Pedro

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Mit seinem zarten Zeigefinger drückte Pedro auf den runden blauen Knopf im Pförtnerhaus. Pianistenfinger hatte seine Freundin sie genannt. Sie passten nicht zu seinem breiten Körper, der dominanten Brust. Die Eingangstür öffnete sich. Frau D. kam mit einigen Einkaufstüten beladen herein, eine Strähne ihrer langen Haare fiel ihr jugendlich in die Stirn. Pedro stand auf und öffnete ihr die Aufzugtür. Mit der freien Hand drückte er auf die «4» und befahl damit dem Aufzug Frau D. nach Hause zu bringen «Danke Pedro.» Mit einem Blick auf die Einkaufstüten fügte sie hinzu: «Meine Enkel kommen heute Abend zu Besuch.» «Das freut mich.» «Weißt du, es ist wirklich immer eine Freude, wenn sie kommen.» Frau D. und ihre Tüten waren verstaut und Pedro schloss die Tür. Er kehrte zu seinem braunen Stuhl mit der tiefen Lehne zurück und schaute auf die beiden Bildschirme, die ihn durch die Tage begleiteten. Ein etwas größerer direkt vor ihm sammelte die Bilder der Überwachungskameras, während ein kleiner Fernseher, oben in der Ecke, wo die Wand auf die Decke stieß, ihm stoisch das Mittags – Abends- und Nachtprogam seines Liebliengssenders zeigte. Nichts besonderes. Weder da noch dort. Instinktiv schaute er in Richtung der Tür und sah, dass dort jemand wartete. Herr E. aus dem 11. Stock kam herein. Er blieb vor Pedros Stuhl stehen «Danke Pedro. Wie geht's?» «Gut, und Ihnen?» «Hast du das Spiel gestern gesehen? Unglaublich oder? Aus fünf Metern drüber schießen könnte sogar ich!» Herr E. lachte. Sein bürstenartiger Schnurrbart wippte dabei auf und ab. Pedro nickt «Insgesamt war die Niederlage trotzdem ein bisschen unverdient denke ich.» «Was heißt schon unverdient. Wir haben verloren, weil die sich alle nicht mehr anstrengen wollen. Da ist keiner richtig gerannt. Und dann Millionen verdienen.» Pedro stimmte zu. Während die Konversation sich zog, krachte die Eingangstür und ein Mann schrie laut in ihre Richtung «Mach auf! Lasst mich rein!» Pedro schreckte herum und schaute den verschwitzten Mann an. Mit dem Schlüssel in der Hand sprang er auf. Er erkannte einen früheren Mieter, schon lange ausgezogen, und öffnete ihm die Tür. Der Mann drang nach vorne, sobald sich das Schloss öffnete. Er schubste Pedro zur Seite und stürzte sich auf das Pförtnertelefon, von dem aus er ohne zu zögern eine Nummer wählte. Mit der linken Hand fuhr er sich wiederholt durch die Haare, während er wartete. Pedro und Herr E. standen kaum einen Meter neben ihm und musterten ihn misstrauisch. «Ja, könnte ich mit...es geht ihr gut? Beiden?» Der Mann schaute zum ersten Mal auf und lächelte Pedro breit an. «Ja sagen sie ihr, ich komme sofort. Danke!» Er legte den Hörer sehr vorsichtig wieder auf und schüttelte Pedro dann herzlich die Hand «Ich bin gerade Vater geworden!» Pedro und Herr E. gratulierten erfreut, aber der Mann rannte schon wieder auf die Straße. Herr E. war aufgeregt und blieb noch eine Weile bei Pedro stehen, bevor er dann zu sich hoch in den 11. Stock fuhr. Für eine Weile kam und ging niemand, so dass Pedro die Mülltonnen auf die Straße bringen konnte. Als er damit fertig war, schaute er wieder auf den Fernseher. Das junge Paar aus dem 8. Stock ging in Abendkleidung nach draußen. Sie nickten ihm zu, als sie an ihm vorbeigingen. Frau M und ihre Mutter, Herr O. mit Ehefrau, die zwei kleinen Kinder, die immer im Eingangsbereich spielten, ein Anwalt, ein Lehrer, eine Designerin und mehrere Pensionäre kamen und gingen, immer mit einem kurzen Kopfnicken oder «Danke» an Pedro gewandt. Nach acht Uhr abends wurde es ruhiger, Pedro schaute mehr auf den Fernseher. Die Stunden zwischen zehn Uhr und dem Ende der Schicht um Mitternacht waren lang. Kaum jemand wollte in das Gebäude oder es verlassen, niemand sich unterhalten. Es war dunkel draußen und der kleinen Deckenlampe gelang es nicht wirklich den Eingangsbereich in mehr als eine schummerige Glocke zu hüllen. Kurz vor zwölf kam dann das junge Paar merklich angeheitert zurück. Die Frau hatte Schwierigkeiten auf ihren hohen Schuhen zu gehen und klammerte sich an den Mann, der sie im Arm hielt «Gute Nacht Pedro.» Sie verschwanden im Aufzug. Auf seinem größeren Bildschirm sah Pedro, wie sie sich ungehalten küssten und die Hände des Mannes den Rücken der Frau entlang nach unten rutschten. Er wollte sich auf den kleinen Fernseher in der Ecke konzentrieren, aber schaffte es nicht. Die Fahrt in den 8. Stock dauerte lange. Zehn Minuten später war Pedros Schicht zu Ende.

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Kommentare

02. Nov 2015

Die Perspektive gut gewählt -
Und entsprechend dann erzählt!

LG Axel