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ich schreckliche Angst, fand aber auch Zeit über all die Dinge, die mir mein Vater beibrachte, nachzudenken. Andere Kinder wurden in Häuser gesperrt damit sie sich im Spiegel betrachten können, aber die Spiegellektion habe ich schnell begriffen.“
Hinako war ein großartiger Zuhörer und das bemerkte Kaji sofort, sodass er sehr gerne weiter von seinem Leben erzählte.
„Was bedeutet denn die Spiegellektion?“, wunderte sich Hinako.
„Man sollte sich selbst erkennen, sein Äußeres akzeptieren und sich pflegen damit man würdig erscheint.“
„Wie ging es bei dir weiter?“
„Mit acht Jahren wurde ich Knappe und mit fünfzehn Jahren bekam ich mein Daishô, welches ich seit jeher mit mir trage.“
Hinako vergaß all ihre Probleme und Sorgen, wenn Kaji sprach. Sie konnte sich voll und ganz auf ihn konzentrieren und war von seiner Erscheinung dermaßen gefesselt, dass sie schon glaubte sich in den Krieger verliebt zu haben, da sie sich unter anderem danach sehnte in seinen Armen zu liegen. Kaji spürte Hinakos innere Verunsicherung, doch diese Verunsicherung wurde ganz plötzlich hinter einer weiteren Frage versteckt: „Worüber hast du in dem Wald nachgedacht.“
Kaji schmunzelte. Es kam ihn so vor, als ob er seinen fünfjährigen Sohn vor sich zu sitzen hatte. Shonsuke sollte ebenfalls Samurai werden.
„Über den Tod...ich habe über den Tod und seine Arten nachgedacht.“
„Was hast du herausgefunden?“, verlangte Hinako zu wissen.
„Das siehst du indem was ich bin, wobei ich versuche immer besser zu werden.“
„Die Essenz des Bushidô liegt im Sterben“, sagte Hinako mehr zu sich selbst.
Kaji betrachtete die Geisha verwundert. Woher wusste sie das? Woher wusste sie, was jeder Samurai verkörperte und welcher Gedanke immer im Hinterkopf ruhte. Hinako sah sofort, dass Kaji ohne es zu wörtlich zu fordern, einer Erklärung verlangte.
„Oh! Du schaust mich zu misstrauisch an. Ich kann dir das erklären. Tagsüber laufe ich immer durch Edo und schnappe Fetzen von Gesprächen zweier Gefolgsleute auf.“
„Trotzdem bist du für eine Geisha gebildet und saugst ungemeines Wissen in dich auf.“
„Ich gebe mich nicht mit dem Zufrieden was ich habe, sondern will immer besser werden...ich lese viel.“ Empört sprang Hinako auf. „Außerdem, was soll das heißen, ich sei für eine Geisha gebildet? Geishas müssen ungebildet sein?“
Kaji blieb ruhig sitzen und hörte sich den Vorwurf an um entsprechend darauf reagieren zu können, doch etwas irritierte ihn. Die Vorstellung auf Ewig von Hinako verlassen zu werden, ließ sein Herz für einige Momente einfach aussetzen, doch Samurai waren talentierte Schauspieler.
„Nein, du hast recht. Ich wollte nur sagen, dass Geishas für gewöhnlich nicht die Essenz und tiefsten Gedanken eines Bushidôs zu zitieren wissen“, war Kajis ruhige Antwort. „Entschuldige bitte.“
Hinako wollte sehr gerne fragen, ob Kaji dies ernst meinte, jedoch setzte sie sich wieder wortlos hin, weil die Geisha wusste, dass das Wort eines Samurai unabänderlich und viel Wert war. Kajis Herz beruhigte sich wieder, während Hinako den stattlich gebauten Samurai in seinem weißen Gewand und dem schwarzen Beinkleid betrachtete. Hinako hatte sich schon seit ihrer Kindheit gewünscht mal mit einem Samurai zu sprechen, doch ihre Schwäche kannte sie. Die Geisha konnte Geschwätz von Wahrheit nicht unterscheiden, sodass sie eine Frage stellte, die Kaji darin bestätigte, dass sie eine Unwissende war.
