Vorstoß T/ Sex mit dem Tod

Bild von Klaus Mattes
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Mit wem ich immer schon Sex haben wollte, war der Tod. Einfach mal, dass der so dünn ist. Härter, gespenstischer als ein Leptosom. Reduziert aufs Wesentliche. Auch hat er keine Haare am Leib und große schwarze Augen, in die er einen zieht.

Du wirst ihm nie auf die Schliche kommen.

Du liegst im Bett, kannst nicht schlafen, willst die Flecken an der Decke zählen, doch dafür ist es zu finster. Angenommen, denkst du, es wird nie wieder hell. Wie in der einen Geschichte von Dürrenmatt, „Tunnel“. Du liegst in deinem Bett und es rauscht in diesen Tunnel der Schwärze, an dessen Ende es nicht hell wird, weil das Ende nie kommt. Aber es ist kein Zug, es ist der Behälter, nur für dich. Was du bis eben für ein Zimmer gehalten hattest, ist der Behälter, mit dem du entsorgt wirst.

Da ist doch was. Der abstoßendste Geruch der Welt kann nicht von deinem Maul kommen. Am Nacken ein Hauch. Etwas ist da und es ergreift Besitz, denkst du noch. Es gestattet nicht, dass ich nach dem Lichtschalter greife, dass ich die Decke von mir werfe, springe, mich vielleicht nur mal drehe. Wer kann unter mir liegen und mir ins Genick hauchen? Er ist hier, unter mir.

Und zieht mich an sich, in diesen Abgrund. Knacksknirsch. Das war eine Uhr, die gesprungen ist. Zeit hat aufgehört zu existieren. Ich weiß das. Obwohl du nicht weißt, ob tatsächlich ein grauenhafter Schmerz ins Fleisch beißt. Oder ein sacht wärmender, leckender Zungenschlag dich verwöhnt. (Fleisch vielleicht eher nicht. Denn der Gestank des Verbrutzelten ist wahrscheinlich dein eigenes vergangenes Fleisch gewesen.)

Ich bin tot, denkst du. Jetzt doch.

Blödsinn, tausend Gedanken bollern durch ein Spatzenhirn. Cogito ergo sum. Der Tod ist mein Gast. Der Tod himself findet mich geil. Will es treiben. Klar, überleben wirst du nicht. Aber dann: „Dancing With Mr. D!“

Der Tod, wie bekannt, ist von den Metaphysischen. Man muss sich nicht wundern, dass er keinen Schwanz zwischen seinen Schenkeln hat. Man weiß nie, ob was kommt, wenn er fertig wird. Für manche ist er mehr so wie die eiskalte Klinge und quer durch die Brust. Wie aber doch alles, was man dir von den interessanteren Dingen jemals erzählt hat, ist es nicht so, sondern anders.

Das Neue am Tod ist zum Beispiel, dass er überall ist. Du spürst ihn unter dir, zugleich rutscht du ihm ins Becken hinab. Und bist drin. Seine Rippen sind die Stäbe einer Zelle, Eisen hat er umgeschnallt. Zwischen den Jochbeinen ist unendliche Schwärze, aus der er dein Leben übersieht. Ein Lachen, wie wenn du es wärest, der dein Leben überblickt.

Wecker, Kaffeemaschine, Zähneputzen, Nachrichten, Hasten zur Bahn, PC, Kollegen, Zeug kaufen, Toilettengänge, Freunde. Die Freunde raten telefonisch, einen kühlen Kopf zu bewahren. Deine nächtliche Eskapaden, die das Glück suchen und zu Überdruss führen, dann immerhin Schlaf, Wecker. Tageslicht ein, Tageslicht aus und hin und wieder krank. Regen, Schnee, Orkan, dann Schauer, waschlappenschwüle Sommerluft, dann doch wieder Nebel und Nieselregen.

Der Tod ist ein Spaßvogel, wenn er lacht, muss schon was sein.

So reell gewollt hat dich nie einer. Der Tod will restlos dich. Er nimmt mich, einfach so wie ich eben bin. Es verlangt ihn nach Langweiligem und Schäbigem. Pickel, Schuppen, Zehennägel. Nonchalant, nicht uninteressiert greift er es sich.

Steht er dir? Klar, der steht doch! Schon trinkt der Tod die Augäpfel aus, beißt die Zunge ab. Steht er ihm? In dir und raus aus dir. Selber kommen wirst du nicht. Mitkriegen wirst du es vielleicht bei ihm. Es war schon schön. Gefickt sein vom Tod. Aber es geht ihm lange keiner ab deswegen.

Es tut aber doch schauderhaft weh.
Aber was soll‘s? Es hat wehzutun, denn es ist E---R. Ich bin eines von den Opfern. Ich bin hiermit nun sein. Er löscht mein Licht. Immer wird er sein.

Und immer weiter wird er sich jeden greifen, in den er sich gerade verknallt. Der Tod ist nicht monogam, war ich aber auch nie. Wir lieben uns trotzdem, wie wir sind.

„Bald haben wir es erreicht, du Schatz“, hörst du es säuseln aus einem Vorhang. Diese kalte Stimme, wie es bei Harry Potter mitunter hieß. Könnte so geklungen haben.

Und verdammt, es ist so:
So, oh ja, so. Oh.