel bedeutet wie ‚humoristischer Anfangsvers‘. Die Formbeschreibung ‚Anfangsvers‘ trifft auch heute noch zu, die humoristische Sinn- und Inhaltsdeutung, die der Name aufzwingt, verlor sich jedoch schon zur Zeit Bashōs.
Das Haiku ist das kürzeste, prägnanteste, beliebteste und weltweit bekannteste Kurzgedicht der japanischen Literatur.
Die drei Zeilen sind aufgeteilt in 5-7-5 Silben:
xxxxx
xxxxxxx
xxxxx
Hin und wieder kommen auch „unregelmäßige Silbengruppierungen“ (Florenz 1905, S. 439) vor, wie z.B. 5-5-7, 7-5-5 oder 5-9-5.
Der wachsende Zuspruch, den das Haiku erfuhr, war anfangs wohl bedingt durch die Komplizierung der anderen literarischen Formen. Die strengen technischen Regeln und die gequält künstlichen Anforderungen, die die Tanka-Dichtung mehr und mehr beherrschten, förderten das Streben nach Einfachheit und Natürlichkeit. So bildete das Haiku die vereinfachte und damit volkstümliche Alternative. Die Kissenwörter und das altklassische Vokabular traten zurück und weder der Thematik, noch der sprachlichen Ausdrucksform, die „Hohes und Niedriges, Ernstes und Scherzhaftes, Vulgäres und Profanes zuließ“ (Florenz 1905, S. 441), waren Beschränkungen auferlegt. Das führte zu einer Leichtigkeit und Allgemeinverständlichkeit, dass Gebildete und Ungebildete gleichermaßen in der Lage waren, Haiku in großer Menge zu schreiben.
Die Praxis änderte sich hundert Jahre später durch Bashō und seine Schule. Blyth (9. A. 1984, Vol. I. S. 59) begründet den Vorgang:
In the same way if haiku (in its potential form of haiku renga and hokku) had not fallen into vulgarity, mere wordplay, parody, unreal poeticality, excessive simplicity, sententiousness, and epigrammaticness, and even sometimes pantheism and religiosity, Bashō could never have resurrected it into something different form all these, yet not entirely excluding them. The work of Sōkan and Moritake was thus to bring down renga and hokku from the hight to which Sōgi had raised it, too far, to a level above which Bashō had to raise it, until it should become not too bright or good for human nature's dauly food.
[Auszüge aus "Das deutsche Kurzgedicht - in der Tradition japanischer Gedichtformen" ISBN 3 88996 144 4; Mit freundlicher Genehmigung von Margret Buerschaper]
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