Spur i)= Ein Leben als Statist

Bild von Klaus Mattes
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Vor Jahren ruhte ich in der Komparsenkartei des Süddeutschen Rundfunks.
Der alte SDR noch, diese Beckett-Anstalt.
In Maulbronn setzte ich dem deutschen König die Kaiserkrone auf
als schwer wiegende Kopie, beider Bärte waren angeklebt.
In Eppingen trug ich Gummistiefel und war Treckerfahrer.
Neonazis unterwanderten unsere Wirtschaft.
Einem Unternehmer, Michael Degen, jagte die Tochter seine Fabrik im Remstal ab.
Lachshäppchen vom Buffet stanken in der dritten Julinacht.
Wir trugen einen Kollegen zum Grab im Prag-Friedhof.
Claude Oliver Rudolph stützte Nina Hoss
oder sonst eine von diesen.
Trenchcoat und Schlapphut Bienzles waren offenkundig Fundus.
Adrian, englischer Filou, der brachte mich zweimal über die Autobahn und wollte Systemvertrieb von mir.
Beim Warten unterhielt er gerne Frauen über vierzig,
die soeben zum ersten Mal die Füße (Physe?) spürten.
Hundert Mark am Tag, keiner tat es um des Geldes willen.
Außer mir, ich war Hartz IV.
Fernseher hatte ich nicht.
Ich rief dann Mama vorher an, wenn nach ewiger Zeit der Film lief.
Dann hatte sie mich nie gesehen, nicht ein einziges Mal
fand die eigene Mutter mich im Bild.
Wahrscheinlich rausgeschnitten.
Wahrscheinlich doch nicht.
Man hätte selber dabeisein müssen und Achtung, gleich, links hinten, verwischt rufen.
Nach der Senderfusion noch ein nachfassendes Schreiben,
Körpermaße, Kleidergrößen, neues Foto bitte!
Einen Führerschein hatte man zu haben.
Jedenfalls kam nie mehr eine Anfrage.
Jahre später Tatort Bodensee, Wiederholung, Eva Mattes am strömenden Rhein.
Ganz exakt ihr gegenüber konnte man die Klappe entziffern,
wo ich mir mutmaßlich Filzläuse geholt habe.
Ich sah mich stehen, oben an der Treppe, Mut sammelnd.
Ich verstand, warum nur ich mich sah und sonst keiner.