„Stimmt es, dass es den Samurai aus Kyushu an dem einen Geist mangelt.“
Wie naiv sie trotz ihres Wissens ist, dachte Kaji. Er war ein wenig betroffen von der Frage, da Hinako den Großvater des Fürsten Tsunashige beleidigt hatte und indirekt auch den Fürsten selber.
„Ich erzähle dir eine Geschichte, einverstanden?“
Die Geisha nickte geduldig. Kaji würde schon wissen wie er ihre Frage klar beantworten konnte.
„Eines Tages saß der Fürst Katsushige mit den anderen Fürsten aus verschiedenen Bezirken an einem Ort beisammen, an den ich mich nicht erinnern kann. Einer von ihnen meinte: ,Die Leute sagen, den Samurai ermangele es an dem einen Geist.‘ Niemand bemerkte, dass der Fürst Katsushige aus Kyushu stammte. Ein anderer Fürst fragte: ,Was bedeutet das?‘ Woraufhin Fürst Katsushige barsch verkündete: ,Hier ist jemand aus Kyushu. Ich bin mir dessen wohl bewusst, dass es den Samurai, wie ihr sagt, an einem Geist mangelt.‘ Jeder war betroffen von seinen Worten. Schließlich sagte jemand:
,Nimm unsere Entschuldigung an. Sicher stammst du aus Kyushu. Wessen aber bist du dir gleich bewusst?‘ Fürst Katsushige antwortete: ,Der uns fehlende Geist, um das klarzumachen, heißt Feigheit.‘“
Kaji ließ die Geschichte auf Hinako wirken. Diese sah ihn entsetzt an und hatte Tränen in den Augen.
„Das tut mir sehr leid...bitte verzeih mir. Bitte...“
„Hör auf zu betteln. Einer Geisha wie dir steht das nicht zu Gesicht.“
Kaji hatte ihr sofort verziehen...er würde ihr noch viele andere Dinge verzeihen, weil das Gefühl ihr nahe sein zu müssen ihm fast jeglicher klarer Gedanken beraubte. Seine Vernunft sagte, dass er gehen müsse, bevor er sich zu sehr von seinem Herz leiten ließe, doch Kaji blieb sitzen ohne später zu wissen warum er sich in Gefahr brachte Bushidô zu verlassen.
„Was ist eigentlich in den letzten Jahren in Saga geschehen?“, fragte Hinako.
Kaji zwang sich ruhig zu bleiben.
„Letztes Jahr, 1700, starb mein Fürst Mitsushige Nabeshima. Sein Sohn, der jetzige Fürst übernahm schon 1695 das Amt, aber richtig gewöhnt habe ich mich noch nicht an ihn.“
„Warum bist du Fürst Mitsushige nicht durch seppuku gefolgt?“
„Ich durfte nicht“, seufzte Kaji bedrückt und sein Kopf sank herab, als ob eine schwere Last in seinem Schädel stecken würde.
Hinako umfasste vorsichtig Kajis warme Hand und strich mit ihrem Daumen über den vernarbten Handrücken. Die Haut war noch sanft, wie die eines 23-jährigen Mannes, aber sie war verwundet wie die eines 50-jährigen Kriegers. Wie viel leiden der junge Samurai wohl schon gesehen haben muss, fragte sich Hinako und legte ihren Fächer zur Seite um sich ein wenig strecken zu können. Kaji zuckte zusammen, als er die warme Hand der Geisha an seiner Wange spürte, doch schon bald schmiegte er sein Gesicht in den Handteller. Es war sehr beruhigend ihre Wärme zu spüren.
Atsushi beschloss aufzubrechen, sodass er seine Mannen zusammensammelte. Als er alle beisammen hatte, trat er in den Garten und suchte Kaji. Die Fackeln waren fast erloschen. Es war still, sehr still sogar. Nach Atsushis Meinung zu still. Er legte seine Hand fest um den Griff seines Katanas und schlich durch den Garten in dem nur vereinzelt ein paar
©Giulia Strek/ 2009